Stresstage an Chinas Geldmarkt

Staatstitel treffen auf überraschend wenig Nachfrage

Stresstage an Chinas Geldmarkt

Von Norbert Hellmann, SchanghaiAm chinesischen Finanzmarkt machen sich auffällige Verspannungen und eine knappe Liquidität bemerkbar, die die Aufnahmefähigkeit des Anleihemarktes beeinträchtigen. Marktteilnehmer zeigten sich alarmiert, nachdem am Freitag eine routinemäßige Begebung von Schatzanweisungen des Finanzministeriums überraschend wenig Resonanz fand.Bei der Auktion von Geldmarkttiteln mit einer neunmonatigen Laufzeit wurde der auf 15 Mrd. Yuan (1,8 Mrd. Euro) angesetzte Zielrahmen nur zu zwei Dritteln ausgeschöpft und Papiere im Wert von 9,5 Mrd. Yuan untergebracht. Die stockende Unterbringung von Staatsschuldtiteln ist ein seltener Vorgang. Letztmalig war vor knapp zwei Jahren im Juli 2011 eine volle Unterbringung von damals sechsmonatigen Geldpapieren gescheitert. Zinssätze steigen kräftigDie zurückhaltende Nachfrage steht in enger Verbindung zur derzeit äußerst angespannten Refinanzierungssituation unter chinesischen Banken. Ein ausgetrocknet wirkender Interbankenmarkt lässt die Geldmarktsätze seit Ende Mai in ungewohnte Höhen steigen. Am Freitag zog der Zins für einwöchige Wertpapierpensionsgeschäfte (Reposatz) als Leitindikator für die Liquiditätssituation am Interbankenmarkt um weitere 50 Basispunkte auf 6,88 % an. Das ist mehr als das Doppelte eines als normal zu bezeichnenden Niveaus im Einklang mit dem Leitzins der Zentralbank. In der Regel liegt die Repoverzinsung für kurzfristige Geldmarktgeschäfte nämlich leicht unter dem Leitzins der People’s Bank of China für einjährige Einlagen von derzeit 3 %.Trotz der Stresssymptome am Interbankenmarkt hält sich die Zentralbank mit Liquiditätsspritzen zurück. Das für gezielte Lockerungsimpulse am Geldmarkt vorgesehene Instrument der Reverse Repos wurde von der People’s Bank letztmalig im Februar eingesetzt.Nach einem starken Kreditwachstum bei gleichzeitigem Hochschießen von Schattenbankfinanzierungen im ersten Quartal ist die Zentralbank stärker auf die Bremse getreten und scheint bestrebt, die Finanzwirtschaft stärker zu disziplinieren, um einer Verschuldungsblase zu begegnen. Dabei zeigt sich auch die Handschrift der neuen chinesischen Regierung, die eine Drosselung des chinesischen Wirtschaftswachstums zu akzeptieren bereit ist und auf kreditfinanzierte Konjunkturstimulierungspakete verzichtet.Marktteilnehmer vermuten, dass die Zentralbank länger als erwartet an der Seitenlinie verharrt, um ein Warnsignal zu setzen. Sie dürfte allerdings in Kürze wieder glättend auf den Geldmarkt einwirken. Die misslungene Auktion von Staatstiteln weckt nämlich Befürchtungen, dass es zu abrupten Verwerfungen an den chinesischen Anleihemärkten kommt. Die Refinanzierungssituation im chinesischen Bankenlager dürfte dennoch ungemütlich bleiben. Mit dem nahenden Quartalsende steigt der Spitzenbedarf für kurzfristige Liquidität in der Kreditwirtschaft, um stichtagsgerecht die bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen für die Unterlegung von Krediten mit Einlagen zu erfüllen.