GASTBEITRAG

Sustainable-Bond-Markt auf Weg zur Billionen-Schwelle

Börsen-Zeitung, 8.11.2019 Unser Planet steht vor langfristigen Herausforderungen, deren wirtschaftliche Auswirkungen weitaus bedeutender sind als viele Themen aus der Tagespresse. Das Damoklesschwert schwebt über uns. Die Sünden der Vergangenheit...

Sustainable-Bond-Markt auf Weg zur Billionen-Schwelle

Unser Planet steht vor langfristigen Herausforderungen, deren wirtschaftliche Auswirkungen weitaus bedeutender sind als viele Themen aus der Tagespresse. Das Damoklesschwert schwebt über uns. Die Sünden der Vergangenheit holen uns unwiderruflich ein. Wir haben zu lange auf Kosten der Ressourcen künftiger Generationen gelebt. Und die Zeit läuft ab. Der Klimawandel schreitet schneller voran, als die Forschung vorhergesagt hat. Das wird teuer: Geht der Klimawandel ungebremst weiter, werden seine Folgen die Menschheit bis zum Jahr 2100 rund 7 % des globalen Pro-Kopf-Einkommens kosten. Zudem befindet sich die Welt bei der Erreichung der meisten der UN Sustainable Development Goals (SDGs) nicht im Plan.Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert Billionen an Kapital und kennt keine Grenzen. Zur Erreichung der SDGs sind gemäß Schätzungen der Vereinten Nationen beispielsweise jährlich rund 5 bis 7 Bill. US-Dollar erforderlich, und die Umsetzung der Pariser Klimaziele benötigt laut OECD jährliche Infrastrukturinvestitionen von mehr als 6 Bill. Dollar.Um die nachhaltige Finanzierungslücke zu schließen, ist es nicht damit getan, allein über den Atlantik zu schippern. Der Kapitalmarkt muss mit ins Boot, denn öffentliches Kapital reicht zur Finanzierung der Nachhaltigkeitsagenda bei weitem nicht aus. Investoren und Emittenten haben die Zeichen der Zeit erkannt, und wir starten in ein neues Zeitalter der Finanzierungen. Viel zu lange war die Finanzwirtschaft das fehlende Bindeglied auf der Nachhaltigkeitsagenda. Die Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit erfordert jedoch die Mobilisierung von Privatkapital. Glücklicherweise hat das Wettrennen um die erforderlichen Billionen längst begonnen! Dem globalen Fixed-Income-Markt mit einem Volumen von mehr als 100 Bill. Dollar kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Game ChangerSustainable Bonds sind ein wirkungsvolles Vehikel zur Mobilisierung von Kapital für nachhaltige Investitionen. Fokussierte sich der noch recht junge Markt, der 2007 von der Europäischen Investitionsbank mit einer Klimaschutzanleihe ins Leben gerufen wurde, in den ersten Jahren vornehmlich auf ökologische Themen, sind seit etwa zwei bis drei Jahren deutliche Diversifikationstendenzen zu erkennen. Der Markt wird bunter: So sind sowohl Social Bonds, deren Emissionserlöse ausschließlich zur (Re-)Finanzierung von Sozialprojekten verwendet werden, als auch ESG/SDG/Sustainability-Bonds, deren Emissionserlöse zur (Re-)Finanzierung von Umwelt- und Sozialprojekten ) verwendet werden, auf dem Vormarsch.Auch in jüngster Zeit setzt sich der Trend “Green goes rainbow” fort: Immer mehr Emittenten berücksichtigen bei der Emission von nachhaltigen Anleihen nicht nur Umweltaspekte. Ein Beispiel dafür ist die im letzten Jahr vom Land Nordrhein-Westfalen mit einem Volumen von 2,25 Mrd. Euro begebene größte deutsche Nachhaltigkeitsanleihe. Sie dient der Refinanzierung von sozialen und ökologischen Projekten in den Bereichen Bildung, Forschung und Infrastruktur. Generell