Trübe Aussichten für Eisenerz
Nach einem bislang turbulenten Jahresverlauf haben sich die Perspektiven für den Eisenerzpreis deutlich eingetrübt. Konjunktursorgen und der Handelskrieg zwischen den USA und China belasten. Einige Marktteilnehmer rechnen mit einem weiteren deutlichen Rückgang. Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtIm bisherigen Jahresverlauf hat es bei dem wichtigen Industrierohstoff Eisenerz eine Entwicklung gegeben, die man durchaus als dramatisch bezeichnen kann. So war zunächst ein rasanter Preisanstieg zu beobachten, dann jedoch der Absturz, während nun Branchenexperten von großen Risiken hinsichtlich der Entwicklung in den kommenden Monaten berichten.Eisenerz notiert zwar derzeit noch um rund 30 % über dem Stand vom Jahresanfang. Gegenüber dem Hoch vom 3. Juli von 124,31 Dollar je Tonne des Monats-Futures an der Börse Singapur hat sich der Preis aber mittlerweile um mehr als 25 % ermäßigt, nachdem es im August zu dramatischen Verlusten gekommen war.Zu Jahresanfang gab es zunächst einen kräftigen Preisanstieg, weil sich ein umfangreiches globales Angebotsdefizit abzeichnete. Dazu trug der Bruch eines Staudamms in Brasilien Ende Januar bei, der mehr als 240 Todesopfer gefordert hatte. Er ereignete sich am Minenkomplex Córrego do Feijao im Bundesstaat Minas Gerais, der dem Rohstoffkonzern Vale gehört, dem weltgrößten Anbieter von Eisenerz. Die brasilianischen Behörden verhängten einen Produktionsstopp für den Konzern, der ungefähr ein Viertel der Angebotsmenge des Konzerns an Eisenerz betraf. Im Februar nahm der Konzern dann Force majeure (Lieferunfähigkeit aufgrund höherer Gewalt) für die Lieferung einiger Eisenerzqualitäten in Anspruch. Gegen Ende des zweiten Quartals lag die Produktionsmenge von Vale sogar um 34 % unter dem Vorjahreswert. Tropensturm in AustralienDie globale Angebotsmenge wurde aber auch durch den Tropensturm “Veronica” beeinträchtigt, der die Pilbara-Küste im Westen Australiens heimsuchte und dort Produzenten zwang, ebenfalls Force majeure zu erklären. Zu guter Letzt erklärte dann noch der Minenkonzern Rio Tinto, es gebe einen durchaus dramatischen Rückgang der Eisenerzproduktion. Für die australische Produktionsmenge des Konzerns wurde dieser mit 7 % angegeben. Auch BHP Billiton sprach dann noch aufgrund der Wetterlage in Australien von einem Rückgang der Eisenerzmenge um 2 %.Dem stand anfangs eine hohe Nachfrage insbesondere aus China gegenüber, wo die Rohstahlproduktion ein Allzeithoch markierte. In den ersten fünf Monaten des Jahres war die Rohstahlproduktion im Reich der Mitte um 10 % größer als in der Vorjahresperiode. Mit Blick auf die Versorgungsprobleme mussten die chinesischen Vorräte angezapft werden, die auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren fielen.Dann aber brach das für Investoren so positive Szenario in sich zusammen. Im August sackte der Preis für Eisenerz um fast rund 30 % ab. Es handelte sich dabei um den stärksten monatlichen Rückgang seit Oktober 2011. Dafür verantwortlich war unter anderem der sich zuspitzende amerikanisch-chinesische Handelskrieg, der die Marktteilnehmer rund um den Globus um die Konjunktur fürchten ließ.Um die Konjunktur steht es aber auch ohne Handelsstreit nicht zum Besten, die verarbeitende Industrie befindet sich in vielen Regionen der Welt bereits in der Rezession. In China als dem bei Eisenerz weltweit bedeutendsten Verbraucherland ist das Wachstum der Industrieproduktion derzeit so schwach wie seit 2002 nicht mehr. Die Nachfrage nach dem Erz sei mittlerweile deutlich zurückgegangen, berichten Marktteilnehmer.In China gibt es im kommenden Winter zudem dasselbe Problem wie in den Vorjahren: Wegen der hohen Luftverschmutzung im Ballungsraum Peking wird die Industrie wieder gezwungen sein, die Produktion zurückzufahren.Nach Ansicht von Brancheninsidern könnte sich die Baisse bei Eisenerz noch fortsetzen. So rechnet etwa der größte börsennotierte indische Stahlproduzent JSW Steel mit einem Preis für Erz von nur noch 65 bis 60 Dollar. Dass der Eisenerzpreis derzeit noch über 90 Dollar liegt, führt das Unternehmen vor allem auf spekulative Einflüsse am Markt zurück. Darauf deute hin, dass sich der Eisenerzpreis derzeit in die andere Richtung bewege als die Preise von anderen Stahlrohstoffen wie Schrott, Koks und Kohle.Auch ist zu erwarten, dass das Angebot weiter zunimmt. So fährt Vale die vom Markt genommenen Kapazitäten allmählich wieder hoch. Mit einem steigenden Angebot bei anhaltenden Nachfragesorgen rechnen auch die Marktteilnehmer, wie sich an der Terminkurve bei Eisenerz ablesen lässt, die sich nach wie vor im Zustand einer ausgeprägten Backwardation befindet. Das bedeutet, dass die kurzfristigeren Kontrakte höher notieren als die längerfristigen. Risikofaktor HandelskriegEs bleibt als Risikofaktor auch der Handelskrieg bestehen, auch wenn derzeit Washington und Peking von Fortschritten bei den Verhandlungen berichten. Einflussreiche Kräfte innerhalb der US-Regierung sind aber nicht daran interessiert, mit China eine Übereinkunft herbeizuführen, die dem Reich der Mitte eine Fortsetzung seines Aufstiegs zur führenden Wirtschaftsmacht der Welt erlaubt.Die trotz des Rücktritts des Sicherheitsberaters John Bolton in der Administration von US-Präsident Donald Trump wie auch in der Opposition der demokratischen Partei nach wie vor sehr einflussreichen neokonservativen Kräfte sind stattdessen daran interessiert, China einzugrenzen, um so die führende Position der USA auch langfristig zu sichern.Dies spricht eher für einen längerfristig weitergehenden Konflikt, der gelegentlich durch zuversichtliche Äußerungen Trumps unterbrochen wird, die die Börse bei Laune halten sollen. Auch diese Entwicklung sollte die Eisenerznachfrage in den kommenden Monaten belasten.