GELD ODER BRIEF

Toray Industries baut auf Karbon

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 9.1.2015 Garn, Fasern, Karbon, Membranen, Farbfilter - die Produkte von Toray Industries klingen nicht gerade sexy. Trotzdem werfen Anleger schon länger begehrliche Blicke auf diese Aktie aus Japan: Denn im...

Toray Industries baut auf Karbon

Von Martin Fritz, TokioGarn, Fasern, Karbon, Membranen, Farbfilter – die Produkte von Toray Industries klingen nicht gerade sexy. Trotzdem werfen Anleger schon länger begehrliche Blicke auf diese Aktie aus Japan: Denn im Geschäftsjahr 2014 (bis 31. März) will der Hersteller von Chemie-Basisstoffen für die Auto-, Flugzeug-, Wasser- und IT-Industrie neue Rekorde erzielen: 83 Mrd. Yen (+ 39 %, 585 Mill. Euro) Nettogewinn und 130 Mrd. Yen (+ 24 %) Betriebsgewinn bei einem Umsatz von 2,1 Bill. Yen (+ 14 %, 14,8 Mrd. Euro). Der Aktienkurs hat schon kräftig angezogen. Mit einem Schlusskurs von 970 Yen am Donnerstag fehlen nur noch 10 % zum Höchst von 1 067 Yen vom April 2006. Das Potenzial ist da: Damals verdiente Toray 41,84 Yen je Aktie. Im laufenden Jahr sollen es 51,81 Yen (+ 16 % zum Vorjahr) werden. Das muss nicht einmal alles sein: Die Prognose basiert auf einem konservativen Wechselkurs. Jede Abschwächung um 1 Yen zum Dollar erhöht den operativen Gewinn von Toray um 700 Mill. Yen. Boeing-Vertrag verlängertIm Westen ist die Gruppe mit 46 000 Mitarbeitern als Weltmarktführer für Kohlenfaserverbundstoffe mit einem Anteil von 32 % bekannt. Der besonders leichte, harte, aber extrem teure Kunststoff wird zur Gewichtsreduktion in Autos und Flugzeugen und auch für Gasbehälter verwandt. Schon seit 2006 läuft ein Exklusiv-Vertrag mit Boeing für das Dreamliner-Modell 787, dessen Rumpf und Flügel zur Hälfte aus Karbon bestehen. Beide Seiten wollen den Vertrag nun um drei Jahre bis mindestens 2024 verlängern und auf das neue Modell 777X mit 25 % Karbonanteil erweitern. Durch das Liefervolumen von 1 Bill. Yen (7 Mrd. Euro) über die Gesamtlaufzeit verdoppelt Toray den Karbon-Absatz an Boeing.Auch das Geschäft mit der Autobranche kommt langsam auf Touren. Mit Daimler gründete Toray 2011 den Karbonproduzenten Euro Advanced Carbon Fiber in Esslingen. Die Stuttgarter haben im März 2014 ihren Firmenanteil von knapp 45 % zwar auf 5 % zugunsten von Toray reduziert, nehmen aber die Produktion weiter ab. Nach einem Bericht der Finanzzeitung “Nikkei” verhandelt Toray zudem gerade mit BMW über Karbon-Lieferungen. Die Münchner produzieren den Werkstoff für ihre Elektroautos bisher gemeinsam mit der deutschen SGL Carbon. Präsident Akihiro Nikkaku erwartet den Auftragsschub von der Autobranche mit 15 Mrd. Yen nun schon für 2016/17. Bis 2020/21 sollen es 30 Mrd. Yen jährlich werden.Den Gesamtabsatz an Karbon will Toray bis dahin gegenüber 2013 auf 300 Mrd. Yen verdreifachen. Begründet wird dies nicht nur mit dem weltweit rasch wachsenden Bedarf. 