Trump bringt den neuen Kalten Krieg ins Portfolio
Von Andreas Hippin, LondonNahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die US-Regierung in den Auseinandersetzungen mit der Volksrepublik China ein neues Feld eröffnet. Auf ihren Druck hin wird der Thrift Savings Plan, ein Hunderte Milliarden Dollar schwerer Pensionsfonds für US-Bundesangestellte, seine Investments in ausländische Aktien nicht an einem Index auszurichten, der chinesische Aktien enthält. “Diese Beschränkung der Investitionen öffentlicher Pensionsfonds in China ist ein wichtiger Schritt und unterscheidet sich qualitativ von früheren Aktionen, weil dadurch Investmentbarrieren für Abflüsse aus den USA nach China errichtet werden”, sagt der Invesco-Marktstratege Arnab Das. Zuvor sei es meist um chinesische Zukäufe in den Vereinigten Staaten gegangen, um Hochtechnologie und um die Begrenzung des Zugangs chinesischer Firmen zum Kapitalmarkt – hauptsächlich wegen Unterschieden bei Bilanzierung und Offenlegungspflichten. “Humanitäre Bedenken””In den USA hat es im Hintergrund immer diese National-Security-Lobby gegeben, die auf beiden Seiten des politischen Spektrums Unterstützer hat”, sagt Christopher Wood, Global Head of Equity Strategy bei der US- Investmentbank Jefferies, der als langjähriger Verfasser des Newsletters “Greed & Fear” bekannt geworden ist. “Eine ihrer großen Forderungen ist, dass staatliche Pensionsfonds nicht in chinesische Wertpapiere investieren sollen.” Noch im November wollte der Federal Retirement Thrift Investment Board (FRTIB), der den Thrift Savings Plan verwaltet, aller Kritik der China-Falken zum Trotz an der bereits 2017 auf Empfehlung der Berater von Aon Hewitt getroffenen Entscheidung für den MSCI ACWI Ex USA Investible Market Index festhalten, der in weit größerem Maße japanische und britische als chinesische Aktien beinhaltet. Doch Anfang Mai nominierte Donald Trump drei neue Mitglieder für den fünfköpfigen Board des FRTIB. Larry Kudlow, der als glühender Freihandelsbefürworter geltende Direktor des National Economic Council, und der Nationale Sicherheitsberater Robert O’Brian machten bei Arbeitsminister Eugene Scalia schriftlich “humanitäre Bedenken” und solche um die nationale Sicherheit geltend. Scalia untersagte dem FRTIB schließlich die Orientierung an dem Index. Dessen Board setzte die Umstellung auf die neue Benchmark gesichtswahrend aus.”Die Investmentwelt arbeitet größtenteils mit Benchmarks, an denen sich die Kapitalströme ausrichten”, sagt Alexander Chartres, Investment Director beim Londoner Vermögensverwalter Ruffer, dessen börsennotiertes Vehikel in den vergangenen Wochen eine bemerkenswert gute Performance gezeigt hat. “Künftig werden sie stärker umkämpft sein.” Dabei werde es sowohl um ihre Zusammensetzung gehen, z. B., ob und in welchem Umfang sie chinesische Aktien enthalten, als auch darum, an welchen Indizes sich bestimmte Fonds und andere Anleger orientieren sollen. “Zunächst werden sich die Restriktionen um die Mittelverwendung staatlicher Pensionsfonds drehen”, sagt Chartres. Die Privatwirtschaft davon abzuhalten, im Reich der Mitte zu investieren, sei weitaus schwieriger. “Aber es ist absolut vorstellbar, dass Kapitalströme aus den Vereinigten Staaten nach China in Zukunft durch ein US-Gesetz begrenzt werden.” Noch sei der Zeitpunkt dafür allerdings nicht gekommen. Aus seiner Sicht hat der “neue Kalte Krieg” zwischen den USA und der Volksrepublik, der nun in die Portfolios der Anleger Einzug hält, schon vor der Coronavirus-Pandemie begonnen. Das Virus habe die bereits bestehenden Dynamiken lediglich verstärkt – ein Argument, das häufig zu hören ist. Michael Moritz, Partner beim Risikokapitalgeber Sequoia Capital, bezeichnete es als “Katapult in die Zukunft”.Das Eingreifen der US-Regierung sei ein Zugeständnis Trumps an diejenigen, die seit langem ein Verbot von Investitionen in der Volksrepublik befürworten, sagt Wood, ein “kleines Geschenk, um die National-Security-Lobby zu beschwichtigen”. Noch spiele sich das alles in sehr kleinem Maßstab ab. “Aber wenn diese Leute die Tagesordnung bestimmen, ist das Risiko größer als null, dass sie versuchen könnten, nicht nur staatliche Pensionsfonds, sondern alle US-Institutionen von Investitionen in China abzuhalten.” Die nächste Frage ist aus Sicht des Jefferies-Chefaktienstrategen, ob Indexanbieter wie MSCI dazu bereit wären, China aus ihren Produkten zu entfernen. Ihm zufolge wird es unter Donald Trump nicht dazu kommen. Anders als Vizepräsident Mike Pence oder Außenminister Mike Pompeo sei er kein China-Gegner.Die Pandemie hat den weltweiten Siegeszug chinesischer Aktien und Bonds durch die Indizes vorübergehend gestoppt. Die Indexanbieter J.P. Morgan und FTSE Russell nahmen bei der Aufnahme der Papiere in ihre Produkte den Fuß vom Gas. Dennoch waren im Februar chinesische Staatsanleihen in einem bislang nicht dagewesenen Volumen in ausländischer Hand. Investoren lockt der vergleichsweise hohe Kupon, zumal selbst in Großbritannien inzwischen häufiger von der Möglichkeit negativer Zinsen die Rede ist und die Rendite zehnjähriger US- Schatzanleihen vor kurzem erstmals unter 1 % rutschte. Zudem lässt sich mit Schuldtiteln wie denen der chinesischen Staatsbahnen die zunehmende Nachfrage nach Klimabonds bedienen. “Große Märkte, die nachhaltig eine ordentliche Rendite bieten, dürften sich für einkommenshungrige Investoren als unwiderstehlich erweisen”, sagt Chartres.