Mit voller Fahrt in den MDax
Geld oder Brief
Traton mit voller Fahrt in den MDax
Von Joachim Herr, München
Seit fünf Jahren ist Traton an der Börse. Ein echter und stabiler Ausbruch über den im Juni 2019 erzielten Emissionspreis von 27 Euro gelang der Aktie aber erst in diesem Jahr. Zuvor hatte der Kurs der Nutzfahrzeugholding von Volkswagen nur Mitte 2021 wenige Wochen über dem Ausgabewert gelegen. Seit Beginn dieses Jahres machte er in der Spitze aber zwei Drittel gut. Anfang April erreichte der Titel mit 36,70 Euro den bisherigen Höchststand.
Deshalb erstaunt es wenig, dass Volkswagen nun mit einem Verkauf von Traton-Anteilen liebäugelt. Beim Börsengang konnte VW mit reichlich Mühe und erst im zweiten Anlauf lediglich 10,3% der Aktien an Investoren abgeben. Die Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) brachte VW damals nicht einmal vollständig unter. Der VW-Konzern hatte vor fünf Jahren angekündigt, seinen Anteil an Traton mittelfristig auf 75% und eine Aktie zu verringern.
Auf der VW-Hauptversammlung Ende Mai signalisierte der Vorstandsvorsitzende Oliver Blume die Bereitschaft, „den Streubesitz schrittweise zu erhöhen, um die Aktie für Anleger besser investierbar zu machen“. Die Analysten der Schweizer Bank UBS bewerten einen höheren Streubesitz als leicht positiv für Traton. Spekuliert wird, dass Aktien im Wert von etwa 1 Mrd. Euro an institutionelle Investoren abgegeben werden. Das wären 6,5 bis 7% aller Anteile.
„Starker Jahresstart“
Der Aufstieg vom SDax in den MDax gelingt Traton auch ohne einen solchen Schritt. Dafür genügt die gestiegene Marktkapitalisierung des Streubesitzes; insgesamt sind es gut 15 Mrd. Euro. Am 24. Juni folgt der Sprung in den MDax als Ergebnis der routinemäßigen Überprüfung der Indizes der Dax-Familie.
Für den Schub, den der Aktienkurs in diesem Jahr erlebt, gibt die Geschäftsentwicklung von Traton gute Gründe. Die Deutsche Bank attestiert dem Unternehmen einen starken Jahresstart und erhöhte nach den Quartalszahlen das Kursziel von 50 auf 55 Euro. Nicolai Kempf liegt damit an der Spitze der 21 Analysten, die Traton auf ihrer Internetseite auflistet.
Am Ende der Skala der aktuellen Einschätzungen stehen 29,50 Euro. Sie stammen von Daniela Costa von Goldman Sachs, die ein Halten der Aktie empfiehlt. Die Mehrheit von zwölf Analysten rät zum Kauf. Eine Verkaufsempfehlung gibt es nicht.
Die fundamentalen Daten von Traton böten derzeit dafür auch wenig Anlass: In den ersten drei Monaten dieses Jahres war die Holding mit den vier Lkw- und Busmarken Scania, MAN, Navistar und in Südamerika Volkswagen Truck & Bus so profitabel wie nie zuvor. Die um Sondereffekte bereinigte operative Marge stieg im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum um 1 Prozentpunkt auf 9,4%.
MAN macht den größten Schritt
Traton profitierte wie die gesamte Branche von höheren Verkaufspreisen, zudem von einem günstigeren Produktmix und gesenkten Kosten. Den größten Schritt zu mehr Profitabilität machte MAN. Das Münchner Unternehmen schloss im vergangenen Jahr eine Restrukturierung ab – mit einer Neuordnung des internationalen Produktionsverbunds und dem Abbau von Arbeitsplätzen. Es war nicht der erste Umbau von MAN in den vergangenen Jahren. Doch nun soll die Marke auch in Zeiten einer flauen Nachfrage solide Ergebnisse erzielen.
Analysten von Goldman Sachs rechnen damit, dass MAN und Navistar die Margen weiter steigern können. MAN lag mit 7,9% im ersten Quartal schon ziemlich nah an dem Ziel von 8%. Navistar in Nordamerika erzielte 5,0%. Am besten von den vier Marken schneidet regelmäßig Scania ab. Der schwedische Hersteller, der sich auf die schweren Lkw mit höheren Margen konzentriert, liegt in der Branche mit Volvo vorn. Scania erzielte zum Jahresauftakt eine bereinigte operative Rendite von 14,3%, Volvo kam auf eine unbereinigte Marge von 14,5%. Trucks North America, das profitabelste Segment von Daimler Truck, startete 2024 mit 12,5%.
Trotz der gesunkenen Nachfrage nach Lkw, vor allem in Europa, sind die Vorstände der Unternehmen und die Analysten, die die Branche beobachten, weiterhin recht optimistisch. Der Lkw-Markt normalisiere sich von einem hohen Niveau aus, lautet die Einschätzung von Goldman Sachs. Die Gefahr eines längeren Abschwungs gebe es nicht. Zudem sei mit stabilen Lkw-Preisen zu rechnen.
Vorstand bleibt behutsam
Im Durchschnitt rechnen die Analysten für Traton mit einem Anstieg der bereinigten operativen Marge nach den 9,4% im ersten Quartal auf 9,6% im gesamten Jahr. 2023 hatte die Holding 9,3% erzielt. Trotz des guten Starts bleibt der Vorstand vorsichtig und hält bisher an der für 2024 prognostizierten Spanne von 8 bis 9% fest. Finanzchef Michael Jackstein begründete Ende April seine Behutsamkeit mit der abgeschwächten Nachfrage und den geopolitischen Risiken. Auch ließen sich Störungen der Lieferketten nach wie vor nicht ausschließen.