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Unbeeindruckt von der Lira-Schwäche

Von Ronald Schneider *) Börsen-Zeitung, 7.8.2018 Die Hoffnung auf eine rasche Erholung der türkischen Lira nach der Wahl hat sich nicht erfüllt. Ihr massiver Kursverfall schreitet voran, und die Währung hat neue Tiefstände erreicht. Die Verhängung...

Unbeeindruckt von der Lira-Schwäche

Von Ronald Schneider *)Die Hoffnung auf eine rasche Erholung der türkischen Lira nach der Wahl hat sich nicht erfüllt. Ihr massiver Kursverfall schreitet voran, und die Währung hat neue Tiefstände erreicht. Die Verhängung von Sanktionen seitens der USA gegen zwei türkische Minister (Justiz und Inneres) aufgrund der Gefangenhaltung eines US-amerikanischen Pastors, dem die Unterstützung der PKK und Fethullah Gülen vorgeworfen wird, hat die Lira weiter absacken lassen. Nun wäre die Notenbank am Zug, den Sinkflug der Lira abzubremsen. Doch diese hat bereits in der Vergangenheit aus Sicht vieler Marktbeobachter nicht adäquat reagiert. Noch vor wenigen Wochen hatte sie sich mit Zinserhöhungen gegen den Kursverfall gestemmt, doch seit der Wiederwahl Recep Tayyip Erdogans als Staatspräsidenten beugt sie sich nun scheinbar dem politischen Druck. Simsek wird vermisstNach dem erwarteten Wahlsieg Erdogans im Juni hatten Anleger noch die vage Hoffnung, dass der neue alte – und durch die Wahl deutlich gestärkte – Präsident weiterhin auf sein angesehenes Wirtschaftsteam rund um den stellvertretenden Premierminister Mehmet Simsek setzen würde. Simsek galt als Garant für eine gute wirtschaftliche Entwicklung und ist ein Verfechter einer orthodoxen Wirtschaftspolitik. Doch Erdogan baut anstelle dessen auf die Wirtschaftskompetenz seines Schwiegersohnes Berat Albayrak, den er zum Wirtschafts- und Finanzminister ernannt hat. Viele Anleger sind verunsichert und misstrauen nun dem wirtschaftlichen Reformwillen Erdogans, der neben dem Finanzressort auch andere wichtige Schlüsselstellen mehr nach dem Loyalitätsprinzip besetzt hat.Nach Bekanntgabe der politischen Personalentscheidungen haben viele ausländische Investoren weiter Kapital aus dem türkischen Markt abgezogen. Auf die darauf folgende neuerliche Talfahrt der Lira hat die türkische Notenbank nicht – wie erwartet – mit weiteren Zinserhöhungen reagiert, sondern die Leitzinsen auf ihren Niveaus belassen. Diese Entscheidung wirft ein bestenfalls ungünstiges Bild auf die türkischen Währungshüter. Die Vermutung, dass sich die Entscheidung an den Wünschen Erdogans ausrichtet, der ein bekennender Gegner von Zinsanhebungen ist, liegt nahe. Noch dazu, wo seit dem Machtausbau des Staatspräsidentenamtes Erdogan nun auch bei der Besetzung des Gouverneurs und des Vizegouverneurs der Notenbank ein Mitspracherecht hat.Angesichts dieser Entwicklungen erhöht sich der Druck auf die Lira weiter. Die Abwertung ist massiv, der Wechselkurs hat mit 5,21 Lira je Dollar einen historischen Tiefstand erreicht. Für die Inflationsrate, die zuletzt auf über 15 % angestiegen ist, erwarten wir in diesem Umfeld Werte von mehr als 17 %. Im Gegensatz zu vielen anderen Schwellenländern ist die Türkei weiterhin sehr stark auf Kapitalzuflüsse angewiesen, um ihr Leistungsbilanzdefizit, aber auch die kurzfristig fälligen Auslandsschulden zu bedienen. Bereits 2013 war die Türkei (neben Brasilien, Indien, Indonesien und Südafrika) in der unrühmlichen Gruppe der fragilen fünf Länder, die nach der Ankündigung der US-Notenbank Fed, ihr Anleihekaufprogramm auslaufen zu lassen, vom Kapitalabfluss stark betroffen waren. Während die anderen Länder ihre außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte adressierten, blieb die Türkei unverändert exponiert. Zu den innenpolitischen Themen kommt noch hinzu, dass mit jeder Zinserhöhung der Fed die Zuflüsse aus dem Ausland abnehmen. Die globale Liquiditätsversorgung verschlechtert sich und Investoren schichten ihr Kapital wieder in Richtung USA um. Für Schwellenländer, insbesondere auch für die Türkei, bringt der zielgerichtete Kurs der Fed eine düstere Perspektive. Hinzu kommt der Umstand, dass die Rohstoffpreise wieder deutlich anziehen und sich für die Türkei, die Rohstoffe und vor allem Öl aus dem Ausland zukauft, die Importe verteuern. Vertrauen erschüttertDas Vertrauen der Investoren in die türkische Notenbank leidet schon seit geraumer Zeit. Das Nichtreagieren auf die hohe Inflation und das Abwerten der Währung hat dieses Vertrauen nicht zurückgebracht, im Gegenteil, es eher erschüttert. Zusätzlich bräuchte das Land dringend Stabilität und vor allem ein konsistentes Wirtschaftsprogramm. Ob Berat Albayrak, der bereits ein konservatives Sparprogramm mit ausgabenseitigen Kürzungen angekündigt hat, den Umschwung herbeiführen kann, ist derzeit noch fraglich. Auch Raiffeisen Capital Management hat das Exposure in der Türkei kurzfristig weiter zurückgefahren. Zwar wären die hohen Zinsen (rund 18 %) grundsätzlich attraktiv, doch solange keine Kursänderung in der Politik erkennbar ist, überwiegt das Risiko weiterer Kursverluste.—-*) Ronald Schneider, Leiter Anleihen CEE & Global Emerging Markets bei Raiffeisen Capital Management.