Türkische Lira erleidet Flash Crash

DZ Bank traut der türkischen Währung keine Konstanz zu - Politische Unsicherheiten bleiben

Türkische Lira erleidet Flash Crash

Die türkische Landeswährung kam gestern gegenüber den anderen Währungen arg ins Wanken. Eine Krise konnte bislang abgewendet werden, die Unsicherheiten in der Geldpolitik sowie das gereizte politische Klima geben der Lira aber keine Pause. Die DZ Bank sieht diese Entwicklung vorerst nicht enden.dh Frankfurt – Die türkische Lira wertete gestern aufgrund des Abzugs von japanischen Geldern um zeitweise 12 % gegenüber dem Yen ab. Dies geschah, nachdem sowohl China als auch die USA neue Zölle verhängt und Investoren in sichere Häfen geflüchtet haben. Das gleiche Phänomen, auch Flash Crash genannt, ereignete sich schon im Januar dieses Jahres. “Marginkonten haben zuletzt Lira-Kaufoptionen angehäuft”, sagt Toshiya Yamauchi, Chief Manager für Foreign Exchange Margin Trading bei Ueda Harlow. “Aufgrund der hohen Volatilität der Lira, muss die Aufwertung des Yen wohl Stop-Losses ausgeführt haben”, so der Experte. Die Lira fiel auf 16,146 gegenüber den Yen, bevor sie sich im Laufe des Tages auf 18,068 erholte. Auch gegenüber dem Dollar wertete die Lira temporär um 9,9 % ab.Die türkische Lira hatte seit Anfang Mai gegenüber allen anderen Währungen weltweit zugelegt. Die Landeswährung sei in einer unerwartet robusten Verfassung trotz alles andere als positiven Rahmenbedingungen gewesen, meint Sören Hettler, Senior Analyst Devisen bei der DZ Bank. Eine Krise wie im letzten Jahr sei vielleicht ausgeblieben, aber das Umfeld für die Lira sei auf Dauer weiterhin nicht gesund. Kurzfristig würden die Liquiditätsversorgung an den internationalen Finanzmärkten sowie Investoren auf der verzweifelten Suche nach Rendite genügen, um – so Hettler – der Lira Auftrieb zu verleihen.Denn während zahlreiche Schwellenländerwährungen wie der südafrikanische Rand unter dem Handelsstreit zwischen den USA und China leiden würden, ist dieser Belastungsfaktor für die Türkei nicht von starker Bedeutung. Die beiden Konfliktparteien seien lediglich die Nummer vier und zwölf unter den Exportmärkten. Zudem profitiere die Türkei tendenziell vom zuletzt niedrigen Ölpreis sowie von der marktseitigen Erwartung einer sehr expansiv erwarteten Geldpolitik in den Industrienationen, allen voran in den USA und der Europäischen Währungsunion.An eine konstante positive Entwicklung über einen längeren Zeitraum glaubt der Experte allerdings nicht. “Angesichts einer anhaltend fragilen Situation bestehend aus Zweifeln an der Unabhängigkeit der Notenbank, deutlichen Zinssenkungsspekulationen, eines unkalkulierbaren türkischen Präsidenten, globalen Konfliktherden sowie einer erratischen Sanktionspolitik des US-Staatsoberhaupts darf jedoch bezweifelt werden, dass es sich hierbei um ein langfristig stabiles Gleichgewicht handelt”, so Hettler. Angespannte politische LageVor allem das Thema Geldpolitik hat laut DZ Bank noch immer die Voraussetzungen, um für eine krisenhafte Entwicklung zu sorgen. Präsident Erdogan hatte im Frühsommer den bisherigen Zentralbankvorsitzenden durch dessen Stellvertreter ersetzt und weitere Führungskräfte entlassen. Im Zuge der ersten Sitzung des neuen Mannes an der Spitze der Zentralbank wurde der Leitzins um 425 Basispunkte gesenkt. “Das aktuelle Leitzinsniveau erscheint mit 19,75 % zwar weiterhin hoch. Auf Basis der Taylor-Regel läge das derzeit angemessene Zinsniveau jedoch klar oberhalb der 20-Prozent-Marke”, analysiert der Experte. Verantwortlich dafür sei die weiterhin hohe Inflationsrate, die zuletzt wieder etwas stärker als erwartet angestiegen ist.Zudem bleibe sowohl die innen- als auch außenpolitische Lage unruhig. So habe die Niederlage bei der Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul bei Erdogan keineswegs zu einem Umdenken geführt. Nach Absetzungen von mehreren Bürgermeistern aus den Reihen der prokurdischen Oppositionspartei HDP wegen Terrorverdachts, seien die Amtsgeschäfte von einem Zwangsverwalter übernommen worden. Auch in der Außenpolitik bleibe sich der türkische Präsident treu. Das Verhältnis zu den USA sei Hettler zufolge von Meinungsverschiedenheiten geprägt. “Hintergrund sind divergierende strategische Interessen im Norden Syriens sowie der Kauf eines russischen Raketenabwehrsystems durch das türkische Militär”, meint der Analyst.Allerdings scheine die USA momentan nicht bereit zu sein, die Türkei gänzlich in die Arme Russlands und Chinas, deren Notenbank die türkischen Währungsreserven über ein Swapgeschäft um 1 Mrd. Dollar aufgebessert hat, zu treiben. So ließe sich die zumindest momentan zurückhaltende Reaktion des Weißen Hauses im Streit um die Anschaffung des russischen Raketenabwehrsystems erklären. – Wertberichtigt Seite 6