Übergangsphase irritiert Anleger
Von Manfred Hübner *)Der Börsenjahr 2012 war für Besitzer deutscher Aktien bislang ein äußerst erfolgreicher Jahrgang. Mehr als 10 % Wertsteigerung bei den Aktien des Dax 30 und sogar mehr als 22 % Zugewinn bei den MDax-Titeln stehen zu Buche, sofern der Anleger voll auf Aktien gesetzt und den zwischenzeitlichen Turbulenzen an den Finanzmärkten getrotzt hat.Ob der Aufwärtstrend weiter intakt bleibt, ist aus Sicht der von Sentix befragten Investoren äußerst umstritten. Sichtbar wird dies an zwei Phänomenen. Erstens vermag selbst ein deutlich steigender deutscher Leitindex die Stimmung der Anleger nicht mehr zu heben. Normalerweise führen steigende Preise auch zu einer besseren Stimmung und umgekehrt. Zeichen von SchwächeAktuell steigt die Stimmung aber immer weniger mit der Folge, dass im Sentimentchart eine sogenannte negative Sentimentdivergenz entstanden ist. Diese besagt, dass neue Preishochs nicht mehr von Hochs in der Stimmung begleitet werden. Eine solche negative Sentimentdivergenz hat die gleiche Aussagekraft, wie eine negative Divergenz in einem technischen Indikator. Es ist ein Zeichen von Schwäche und dokumentiert, dass das Bullenlager zunehmend kleiner wird.Die Ursache hierfür wird im strategischen Bias deutlich. Dieser hat in den zurückliegenden Wochen deutlich nachgegeben und dokumentiert damit, dass die Anleger den Markt zunehmend für ausgereizt halten. Ein fallender Strategischer Bias lässt auf eine steigende Gewinnmitnahmebereitschaft schließen. Die Anleger legen in der Folge mehr und mehr eine “Verkaufen in Stärke”-Mentalität an den Tag. Markt wirkt teuerZwei Faktoren beeinflussen dabei die Anleger auf der strategischen Ebene. Zum einen erscheint der Markt aufgrund seines erneuten Anstiegs in die Nähe der Jahreshochs optisch teuer (Ankereffekt). Der aktuelle Saisonzyklus (August und September gelten als schwache Börsenmonate) verstärkt diesen Eindruck noch.Der zweite Faktor liegt jedoch im Zinsumfeld begründet. Die scharfe Juni-Korrektur nach der Ankündigung von US-Notenbankchef Ben Bernanke, die Käufe der Fed in US-Staatsanleihen zurückfahren zu wollen, hat die Anleger für Entwicklungen am Zinsmarkt sensibilisiert. Besonders die institutionellen Investoren sehen den Einfluss der reichlichen Notenbank-Liquidität schwinden. Deshalb sinkt deren strategischer Bias besonders stark. Auch sinkt der entsprechende Sentix-Themenindex zur Notenbankpolitik. Der geldpolitische Stimulus wird in Frage gestellt.Dabei scheint die Antwort, ob die Notenbanken tatsächlich nachhaltig den Fuß vom Gas nehmen werden, noch gar nicht gegeben. Eine solche Entwicklung wird jedoch wahrscheinlicher, wenn sich die konjunkturellen Vorzeichen weiter bessern. Und hier haben die neusten Daten des Sentix-Konjunkturindex für eine echte Überraschung gesorgt. Erwartungswerte gestiegenDenn tatsächlich verbessern sich die Erwartungswerte für alle Regionen spürbar, am deutlichsten für die durch Schuldenkrise geschundene Euroland-Region. Auch hier sind es wieder die institutionellen Investoren, die besonders deutlich Flagge bekennen. Deren Erwartungswerte für die Eurozone sind auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2006 gestiegen! Auch für die USA und für Japan erreichen die Gesamtindizes mehrjährige Höchststände.Es sind also offensichtlich die sich verbessernden Konjunkturdaten in den entwickelten Industrienationen, welche die Anleger an den Aktien zweifeln lassen. Und dies wiederum ist eine rein zins- und liquiditätsgetriebene Einschätzung. Schlechte NachrichtenZugegebenermaßen sind steigende Zinsen und eine abnehmende Liquidität keine guten Nachrichten für Aktien. Doch es scheint so, dass die Anleger die positiven Wirkungen einer besseren Konjunktur für die Aktien dabei komplett ignorieren. Der Fokus auf Zinsen und die Saisonalität sind damit zu einseitig. Der Übergang von einer zinsgetriebenen Aufwärtsbewegung hin zu einer konjunkturgetriebenen, war schon immer mit Friktionen und Korrekturen verbunden. Eine Konsolidierung oder Korrektur ist deshalb durchaus wahrscheinlich.Doch die Gefahr einer Trendwende, die man mit dem alleinigen Blick auf den strategischen Bias ableiten könnte, muss man durch die neuesten Daten des Sentix-Konjunkturindex erheblich relativieren. Dies gilt auch, da ein wesentliches Merkmal für ein Ende des Aufwärtstrends aktuell nicht gegeben ist: eine Überinvestierung des Publikums in Aktien. Auflösung der SituationDie in den Sentix-Daten messbare Irritation der Anleger liegt in der beschriebenen Übergangssituation begründet und dürfte sich auflösen, sobald Investoren erkennen, dass die Märkte auch mit weniger Notenbank-Stimulus auskommen können oder die Konjunkturhoffnungen wie eine Fata Morgana zerfließen. Messbar wird dies so oder so durch ein Aufbrechen der aktuellen Sentimentdivergenz sein.—-*) Manfred Hübner ist Geschäftsführer der Sentix GmbH (www.sentix.de)