beobachten wir eine gestiegene Nachfrage für die Strukturierung und Platzierung von ESG-Bonds. Zuletzt begleitete die DZ Bank die Platzierung einer innovativen Anleihe der DKB, einen Blue-Social-Pfandbrief. Dieser fokussiert sich auf Wasser als soziales Thema, also die öffentliche Versorgung und Entsorgung. Kundentypen sind städtische, örtliche oder regionale Wasserbetriebe sowie Wasser- und Abwasserzweckverbände. Allein im Jahr 2018 hat die DZ Bank nachhaltige Emissionen in einem Gesamtvolumen von mehr als 7 Mrd. Euro als Federführer begleitet.Im Jahr 2018 wurden in Deutschland Green Bonds im Wert von 6,6 Mrd. Euro emittiert. Dies war das viertgrößte Neuemissionsvolumen weltweit (hinter den USA, China und Frankreich) und das zweitgrößte in Europa. In den ersten neun Monaten des Jahres 2019 hat Deutschland seinen vierten Platz weltweit gefestigt. Bis heute gab es lediglich vier Corporate-Green-Bond-Benchmark-Emissionen im deutschen Markt: Innogy, EnBW, Baywa und Eon. Drei davon hat die DZ Bank als Underwriter aktiv begleitet. Ein deutscher Corporate-Social- oder Sustainability-Bond steht bislang noch aus. Im Hinblick auf Vielfältigkeit der Investmentthemen, die mit den Sustainable Development Goals verbunden sind, und die Wettbewerbsposition vieler deutscher Unternehmen im Hinblick auf nachhaltige Produkte, Prozesse und Innovationen ergibt sich hier für den Markt für nachhaltige Anleihen ein enormes Emissionspotenzial. Zudem sehen wir vielversprechendes Potenzial für eine neue Assetklasse, die sogenannten Transformationsbonds/Transitionsbonds.Die Erfolgsgeschichte des Marktes für nachhaltige Anleihen setzt sich auch 2019 kontinuierlich fort. So erreichte das Neuemissionsvolumen von Green Bonds bereits im September die Schwelle von 173,2 Mrd. Dollar und übertraf damit das Gesamtvolumen des Vorjahres von 167,3 Mrd. Dollar. Im Oktober hat das Neuemissionsvolumen von Green Bonds die von uns zu Beginn des Jahres prognostizierte 200-Mrd.-Dollar-Marke überschritten.Angesichts der Marktaktivität im Green-Bond-Markt in den ersten neun Monaten und dem kontinuierlichen Wachstum im Social-Bond- sowie ESG/Sustainability/SDG-Bond-Markt rechnen wir mit einem Anstieg der Neuemissionen im Sustainable-Bond-Markt auf über 300 Mrd. Dollar. Die 1-Billion-Dollar Marke dürfte in circa zwei bis drei Jahren in Sichtweite kommen. Der Markt für Green Bonds sollte bis Ende des Jahres um mindestens ein Drittel wachsen und zum Jahresende hin ein Neuemissionsvolumen von mehr als 225 Mrd. Dollar aufweisen.Eine nachhaltige Welt lässt sich nicht allein dadurch erreichen, indem man sich ausschließlich auf Branchen und Unternehmen fokussiert, die bereits nachhaltig sind. Auch kritische Industrien weisen Produkte, Technologien und Innovationen auf, die einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeitsagenda leisten und helfen, diese Industrien in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Die Finanzierung dieser Produkte, Technologien und Innovationen sollte durch ein eigenständiges Marktsegment gefördert werden. Gefordert ist auch innovatives Denken. Denn Nachhaltigkeit und Innovation gehen Hand in Hand. Fintechs können helfen, im Sustainable-Finance-Markt durch innovative One-Stop Solutions das erforderliche Kapital für die nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft in die richtigen Projekte zu lenken. Marcus Pratsch, Head of Sustainable Bonds & Finance der DZ Bank