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Ungarischer Forint im Spannungsfeld

Von Tobias Gruber *) Börsen-Zeitung, 14.7.2015 "Ungarn hat nur eine geringe Chance, eine Situation wie in Griechenland zu vermeiden." So lautete die Aussage eines Vertreters der ungarischen Regierung Mitte des Jahres 2010. War diese innenpolitisch...

Ungarischer Forint im Spannungsfeld

Von Tobias Gruber *)”Ungarn hat nur eine geringe Chance, eine Situation wie in Griechenland zu vermeiden.” So lautete die Aussage eines Vertreters der ungarischen Regierung Mitte des Jahres 2010. War diese innenpolitisch motivierte These zum damaligen Zeitpunkt bereits äußerst fahrlässig und zog sie auch deutliche Marktbewegungen nach sich, würde vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen wohl kein politisch Verantwortlicher eines Landes einen derartigen Vergleich in Erwägung ziehen. Dies dürfte selbst für die Vertreter der für ihren unorthodoxen Politikstil bekannten ungarischen Regierungspartei gelten, zumal der Vergleich schon 2010 weit hergeholt war und Ungarn in den letzten fünf Jahren deutliche makroökonomische Fortschritte gemacht hat. Zwar bot der von Regierungschef Viktor Orbán eingeschlagene wirtschaftspolitische Kurs durchaus Anlass für Kritik (u. a. Verfassungsänderungen, Änderung von Wahl- und Mediengesetzen) und die hohe Staats- und Auslandsverschuldung stellt einen weiten Belastungsfaktor dar, die Fortschritte können sich aber dennoch sehen lassen: Der Konsolidierungskurs trägt Früchte, insbesondere das Verlassen des EU-Defizitverfahrens war für die Regierung ein politisch wichtiger Erfolg. Die Widerstandsfähigkeit in Bezug auf externe Schocks hat sich verbessert, was sich in beständigen Leistungsbilanzüberschüssen widerspiegelt, und auch das konjunkturelle Bild zeigt sich solide. Nach einer vorteilhaften Wachstumsrate von 3,6 % im Jahr 2014 dürfte die Dynamik im laufenden Jahr zwar etwas nachlassen. Eine prognostizierte BIP-Expansion von knapp 3 % ist aber weiter beachtlich. Für den gelungenen Start in das laufende Jahr (1. Quartal: 3,5 %) zeichnete insbesondere der Außenbeitrag verantwortlich, der angesichts der wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone weiter stützend wirken sollte. Zweigeteilte EntwicklungDieser stabilisierte makroökonomische Rahmen sowie insbesondere der expansive Kurs der EZB hatten dazu geführt, dass der Forint in 2015 bis Mitte April eine starke Entwicklung verzeichnete und so fest wie seit Ende 2013 nicht mehr notierte (296 Forint je Euro). Die aus den EZB-Maßnahmen resultierende überschüssige Liquidität floss entsprechend auch nach Ungarn und führte u.a. zu der deutlichen Aufwertung. Doch dieses positive Bild hat sich zuletzt wieder gedreht: Der Forint wertete kontinuierlich ab und näherte sich zwischenzeitlich der Marke von 320 Forint je Euro. Neben dem wieder aufgenommenen Zinssenkungszyklus – die Notenbank hat den Leitzins zuletzt viermal hintereinander um insgesamt 60 Basispunkte auf das Rekordtief von 1,5 % gesenkt – dürfte auch der unorthodoxe und gegenüber den Institutionen wie IWF und EU konfrontative politische Kurs der Regierung einen permanenten Belastungsfaktor darstellen. Zudem wirkte hier am aktuellen Rand sicherlich auch der zugespitzte Schuldenstreit zwischen Athen und den internationalen Geldgebern negativ, ist der Forint doch generell anfälliger für eine steigende Risikoaversion an den Märkten. Aus fundamentaler Sicht – angesichts der robusten wirtschaftlichen Entwicklung in Kombination mit einem zuletzt positiven Ratingweg – erscheint uns dieser negative Verlauf aber insgesamt zu ausgeprägt, wenngleich wir auf der anderen Seite auch kein signifikantes Aufwertungspotenzial sehen. Weiterer SpielraumGegen einen merklich festeren Forint spricht, dass die ungarische Zentralbank – im Gegensatz zu den anderen Notenbanken der Region – noch weitere Zinssenkungen auf der Agenda haben dürfte. Zwar notierte die Inflationsrate im Mai und Juni erstmals seit August 2014 wieder im positiven Bereich, mit 0,6 % im Juni liegt der mittelfristige Zielwert der Notenbank von 3 % aber unverändert in weiter Ferne, so dass die Verantwortlichen hier noch Spielraum für Zinssenkungen sehen. Dies belegen auch die im Zuge des Juni-Inflationsreports aktualisierten Inflationsprognosen (im Jahresdurchschnitt; 2015: 0,3 %; 2016: 2,4 %). Bei einem Leitzinsniveau von 1,2 % dürfte aber dann ein Boden erreicht werden, der auf Sicht von zwölf Monaten Bestand haben sollte.Zudem bleibt zu berücksichtigen, dass die Toleranz der Verantwortlichen gegenüber einer schwächeren Währung zuletzt gestiegen ist: Zum einen konnte der hohe Anteil an Fremdwährungskrediten (vor allem Schweizer Franken) an private Haushalte im Zuge des von der Regierung initiierten Konvertierungsprogramms reduziert werden. Zum anderen dürfte ein graduell schwächerer Forint angesichts des exportgestützten Wachstums eine gewisse Präferenz genießen. Eine Grenze für eine zu klare Abwertung des HUF stellt wiederum der hohe Fremdwährungsanteil an der Staatsverschuldung dar. SeitwärtsbewegungUnter Zugrundelegung dieses Spannungsfeldes erwarten wir für den Forint mittelfristig eine seitwärts gerichtete Bewegung. Die Zinswende der US-Notenbank Federal Reserve könnte zwar noch zusätzlich belasten, die Anfälligkeit des Forint hierauf dürfte hier aber angesichts der verbesserten externen Position nachgelassen haben.—-Tobias Gruber ist Analyst für Schwellenländer bei der WGZ Bank.