„Uns geht es um echten Impact“
Christopher Kalbhenn.
Herr Ruda, wir erleben eine gerade den Finanzmarkt betreffende, umfassende Umstellung auf ESG beziehungsweise Nachhaltigkeit. Sind dem nicht Grenzen gesetzt? Kann wirklich „alles“ ESG sein?
Grundsätzlich ist es vollkommen richtig und notwendig, dass man in diese Richtung geht. Oftmals ist das, was gerade gelebt wird, unserer Meinung nach aber nicht genug. Ohne alles über einen Kamm zu scheren, ist doch festzustellen, dass einige Assetmanager, die auf ESG und Artikel 8 und 9 umgestellt haben, im Kern nicht allzu viel verändert haben. Oftmals bezeichnen sie sich als nachhaltig, ohne es wirklich im notwendigen Umfang zu sein. Vielfach werden ESG-Ratings zur Etikettierung verwendet, deren Kriterien nicht immer ganz klar sind. Es mangelt an Transparenz, was für Anleger eine Zumutung ist. Genau aus diesem Grund haben wir unsere Fonds so, wie sie stehen, und absolut transparent entwickelt.
Herr Frantzen, ist die Umstellung denn nicht eine alles andere als einfache Herausforderung?
Die Herausforderung ist, dass es keine Einheitlichkeit im Sinne etwa einer DIN- beziehungsweise ISO-Norm gibt. Assetmanager schwimmen vielfach, weil keine festen Kriterien vorgegeben sind und es eine Vielzahl von ESG-Ratings gibt. Es fehlt eine rote Orientierungslinie. Es müsste eine klare Vorgabe geben, nach welchen Kriterien Portfolios aufzubauen sind.
Ruda: In einigen Häusern fehlen aber auch ein umfassendes eigenes ESG-Research und der Wille zu Veränderungen, die am Ende auch tatsächlich echte ESG-Effekte zur Folge haben. Viele springen gerade so hoch wie von den Stakeholdern, also unter anderem dem Gesetzgeber und den Investoren, gefordert. Nur um es nicht zu verwechseln: Die Offenlegungsverordnung gibt bestimmte Messbarkeiten vor, und das ist auch der Schritt in die richtige Richtung, aber dies trennt nicht die Spreu vom Weizen.
Und das wollen Sie nun mit Ihren neuen Fonds, die sich gerade in der Zeichnung befinden, besser machen?
Frantzen: Wir haben zugegebenermaßen den Vorteil, dass wir als neu formierter Assetmanager nicht erst bestehende Strukturen umbauen müssen, sondern von vorneherein alles nachhaltig ausrichten konnten. Wir können die Themen, die wir als Investment identifizieren, von Anfang an ESG-konform gestalten. Es braucht allerdings noch weiter Aufklärung und Überzeugungsarbeit, Investoren von innovativen nachhaltigen Lösungen zu überzeugen. Viele wollen in der Regel auch einen Track Record sehen, den Nachweis, dass man in der Vergangenheit erfolgreich unter Renditegesichtspunkten investiert hat. Fakt ist allerdings, dass ein wie auch immer gearteter Track Record niemanden automatisch dazu befähigt, unter ESG-Kriterien erfolgreich zu investieren. Hier müssen neue Player gleichermaßen sich den neuen Herausforderungen stellen. Allerdings helfen die für jeden zunehmend sichtbaren Schäden des Klimawandels, Investoren dafür zu sensibilisieren, nicht nur reaktiv zu investieren, sondern präventiv, um zum Beispiel nachhaltig CO2-Ausstoß zu verhindern.
Welche sind die großen Themen, auf die Sie in Ihren Fonds setzen?
Ruda: Die großen Themen sind Wasserknappheit beziehungsweise -verschwendung, Nahrungsmittelknappheit, Umweltschäden und der Umgang mit Ressourcen auf nachhaltiger Basis. Uns geht es um echten Impact, der messbar ist – und auch rentierlich.
Wie organisieren Sie das konkret?
Frantzen: Wir haben den Green Tech Opportunity Fund und den Green Mezzanine Opportunity Fund. Letzterer investiert in benötigte Immobilien- sowie relevante Infrastrukturprojekte, die sowohl E als auch S und G sind. Das Bauen und Betreiben von Immobilien ist für über 36% der Treibhausgasemissionen in Europa verantwortlich. Mit dem Green-Tech-Fonds investieren wir in Projekte wie beispielsweise Vertical Farms. Wir haben Partner, die die Objekte mit neuester Technik betreiben. Wir bauen die Infrastruktur, die die Betreiber nutzen, auf, die Investoren erhalten den Kapitalfluss aus der Vermietung, aber auch aus der Partizipation am Betriebsergebnis der Betreibergesellschaft. Hinzu kommen entsprechende Exit-Szenarien. Zudem ist der Fonds teilweise in die Betreibergesellschaften investiert, was zum einen dem Know-how-Transfer fruchtbaren Boden bietet und zum anderen ein Mitlenken der operativen Geschicke ermöglicht. Wir machen das mit etablierten, erfahrenen Partnern, die das Geschäft von der Aussaat bis hin zum Absatz kennen. Abnehmer der Produkte sind nicht nur der Lebensmitteleinzelhandel und Großkantinen, sondern etwa auch die Pharma- und Kosmetikbranchen.
