IM BLICKFELD

Täglich grüßt das Murmeltier in der Kapitalmarktunion

Von Dietegen Müller, London Börsen-Zeitung, 23.5.2019 Jahr für Jahr scheint die Diskussion unter Vertretern der Finanzindustrie und der Europäischen Zentralbank, wie Europas Kapitalmarkt effizienter und attraktiver gemacht werden könnte, um die...

Täglich grüßt das Murmeltier in der Kapitalmarktunion

Von Dietegen Müller, London Jahr für Jahr scheint die Diskussion unter Vertretern der Finanzindustrie und der Europäischen Zentralbank, wie Europas Kapitalmarkt effizienter und attraktiver gemacht werden könnte, um die gleichen Punkte zu kreisen. Nach wie vor gibt es zu viele Markthürden, die teuer und ineffizient sind. Nach wie vor richten sich neidische Blicke auf die USA, wo die Kosten für die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen niedriger sein sollen. Es ist, wie wenn täglich das Murmeltier in der europäischen Kapitalmarktunion grüßt. Kein Wunder, dass Deutschland, Frankreich und die Niederlande nun Druck auf die EU-Institutionen machen, die Kapitalmarktintegration als “dringende strategische Angelegenheit” zu behandeln (BZ vom 17. Mai).Marc Bayle de Jessé, bei der Europäischen Zentralbank für den Bereich Marktinfrastrukturen und Zahlungen verantwortlich, sagte kürzlich auf einem Panel der Finanzmarktlobby AFME in London, es müsse mehr in der Initiative für eine Kapitalmarktunion gemacht werden. Immerhin sei die Reise gestartet worden. Werner Frey, aus Altersgründen abtretender Managing Director Post Trade bei der AFME, äußerte sich kritisch. Das von der EU-Kommission eingesetzte Expertengremium, das European Post Trade Forum (EPTF), habe gezeigt, dass die Hürden in der Abwicklung reduziert worden sind. Eine Reihe wichtiger Themen bleibt aber ungelöst, wie 2017 gezeigt wurde (vgl. Tabelle). Dem Privatsektor seien im Bereich nationaler Steuerfragen und rechtlicher Fragen die Hände weitgehend gebunden. Es komme auf die Politik, die EU-Kommission an. Die Frage der Quellensteuer sei “halbherzig” angegangen und ein Verhaltenskodex verabschiedet worden, der einer Empfehlung ähnele, welche die EU-Kommission schon vor Jahren gemacht habe. “Haben wir greifbare Resultate daraus gesehen? Nein”, so Frey. Dies schaffe Unsicherheit für Investoren. Die Verbesserungsvorschläge des EPTF hätten sehr konkrete Punkte aufgezeigt, um das Investitionsumfeld zu verbessern. Wenn er die Effektivität sehe, mit der die Vorschläge des EPTF aufgenommen wurden, sei das Projekt Kapitalmarktunion “wahrscheinlich als Fehlschlag” zu bezeichnen.Auch Corentine Poilvet-Clediere, Head of Repoclear beim Clearinghaus LCH, wies auf nationale Hürden hin, die Einfachheit, Geschwindigkeit und Skaleneffekten entgegenstehen könnten. Positiv hob sie die Verlagerung des Euro-denominierten Repo-Geschäfts von London nach Paris hervor. Dies habe zu einem Anstieg der über die vom Eurosystem betriebene Wertpapierabwicklungsplattform T2S abgewickelten Transaktionen von wenigen Prozent Anteil auf rund 25 % geführt. Durchs Fenster mit EddiEZB-Manager Bayle de Jessé verwies auf den politischen Kontext: “Wir schauen, was wir tun können. Wenn man nicht durch die Türe kommt, versucht man es schließlich durch das Fenster, um ins Haus zu kommen.” Führe der Weg nicht durch nationale Marktsegmente, so womöglich über ein “European Debt Instrument”. Hinter diesem steht eine Initiative des Stabilitätsmechanismus ESM, der eine europaweite Plattform zum Vertrieb supranationaler Anleihen – als European Distribution of Debt Instruments (Eddis) bekannt – voranbringen will (vgl. BZ vom 30. März). Die EZB sehe, dass es Widerstände gegen Veränderung gebe, aber der Ansatz sei, pragmatisch etwas aufzusetzen, das Wert für die Marktteilnehmer biete, so Bayle de Jessé. Ironischerweise ist aber gerade in Deutschland bisher wenig Begeisterung für das Eddi-Projekt zu spüren.Andrew Douglas, Managing Director beim europäischen Transaktionsregister des Abwicklungsriesen DTCC, sagte, bei vielen Empfehlungen zur Verbesserung des europäischen Kapitalmarkts wäre die EU-Kommission am Zug. Zudem seien neue Hürden im Markt dazugekommen. Als Folge der Brexit-Entscheidung sei eine Menge Geld ausgegeben worden, “um stillzustehen oder gar rückwärts zu gehen”.