"Täglich kommen 1 Mrd. Euro hinzu"
Im Kreditgeschäft geht die KfW in der Coronakrise in die Vollen, das geplante Emissionsvolumen am Kapitalmarkt rührt sie aber noch nicht an. Neben dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes habe die Bank weitere Quellen, sagt Treasurer Frank Czichowski. Der Marktzugang bleibe für die Bank in der Krise stabil. Herr Czichowski, in der Coronakrise refinanziert die KfW ihre neuen Aufgaben nicht vollständig selbst, sondern insbesondere über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung. Wie stehen Sie zu diesem Instrument?Für uns ist wichtig, dass wir in der Refinanzierung verschiedene Quellen haben. Denn bis heute ist niemandem klar, wie viel die KfW für Kredite in der Coronakrise bereitstellen muss. Täglich kommen ungefähr Anträge im Volumen von 1 Mrd. Euro hinzu. Das kann noch eine Weile so weitergehen. Um diese Summe stemmen zu können, brauchen wir verschiedene Optionen. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds stellt bis zu 100 Mrd. Euro für die Refinanzierung der KfW bereit. Mit dem Bund werden wir uns abstimmen, inwieweit wir dieses Instrument nutzen. Den diesjährigen Rahmen von 75 Mrd. Euro für die eigene Refinanzierung am Kapitalmarkt hat die KfW bisher nicht verändert. Wie wirkt sich das Coronaprogramm auf diese Zielgröße aus?Wir schauen uns die Situation natürlich fortlaufend an und werden zur Jahresmitte wie gewohnt die Zielgröße überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Für ein höheres Emissionsvolumen sehen wir aber noch keinen Bedarf. Die KfW hat verschiedene Optionen der Mittelaufnahme: Sie verfügt immer, um auf unerwartete Situationen vorbereitet zu sein, über ein auskömmliches Liquiditätspolster, das aktuell knapp 40 Mrd. Euro beträgt. Über Geldmarktpapiere können wir uns zudem kurzfristig refinanzieren. Wir haben dazu gerade unser Commercial-Paper-Programm in den USA von 10 Mrd. Dollar auf 20 Mrd. Dollar erhöht. Bisher ungenutzt, aber möglich wäre auch die Mittelaufnahme über das Eurosystem, also über Bundesbank und EZB. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, also der Bund, kommt jetzt als weitere Option hinzu. Allein das Sonderprogramm der KfW dürfte nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden Günther Bräunig 50 Mrd. Euro erreichen, auch 100 Mrd. Euro sind demnach nicht ausgeschlossen. Das ist ein enormes Volumen.Wir gehen derzeit davon aus, dass wir für alle Coronahilfe-Kredite, also das KfW-Sonderprogramm inklusive Schnellkredit, ein Kreditvolumen von 100 Mrd. Euro oder mehr stemmen könnten, ohne dass wir unser eigenes Refinanzierungsvolumen für 2020 über den Kapitalmarkt von derzeit geplanten 75 Mrd. Euro erhöhen müssten. Die Renditen von Bundesanleihen sind niedriger als von Anleihen der KfW. Warum refinanziert sich die KfW nicht komplett über den Bund?Die KfW ist eine eigenständige Organisation mit einem separaten Geschäftsmodell und Risikomanagement und mit einer auskömmlichen Kapitalausstattung. Die Bundesrepublik garantiert für die KfW, doch die Ausfallwahrscheinlichkeit ist gering. Unser Kreditgeschäft ist daher aus gutem Grund nicht Teil der Bundesschuld. Die Coronahilfe-Kredite sind eine Besonderheit. Hier übernimmt der Bund mit einer eigenen Garantieerklärung alle entsprechenden Kreditrisiken von der KfW. Daher kann er unschädlich für sonstige Kenngrößen diesen Teil auch refinanzieren. Als die KfW Anfang des Monats 5 Mrd. Euro über eine dreijährige Anleihe aufnahm, war das Orderbuch mit mehr als 15 Mrd. Euro gut gefüllt. Zählt die KfW am Kapitalmarkt zu den Profiteuren der Marktunruhe?Das hängt vom Maßstab ab. Es gibt in Krisen immer eine Flucht in die Qualität. Davon profitieren in erster Linie Staatsanleihen. Die Risikoaufschläge auf andere Anleihen, also die Spreads, weiten sich aus. Da die KfW-Anleihen insgesamt etwas illiquider sind als Staatstitel, haben sich unsere Spreads gegenüber Bundesanleihen erhöht. Weil der Bund aber zugleich für die KfW garantiert, bleibt die Nachfrage von Investoren nach Anleihen der KfW hoch. Auch fällt unser Spreadanstieg deutlich geringer aus als für viele andere Anleihen, etwa von gewöhnlichen Banken oder auch von Unternehmen. Außerdem sind die Renditen von Bundesanleihen gesunken. Was ergibt sich unterm Strich für die Refinanzierungssätze der KfW?Die KfW kann sich bis zu einer Laufzeit von ungefähr zehn Jahren zu einem negativen Satz refinanzieren – ähnlich wie bereits vor der Coronakrise. Kurz- bis mittelfristig wird sich das Zinsumfeld voraussichtlich kaum ändern. Günstig für die KfW wirkt sich das Anleihekaufprogramm der EZB aus. Wie viele Titel der KfW landen auf diese Weise im Eurosystem?Das lässt sich schwer sagen. Bisher durfte die EZB bis zu einem Drittel der Anleihen eines Emittenten erwerben, im neuen Kaufprogramm kann der Anteil aber auch höher ausfallen. Ich vermute, dass bereits jetzt annähernd ein Drittel der KfW-Anleihen im Eurosystem liegt. Künftig könnten es mehr sein. Allerdings gilt das nur für Euroanleihen, nicht für unsere Emissionen in anderen Währungen, denn die sind vom EZB-Programm nicht erfasst. Um ein Gespür für die Größenordnung zu geben: Im vergangenen Jahr haben wir Euroanleihen in Höhe von 41,9 Mrd. Euro emittiert, das entsprach gut der Hälfte des gesamten Emissionsvolumens. Je nach Marktlage kann das Volumen in Euro auch geringer ausfallen. Im Herbst hatte die KfW angekündigt, Negativzinsen im Kreditgeschäft einzuführen. Das Projekt soll im vierten Quartal 2020 vollendet sein. Hält der Zeitplan?Dazu gibt es noch keine Entscheidung. Im Moment beschäftigen sich KfW und Kreditwirtschaft primär mit den Folgen der Coronakrise. Weiterhin gilt aber, dass wir unsere günstigen Refinanzierungskonditionen im Kreditgeschäft weiterreichen wollen. Das Thema bleibt auf der Agenda. Das Interview führte Jan Schrader.