Wie funktioniert eine Vertical Farm, und welche positiven ESG-Effekte ergeben sich?
Ruda: Bei einer Vertical Farm handelt es sich um ein hochgeschossiges Gewächshaus, in dem Pflanzen unter Einsatz von Hochtechnologie kontrolliert unter optimalen und sehr gut planbaren Bedingungen gezüchtet werden. Neben ökonomischen Vorteilen ergibt sich ein erheblicher positiver Impact. So wird der CO2-Ausstoß im Vergleich zum konventionellen Anbau um den Faktor 7 bis 10 reduziert. Außerdem ist der Wasserverbrauch minimal, was, wie wir gerade in diesem Jahr gesehen haben, sehr wichtig ist. 95% des Wassers, das eine Pflanze ohnehin hat, bleiben in der Pflanze. Der überwiegende Rest wird im Kreislauf aufgefangen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum konventionellen Anbau, in dem massiv Wasser verschwendet wird. Außerdem kommen Vertical Farms völlig ohne Pestizide aus und können regional Produkte anbauen.
In welche weiteren Projektarten investieren Sie?
Ruda: In die alternative Proteingewinnung als Ersatz vor allem für Milch- sowie auch für Fleisch- und Fischprodukte. Konkret werden Fermentierungsanlagen gebaut, um den Markt voranzubringen. Hergestellt wird geruchlose, neutrale Biomasse, die dann zu Milch-, Fleisch- und Fischersatzprodukten verarbeitet wird. Dies trifft auf eine sich etablierende Branche, die bestehende Lebensmittel unter Einsatz neuester Technologien erschwinglich und den Qualitätsansprüchen des Konsumenten entsprechend herstellt. Auch hier ergeben sich CO2-Einsparungen, unter anderem weil kein Methan von Tieren mehr emittiert wird. Hinzu kommen reduzierte Transportwege für Lebensmittel. Außerdem entfällt durch den Ersatz von Tieraufzucht Tierleid. Wir setzen hier auf eine Veränderung auf, die durch Wertewandel und Umstellung von Ernährungsgewohnheiten begonnen hat, und fördern diese Veränderung.
Können Sie weitere Beispiele nennen?
Frantzen: Der Fonds investiert auch in Pyrolysetechnologieprojekte. Die Technologie gibt es seit mehr als 40 Jahren, sie hat sich aber sehr stark weiterentwickelt. Vieles ist nun möglich, etwa die kommerzielle Gewinnung von Öl und Gas aus Altreifen und Biomasse wie Holzschnitzel. Insbesondere können auch Kunststoffe angegangen werden. In Europa wird nur etwa ein Drittel der Kunststoffe von Privathaushalten recycelt. Ein Drittel wird verbrannt, ein Drittel anderweitig entsorgt. Die Pyrolyse hat einen technologischen Reifegrad erreicht, durch den es jetzt möglich ist, aus einer Tonne Kunststoffabfall aus Privathaushalten circa 1000 Liter Öl in Dieselqualität zu erzeugen. Das ist ein Thema, mit dem man die Kreislaufwirtschaft voranbringen kann. In unseren Projekten werden Kunststoffe mittels Pyrolyse in ihre molekularen Teile zerlegt und dann in ein synthetisches Öl kondensiert, das wiederum für jedwede Kunststoffproduktion genutzt werden kann. Letztlich wird das bei der Produktion verwendete Öl somit zurückgewonnen.
Worin besteht dabei der Impact?
Frantzen: Hauptvorteil ist hier nicht nur die Reduktion des Kunststoffmülls, sondern es entfällt auch der CO2-Ausstoß durch die Müllverbrennung. Im Vergleich zum Einsatz neuer Rohstoffe wird die CO2-Emission um 85% reduziert.
Wie gehen Sie mit den aktuellen hohen Energiepreisen um?
Frantzen: Unsere Projekte verfolgen in hohem Maße innovative Verfahren der eigenständigen Energieproduktion, um sich von den Energiepreisen unabhängig zu machen. Grundsätzlich werden wir Zeugen eines Technologieschubs, der die Energieversorgung nachhaltig revolutionieren wird.
Das Interview führte