TECHNISCHE ANALYSE

Turbulente Aussichten für den Dax

Von Christian Henke *) Börsen-Zeitung, 13.1.2016 Das Börsenjahr 2015 ist Geschichte. Und trotz einiger Krisen können die Anleger hierzulande mit der Performance des deutschen Leitindex Dax recht zufrieden sein. Aber wie sieht es nun für 2016 aus?...

Turbulente Aussichten für den Dax

Von Christian Henke *)Das Börsenjahr 2015 ist Geschichte. Und trotz einiger Krisen können die Anleger hierzulande mit der Performance des deutschen Leitindex Dax recht zufrieden sein. Aber wie sieht es nun für 2016 aus? Der Jahresauftakt ist gehörig misslungen. Auch charttechnisch zeigt sich der Deutschen liebstes Börsenbarometer angeschlagen. Jedes Jahr kurz vor dem Weihnachtsfest hoffen die Anleger auf eine Jahresendrally. Statistisch betrachtet konnte der Dax in den vergangenen Jahrzehnten in den letzten Zügen eines Börsenjahres in der Tat mitunter deutlich zulegen. Doch 2015 sollten die Marktteilnehmer eines Besseren belehrt werden. Zum wiederholten Mal kam Störfeuer aus dem Reich der Mitte. Schlechte Konjunkturdaten aus China, gepaart mit einem spürbar fallenden Ölpreis, schürten Sorgen hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Weltkonjunktur. Diese Belastungsfaktoren kamen zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Folge war, dass die herbeigesehnte Jahresendrally ins Wasser fiel. Big Picture mit KratzernDer Blick auf das Big Picture verrät uns möglicherweise die künftige Marschrichtung auf dem Frankfurter Börsenparkett. Dargestellt ist der Langfristchart auf Monatsbasis. 2015, einem sogenannten zyklischen 5er-Jahr, gelang der Sprung über gleich drei “runde” Zahlen. Bis April konnte zuerst die Preisregion bei 10 000 Punkten und anschließend, ohne rechte Gegenwehr der Bären, auch die Kursbereiche bei 11 000 und 12 000 Zählern eingenommen werden. Viele Analysten aus der Zunft der Technischen Analyse sahen den Dax sogar bei 13 000 Punkten und höher. Doch mit Beginn des Wonnemonats Mai – statistisch belegt ein schwacher Börsenmonat – begann eine Korrektur. Infolgedessen etablierte sich ein Abwärtstrendkanal, der bis zum heutigen Tag Gültigkeit hat.Es handelt sich hierbei um eine markante Chart-Formation, da diese auf allen bekannten Zeitebenen (Tages-, Wochen- und Monatsbasis) vorkommt. Im November des zurückliegenden Jahres gelang zwar kurzzeitig der Sprung über die obere Begrenzung des Trendkanals, dieser stellte sich dann jedoch als nicht nachhaltig heraus. Folglich kehrte das heimische Börsenbarometer in den Abwärtstrendkanal zurück. Aus charttechnischer Sicht sollte es dann aber noch schlimmer kommen. Bedingt durch die eingangs erwähnten fundamentalen Gründe sind zuletzt zwei wichtige Chartmarken in Bedrängnis geraten. Dies ist zum einen die mittelfristige und aus dem Jahr 2011 stammende Aufwärtstrendlinie bei momentan 10 290 Punkten und zum anderen die ebenfalls bereits genannte psychologische Preisregion bei 10 000 Zählern. Zurzeit halten sich die deutschen Blue Chips darunter auf. Auf Tages- und Wochenbasis mussten diese Unterstützungen bereits der Angebotsseite überlassen werden. Richtig gefährlich wird es, wenn auch auf Monatsbasis diese Verteidigungslinien überrannt werden. Strich durch die RechnungZwar kann bis Ende Januar noch einiges, im Sinne der Bullen, Positive passieren. Die erwähnten Unterstützungen sollten nach Möglichkeit verteidigt werden. Allerdings könnten anhaltende Konjunktursorgen und neuerliche geopolitische Krisen den Anlegern einen Strich durch die Rechnung machen. Saisonal betrachtet neigt der Dax in der Vergangenheit bis Ende Januar zur Schwäche. Ein Bruch der genannten Unterstützungen nach unten sollte daher in Betracht gezogen werden.In diesem aus Anlegersicht ungünstigen Szenario wäre die untere Trendlinie des Abwärtstrendkanals bei aktuell 9 680 Zählern das nächste Ziel gen Süden. Im Augenblick ist dieser Bereich bereits zum Greifen nahe. Darüber hinaus könnte es in Richtung der waagerechten Trendlinie bei rund 9 000 Punkten gehen. Einige Marktakteure werden diese Marke noch recht gut kennen. Es handelt sich um die ehemalige Unterseite einer einstigen Schiebezone. Im Oktober 2014 wurde diese Begrenzung infolge der Ostukraine-Krise belagert, aber letztendlich verteidigt. Bei Notierungen darunter würde sich das Chartbild weiter verdüstern. Im Worst-Case-Szenario müsste sogar mit einem Test der historischen Höchststände aus den Jahren 2000 und 2007 bei 8 132 / 8 150 Punkten gerechnet werden. Auch diese Chartmarken dürften dem einen oder anderen bekannt vorkommen. Der signifikante Sprung darüber löste auf dem Frankfurter Börsenparkett im September 2013 einen wahren Kaufrausch aus. Vorsicht angebrachtEin wichtiges Instrument zur Identifizierung von Markttrends sind gleitende Durchschnitte. Recht bekannt und auch in den Medien oft genannt ist der gleitende 200-Tage-Durchschnitt. Der schon recht betagte Trendfolgeindikator mahnt zurzeit zur Vorsicht. Solange die Notierungen des Basiswertes oberhalb der steigenden Glättungslinie notieren, ist die charttechnische Welt in Ordnung. Dreht der Durchschnitt jedoch nachhaltig nach unten und liegt der Kurs darunter, gilt die vorherige Aufwärtsbewegung als beendet beziehungsweise unterbrochen. Und dies ist beim Dax bereits seit August 2015 der Fall. In der Vergangenheit war dies recht oft der geeignete Zeitpunkt, um an der Seitenlinie Platz zu nehmen.—-*) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG und Mitglied der Vereinigung Technischer Analysten (VTAD e. V.).