Supermarktriese Carrefour räumt auf
Von Gesche Wüpper, ParisSoldes, soldes, soldes, heißt es seit Mittwoch in Frankreich. Doch ausgerechnet zum Beginn des Winterschlussverkaufs machten nach den enttäuschenden Zahlen der britischen Sainsbury Gerüchte die Runde, der Einzelhandelskonzern Carrefour müsse eine Gewinnwarnung für das vierte Quartal abgeben. Das Weihnachtsgeschäft sei für alle französischen Supermärkte enttäuschend verlaufen, wurde getuschelt. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit und das schwache Wachstum seien französischen Verbrauchern aufs Gemüt geschlagen. Besonders schlimm getroffen habe die Konsumunlust Carrefour. Die weltweite Nummer 2 der Einzelhandelsbranche nach Wal-Mart aus den USA, die am 17. Januar ihre Umsatzzahlen für das letzte Jahr veröffentlicht, wollte die Gerüchte nicht kommentieren.Doch es wäre nicht das erste Mal, dass Carrefour enttäuscht. So musste der Konzern, der noch immer 59 % seines Umsatzes in Europa macht, 2011 gleich mehrere Gewinnwarnungen abgeben. Denn er kämpft auf seinem wichtigsten Markt Frankreich seit Jahren mit Problemen. Und er leidet unter der Schuldenkrise, da er auch in Spanien und Italien stark vertreten ist. Lars Olofsson, den Carrefour 2009 von Nestlé als Konzernchef geholt hatte, musste deshalb im Mai seinen Hut nehmen. Sein Nachfolger Georges Plassat hat sich drei Jahre Zeit gegeben, Carrefour wieder flottzumachen. Dafür will er Kosten sparen und die Verschuldung des Konzerns, die Ende Juni bei 9,6 Mrd. Euro lag, abbauen. In Frankreich will Plassat 500 bis 600 Stellen streichen. Luxussegment geplantDer 63-Jährige will sich zudem auf Kernmärkte wie Frankreich, Brasilien und China konzentrieren. Deshalb hat er bereits kurz nach seinem Amtsantritt begonnen, aufzuräumen und sich aus mehreren Märkten, in denen Carrefour unterrepräsentiert war, zurückzuziehen. So verkaufte er in den letzten Monaten Beteiligungen in Griechenland, Indonesien, Kolumbien, Malaysia und Singapur. Plassat kündigte zudem im Sommer an, die Aktivitäten in Polen und in der Türkei ebenfalls auf den Prüfstand stellen zu wollen. In Frankreich, wo Carrefour rund 40 % ihrer Umsätze macht, versucht Plassat, das negative Image Carrefours zu verbessern. Denn den riesigen Hypermarchés genannten Supermärkten des Konzerns haftet der Ruf an, im Vergleich zur Konkurrenz teurer zu sein. Im Dezember startete Carrefour deshalb eine groß angelegte Werbekampagne, in der der Einzelhändler versichert, 500 Lebensmittelprodukte billiger anzubieten als die Konkurrenz. Trotz des Versuchs, am Preisimage zu feilen, soll Plassat nach Informationen der Wirtschaftszeitung “Les Echos” an den Plänen festhalten, in Paris unweit der Madeleine 2014 einen Feinkostladen zu eröffnen. Denn in der französischen Hauptstadt laufen luxuriöse Delikatessenhändler auch dank der zahlreichen gut betuchten Touristen besser als der übrige Lebensmitteleinzelhandel. Die Bauarbeiten für das Feinkostgeschäft, das Les Halles de la Madeleine und nicht Carrefour heißen soll, sollen im Sommer beginnen. Im Untergeschoss sollen Lebensmittel, im Erdgeschoss frische Waren und edle Snacks angeboten werden, im ersten Stock sollen Restaurants einziehen.Die Strategie, die Plassat seit seinem Amtsantritt eingeschlagen hat, kommt bei Investoren bisher an. So legte der Kurs der Carrefour-Aktie innerhalb der letzten sechs Monate um fast 50 % auf zuletzt 19,20 Euro zu. Die Marktkapitalisierung beträgt damit 13,9 Mrd. Euro. Mit einem für 2013 auf 14,5 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis ist Carrefour jedoch inzwischen höher bewertet als andere Einzelhandelskonzerne. Zudem ist das Kursziel, das die 33 Analysten, die den Wert beobachten, im Schnitt bei 20 Euro sehen, fast erreicht. 15 empfehlen das Carrefour-Papier zum Kauf, 13 raten, es zu halten. Die DZ Bank senkte ihre Empfehlung kürzlich von “Halten” auf “Verkaufen”, da die Carrefour-Aktie inzwischen über ihren fairen Wert gestiegen sei.Für die Analysten von Exane BNP Paribas gehört der Einzelhändler dagegen zusammen mit dem 2011 von Carrefour abgespaltenen spanischen Discounthändler Dia und der portugiesischen Handelskette Jeronimo Martins sogar zu den bevorzugten Werten für 2013. Sie stufen Carrefour mit “Outperform” ein und haben das Kursziel jüngst von 20 auf 21,5 Euro angehoben. Die Experten von Morgan Stanley wiederum glauben, dass Carrefour eines der französischen Unternehmen sein dürfte, das am stärksten von den gerade beschlossenen Steuergutschriften in Höhe von insgesamt 20 Mrd. Euro profitieren wird, mit deren Hilfe die sozialistische Regierung die Wettbewerbsfähigkeit steigern will. Denn die Steuererleichterungen, die jetzt in Kraft treten und auf drei Jahre verteilt werden sollen, sollen auf Basis der Beschäftigten, die die Unternehmen in Frankreich zu niedrigen Löhnen beschäftigen, berechnet werden. Carrefour hat 130 000 Mitarbeiter in Frankreich. Nach Ansicht von Morgan Stanley könnten die Steuergutschriften helfen, den Gewinn je Aktie in diesem Jahr um 12 % und 2014 dann sogar um 16 % zu steigern. Vor schwierigem JahrDie 33 Analysten, die Carrefour derzeit beobachten, rechnen im Schnitt mit einem Gewinn von 1,23 Euro für das vergangene Jahr. Wenn der Konzern am 7. März seine Jahresbilanz präsentiert, wird sich zeigen, ob der Einzelhändler diese Erwartung erfüllt und vor allem, welche Prognosen er für das laufende Jahr geben wird. Für seinen Heimatmarkt Frankreich sehen die gesamtwirtschaftlichen Aussichten derzeit nicht gerade rosig aus. Denn die Regierung fürchtet, dass die Arbeitslosigkeit von zuletzt 9,9 % bis Ende 2013 weiter ansteigen wird. Die meisten Ökonomen rechnen nur mit einem leichten Wachstum, Patrick Artus von Natixis erwartet sogar eine leichte Rezession. All das dürfte das Verbrauchervertrauen belasten und den Konsum bremsen. Damit dürften Einzelhändler wie Carrefour in Frankreich erneut vor einem schwierigen Jahr stehen.