Trübe Aussichten für Schuldscheinmarkt
kjo Frankfurt – Die Liquiditätsschwemme an den internationalen Kapitalmärkten wird sich nach Einschätzung vieler Marktteilnehmer aufgrund der noch anhaltenden Krise im ersten Halbjahr 2021 fortsetzen. Dies wird nach Ansicht von Capmarcon, einer auf Unternehmensfinanzierung spezialisierten Beratungsgesellschaft, auch weiterhin Einfluss auf den Schuldscheinmarkt in Deutschland zeigen, der im vergangenen Jahr einen Emissionsrückgang von 30 % aufgewiesen hat.Zwei Szenarien seien in diesem Umfeld in der ersten Jahreshälfte 2021 denkbar: Die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB) halte an und zeige weiterhin die bereits bekannten Auswirkungen auf Märkte und Akteure. In diesem Fall hätten zumindest Investment-Grade-Bonitäten ungehinderten Zugang zum Schuldscheinmarkt, die Risikoprämien würden sich dann nochmals leicht verringern. Im unwahrscheinlicheren Szenario würde ein bestimmtes Ereignis – zum Beispiel eine nicht nochmals verlängerte Aufhebung der Insolvenzantragspflicht, die aktuell auf den 31. Januar gesetzt ist – den Marktteilnehmern das Ausmaß wirtschaftspolitischer Fehlentscheidungen signalisieren. “Das führt zur deutlichen Verschärfung der Kreditbedingungen und zur deutlichen Anhebung der Risikoprämien”, heißt es bei Capmarcon.Im wahrscheinlicheren erstgenannten Szenario dürfte das im ersten Quartal 2021 arrangierte Schuldscheinvolumen etwa 3,8 Mrd. Euro erreichen und im darauffolgenden Vierteljahr nur wenig höher ausfallen. Mit größeren Volumina im zweiten Halbjahr könnte der arrangierte Schuldscheinbetrag im Jahr 2021 auf knapp über 20 Mrd. Euro steigen, heißt es weiter. Die Prognose basiere auf der Annahme, dass sich Unternehmen mit einer bestimmten Mindestbonität bei Investitionen und Akquisitionen zurückhalten und ihre Finanzrelationen durch zusätzliche Kreditaufnahmen nicht verschlechtern. So dürfte es dann im Wesentlichen zur Refinanzierung auslaufender Darlehen kommen. Kein PreisdruckAufgrund der Liquiditätsschwemme, die sich laut Capmarcon zumindest im ersten Halbjahr fortsetzen sollte, dürfte das Zinsumfeld insgesamt für die Unternehmen günstig bleiben. Bislang beeinflusse das erhebliche Geldvolumen die Aktien- und Immobilienpreise, in beiden Bereichen hätten sich die Vermögenspreise selbst im Krisenjahr 2020 weiter erhöht. Nur wenig Veränderung habe sich bei den Preisen für Konsumgüter ergeben. Auch Rohstoffnotierungen und Investitionsgüterpreise hätten bei vorübergehenden Nachfragerückgängen keine gravierenden Bewegungen verzeichnet. Die Inflationsraten zeigten kaum oder keine Ausschläge nach oben. In der Folge dürften die Marktzinsen auch in der nächsten Zeit auf ihren niedrigen bis negativen Niveaus verharren, so die Prognose.Der Schuldscheinmarkt sei auch im Schlussquartal des vergangenen Jahres geprägt gewesen vom Risikobewusstsein der Kreditgeber. In den letzten drei Monaten 2020 wurden Darlehen in Höhe von 5,25 Mrd. Euro an Unternehmen ausgezahlt. Das sei zwar der beste Quartalswert des Jahres 2020 gewesen, aber nicht ausreichend, um den Rückgang um 30 % insgesamt zu kompensieren. Der wesentliche Grund für den Rückgang sei eine vorsichtigere Haltung der Investoren beim unbesicherten Schuldschein gewesen, die sich bei einem deutlich verschlechterten wirtschaftlichen Umfeld in höheren Anforderungen an die Bonität äußerte. Dies habe den Kreis der Unternehmen eingeschränkt, die noch für eine entsprechende Kreditvergabe via Schuldschein in Frage kamen. Das arrangierte und valutierte Schuldscheinvolumen sank im Jahr 2020 auf 18,4 Mrd. Euro gegenüber 26,1 Mrd. Euro im Vorjahr. Das am Schuldscheinmarkt ausstehende Volumen lag bei 143,1 Mrd. Euro. Höhere Hürden für FirmenInvestoren würden Wert auf die Widerstandskraft und die Bekanntheit der Geschäftsmodelle legen. Dies erhöhe die Hürde für Unternehmen, die erstmals den Schuldschein zur Unternehmensfinanzierung einsetzen, d. h. am Markt debütieren. Deren Anteil am gesamten Emissionsvolumen des Schuldscheinmarktes ging von 35 % im Jahr 2019 auf 14 % im vergangenen Jahr zurück. Das sei ein Reflex des Marktes auf eine fehlende Schuldscheinhistorie. Aber auch schuldscheinerfahrene Unternehmen in Branchen, die von den staatlich angeordneten Lockdown-Maßnahmen besonders betroffen waren, hätten das Instrument nur in geringerem Ausmaß einsetzen können.Der Rückgang des arrangierten Schuldscheinvolumens im vorigen Jahr 2020 sei am Markt keine gleichlaufende Bewegung gewesen, sondern habe sich in den einzelnen Segmenten unterschiedlich vollzogen. Die gestiegene Risikoaversion der Kreditgeber habe sich vor allem auf den Sektor verarbeitendes Gewerbe (-35 %) mit den Branchen Automobil und Industriegüter sowie Dienstleistungsunternehmen (-34 %) ausgewirkt. Ein höheres Volumen sei bei Logistikern und (Energie-)Versorgern arrangiert worden. Deutlich rückläufig sei die Vergabe an ausländische Unternehmen gewesen. Noch im Jahr 2019 seien 42 % des neu begebenen Schuldscheinvolumens auf Unternehmen mit Sitz im überwiegend europäischen Ausland entfallen, im vergangenen Jahr seien es nur 16 % gewesen. Die Banken hätten sich hier zurückgezogen.