DEVISENWOCHE

Subtiler Währungskrieg

Von Martin Hochstein *) Börsen-Zeitung, 23.7.2019 "China und Europa spielen ein großes Manipulationsspiel an den Devisenmärkten und pumpen Geld in ihre Wirtschaft, um mit den USA zu konkurrieren." Zum wiederholten Male warf US-Präsident Trump in...

Subtiler Währungskrieg

Von Martin Hochstein *)”China und Europa spielen ein großes Manipulationsspiel an den Devisenmärkten und pumpen Geld in ihre Wirtschaft, um mit den USA zu konkurrieren.” Zum wiederholten Male warf US-Präsident Trump in einem Tweet Anfang Juli anderen Ländern eine “Beggar your Neighbour”-Politik vor, mit der über eine künstliche Abschwächung der eigenen Währung ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil gegenüber den Vereinigten Staaten erzielt würde. Zwar hat das US-Finanzministerium in seiner turnusmäßigen Überprüfung im Mai keine derartige Währungsmanipulation festgestellt, bei diesem Thema spielen aber in der offiziellen politischen Haltung des Weißen Hauses – wie auch in anderen Fällen – Emotionen offensichtlich eine größere Rolle als harte Fakten.Betrachtet man den von amerikanischer Seite angefachten Handelskrieg im historischen Kontext, so ist die Trumpsche Denkweise allerdings konsequent. Wie die leidvollen Erfahrungen der dreißiger Jahre gezeigt haben, kann eine zunehmend protektionistische Wirtschaftspolitik in einen kompetitiven Abwertungswettlauf münden. Anders als in früheren Episoden sind unmittelbare Interventionen am Devisenmarkt zur Abschwächung der eigenen Währung vorerst relativ unwahrscheinlich. Sie können allerdings bei einer weiteren Eskalation der Auseinandersetzung nicht ausgeschlossen werden.Demgegenüber besteht die Gefahr eines subtilen Währungskrieges mit den Notenbanken als Hauptakteure. Der seit Jahresanfang zu beobachtende atypische, spätzyklische Schwenk in Richtung einer wieder expansiveren globalen Geldpolitik dient vor diesem Hintergrund nicht allein der Adressierung potenzieller Abwärtsrisiken für Konjunktur und Inflation, er zielt zumindest implizit auch auf die Vermeidung ungünstiger Wechselkursentwicklungen ab. In einem disinflationären Umfeld anämischen Wirtschaftswachstums belastet zusätzlicher konjunktureller Gegenwind durch eine stärkere Währung doppelt schwer.Vor diesem Hintergrund lässt sich der zunehmende politische Druck durch Präsident Trump auf die Federal Reserve – unter billigender Inkaufnahme eines nachhaltigen Schadens für deren Reputation und Unabhängigkeit – zumindest teilweise erklären. Offen bleibt jedoch die Frage, ob eine expansivere Geldpolitik zu der gewünschten Abschwächung des Dollar führen würde. Wirft man in diesem Zusammenhang einen Blick auf die Vergangenheit, so ergibt sich ein ernüchterndes Bild. Im Anschluss an die 86 Leitzinssenkungen der US-Notenbank seit 1980 wertete der Greenback auf handelsgewichteter Basis nicht ab, sondern auf, um durchschnittlich 0,9 % innerhalb der ersten 180 Tage – ein Muster, das sich seit Anfang der neunziger Jahre tendenziell verstärkte.Ein wesentlicher Grund für diese überraschende Währungsbewegung ist der ausgeprägte Gleichlauf der Geldpolitik in den letzten 40 Jahren. Leitzinsänderungen in den USA wurden oftmals von anderen Notenbanken, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, nachvollzogen. Ein dämpfender Effekt auf den Dollar über die Verringerung der kurzfristigen Zinsdifferenzen war zumeist nicht nachhaltig. Im aktuellen Null- bzw. Negativzinsumfeld in vielen Ländern stellt sich die Frage, wie andere Notenbanken auf mögliche Leitzinssenkungen der Fed reagieren könnten und ob eine potenzielle Abkoppelung der US-Geldpolitik nicht zwangsläufig auf dem Greenback lasten sollte. In diesem Fall dürfte mangelndes Zinssenkungspotenzial in den betroffenen Ländern bei Bedarf durch quantitative Lockerungsmaßnahmen ersetzt werden, trotz des auch hier mittlerweile eingeschränkten Handlungsspielraums. Wie die Marktreaktionen in Japan (2013/14), der Eurozone (2015), aber auch in den USA (2009/10) zeigten, wirkte sich eine unorthodoxe Politik der Notenbanken durch großvolumige Anleihekäufe zumindest zeitweilig negativ auf die eigene Währung aus. Senkung als Absicherung Betrachtet man die jeweiligen Motive hinter den historischen Fed-Zinssenkungszyklen, so ergibt sich ein weiterer interessanter Aspekt. Leitzinssenkungen, die den Charakter eines Versicherungsschrittes gegen Konjunktur- und Finanzstabilitätsrisiken hatten (1995, 1998), führten per saldo zu einem stärkeren Dollar, während Lockerungen in Reaktion auf ein rezessives Konjunkturumfeld (1989, 2001, 2007) im Durchschnitt auf der Währung lasteten. Die von den Finanzmärkten für Ende Juli erwartete Zinssenkung dürfte von der Fed hauptsächlich als Absicherung gegen ein schwächeres weltwirtschaftliches Umfeld und schwelende Risiken aus dem Handelskonflikt verkauft werden – ein Szenario, das im historischen Kontext auf kurze Sicht gegen eine deutlich negative Reaktion des Greenback sprechen würde. Im schlimmsten Fall könnte ein stabiler oder festerer Dollar in den kommenden Monaten zu einer Verschärfung des Handelskrieges, weiter zunehmendem politischen Druck auf die Fed und einer Kaskade von Lockerungsmaßnahmen durch die globalen Notenbanken führen.Ein hieraus möglicherweise resultierender Währungskrieg würde die Deglobalisierungstendenzen weiter verstärken, den Welthandel nachhaltig belasten und die Wahrscheinlichkeit einer globalen Rezession deutlich erhöhen. Es bleibt auf die Einsicht der politischen Entscheidungsträger zu hoffen. *) Martin Hochstein ist Senior Investment Analyst bei AGI.