Turbulenzen in Texas
Am Ölmarkt gibt es neue gewaltige Turbulenzen: Der Preis der wichtigsten US-Rohölsorte West Texas Intermediate (WTI) stürzte am Montag um sage und schreibe 90 % ab. Mit einem Tagestief von unter 1 Dollar je Barrel rutschte die Notierung auf ein Allzeittief, während die international wichtigere Sorte Brent Crude mit einem Rückgang von in der Spitze mehr als 6 % davonkam.Die Entwicklung am US-Ölmarkt vom Montag ist ohne Zweifel dramatisch, allerdings ist sie nicht ganz so desaströs, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Es gilt nämlich zu berücksichtigen, dass hierbei Sondereffekte eine wichtige Rolle gespielt haben. So wird nämlich bei WTI am heutigen Dienstag der marktführende Monatskontrakt von der Lieferung im Mai auf Juni umgestellt. Dies zwingt Marktteilnehmer aus der Branche zu einer Entscheidung: Wünschen sie die Auslieferung des per Termingeschäft erworbenen Öls, oder wollen sie ihre Kontrakte auf eine neue Endfälligkeit “rollen”? Da aber erwartet wird, dass bereits im Mai aufgrund des enormen Einbruchs der weltweiten Ölnachfrage um rund ein Drittel sämtliche Lagerkapazitäten in den USA, aber auch weltweit erschöpft sind, ist diesmal eine deutlich größere Anzahl von Akteuren daran interessiert, eine Auslieferung zu vermeiden. Offenbar hatte ein Großteil dieser Marktteilnehmer den Wechsel in den nächsten Monat schon vollzogen – während der Rest kalt erwischt wurde und im Extremfall fast einen Totalverlust erlitt. In der Fälligkeit per Juni, in die gerollt wird, sah die Situation deutlich normaler aus. Der Kontrakt notierte am Montagnachmittag bei etwas mehr als 22 Dollar je Barrel.Die Ereignisse vom Montag machen aber gleichwohl deutlich, dass das Schlimmste am US-Ölmarkt noch nicht vorüber ist. Da das Abstellen von Ölquellen teilweise mit hohen Kosten verbunden ist, hat es in Nordamerika in Einzelfällen bereits einen negativen Ölpreis gegeben – Produzenten haben also dafür gezahlt, dass ihnen das produzierte Öl abgenommen wird. In Texas wird daher bereits über behördliche Produktionsbeschränkungen für die Anbieter nachgedacht, während die Trump-Administration erwägt, Ölproduzenten dafür zu bezahlen, dass sie die Förderung einstellen. Die russische Regierung macht es vor: Sie hat am Montag Produktionseinschränkungen von 20 % verordnet. Das fällt ihr im Gegensatz zur US-Administration insofern leicht, als sie die strategisch wichtige Branche ab dem Jahr 2000 wieder unter nationale Kontrolle gebracht hat.