2014 stieg der Weltabsatz um 15 % auf 45 Mrd. Euro. Marktforscher Point Carbon von Thomson Reuters erwartet 2015 einen Anstieg um weitere 55 % auf 69,6 Mrd. Euro. Toray erschließt sich auch neue Absatzfelder. So wurde 2014 der US-Hersteller Zoltek voll konsolidiert, der auf die Produktion von Rotorblättern für Windkraftanlagen spezialisiert ist. Zudem ist das Geschäft mit Karbon zunehmend profitabler geworden: Während der Verbundstoff im Halbjahr April bis September nur 8 % zum Umsatz beisteuerte, erreichte der Anteil am Betriebsgewinn 23 %. Zum Vorjahr sprang die operative Rendite um fast die Hälfte. Aber es gibt zwei Caveats: Erstens hängt das Karbon-Geschäft am Hauptkunden Boeing. Werden weniger Flugzeuge bestellt, leidet Toray. Zweitens erfordert der Werkstoff hohe Investitionen in die Weiterentwicklung sowie für neue Werke. Die neue Karbon-Fabrik in den USA für den erweiterten Boeing-Auftrag mit einer Anfangskapazität von 3 000 bis 4 000 Tonnen kostet in der ersten Bauphase 60 Mrd. Yen (422 Mill. Euro).Wegen der guten Aussichten für Karbon wird Toray an der Börse wie ein Wachstumstitel bewertet: Das laufende Kurs-Gewinn-Verhältnis beträgt knapp 22 und ist um die Hälfte höher als der Durchschnitt im marktbreiten Topix. Auch beim Kurs-Buch-Verhältnis von 1,8 ist Toray deutlich teurer. Die Dividendenrendite von 1,1 % ist mager. Immerhin ist die Auszahlung über die letzten fünf Jahre im Schnitt um 15 % gewachsen. Auch die finanzielle Lage lässt zu wünschen übrig: Die Schulden wuchsen im Vorjahr um 24 % auf 1,16 Bill. Yen (8,3 Mrd. Euro). Der freie Cash-flow lag 2013 aufgrund hoher Investitionen von 215 Mrd. Yen mit 53,4 Mrd. Yen im roten Bereich. An Barmitteln blieben immerhin 113 Mrd. Yen in der Kasse. Zudem sollten Investoren nicht übersehen, dass Karbon selbst nach Firmenprognose bis 2020 nicht mehr als 10 % des Umsatzes ausmachen wird. Das übrige Geschäft läuft nicht schlecht, aber sein Wachstumspotenzial ist deutlich geringer. Ein leichter Rückschlag bei Karbon dürfte daher den Aktienkurs wegen der relativ hohen Bewertung überproportional treffen. Das zeigt auch der Kursverfall von SGL Carbon. Anders als bei den Deutschen sind die übrigen Geschäfte von Toray jedoch solide.Die Traditionssparte mit Fasern und Textilien profitiert von der engen Partnerschaft mit Japans größtem Textilkonzern Fast Retailing, der mit seiner Hauptmarke Uniqlo seit Jahren kräftig im Ausland wächst. Die beiden Firmen haben neue Kunststoffe für funktionale Textilien entwickelt, die bei Uniqlo zu Verkaufsschlagern wurden. Dazu gehört Kleidung, die den Körper warmhält, die Haut kühlt oder trotz geringen Gewichts winddicht ist. Fast Retailing will in den nächsten Jahren mit Toray Stoffe mit neuen Funktionen entwickeln. Auch hier müssen Anleger bedenken, dass diese Kooperation bei einem Misserfolg von Uniqlo auch Toray in hohem Maß belasten wird. Die Textilsparte erzielte im letzten Halbjahr 41 % vom Umsatz und 44 % vom Betriebsgewinn, enttäuschte jedoch mit einer Marge von 5,9 %. Andere Hersteller von Chemie-Basisstoffen schneiden besser ab. Aber Toray ist über Uniqlo stärker vom privaten Endkunden abhängig als westliche Rivalen.Laut Reuters stufen 13 Analysten Toray als Kauf ein, 6 plädieren für Halten. Letztere Zahl hat sich binnen drei Monaten verdoppelt, da der Kurs in dieser Zeit um 45 % gestiegen ist. Niemand empfiehlt die Titel zum Verkauf.