IM BLICKFELD

Unterdeckungen sind für den Bund kein Problem

Von Kai Johannsen, Frankfurt Börsen-Zeitung, 4.11.2014 "Der Bund steht mit dem Rücken zur Wand und bekommt kein Geld mehr. Das ist die Quittung von Märkten für den mangelnden Reformwillen und die schwache Wirtschaftsleistung, die die Regierung zu...

Unterdeckungen sind für den Bund kein Problem

Von Kai Johannsen, Frankfurt”Der Bund steht mit dem Rücken zur Wand und bekommt kein Geld mehr. Das ist die Quittung von Märkten für den mangelnden Reformwillen und die schwache Wirtschaftsleistung, die die Regierung zu verantworten hat.” So oder so ähnlich wird gern argumentiert, wenn bei einer Auktion von Bundeswertpapieren die Nachfrage nicht die Höhe des Emissionsvolumens erreicht. Es wird versucht, eine Momentaufnahme des Marktes mit der Wirtschafts- oder Finanzpolitik zu verknüpfen – gerade so, wie es der jeweiligen politischen Couleur in den Kram passt. Nur ist das leider Kokolores. Prozess entzerrtEine Auktion des Bundes reflektiert die Stimmung der beteiligten Banken und ihre Einschätzung der Marktlage innerhalb eines bestimmten Zeitfensters. Auktionen finden in der Zeit von 8 bis 11:30 Uhr statt, und zwar bei den Geldmarktinstrumenten (Laufzeiten bis zu einem Jahr) montags und bei den Kapitalmarktpapieren (zwei bis 30 Jahre) mittwochs. Die inflationsindexierten Anleihen (Linker), die nicht fest im Kalender vermerkt sind, sondern opportunistisch offeriert werden, werden am zweiten Dienstag des Monats versteigert (ebenfalls im genannten Zeitfenster). Bis Ende 2011 endete die Frist für die Gebotsabgabe bei nominalen Papieren (Geldmarkt und Kapitalmarkt) schon um 11 Uhr (ab 2013 wurde die Frist auch für die Linker angepasst, und zwar von 12 auf 11:30 Uhr). Was war der Grund für diese Anpassung? Um 11 Uhr werden viele Konjunkturdaten veröffentlicht, die die Kurse der Anleihen stark beeinflussen können. Deshalb hat die Deutsche Finanzagentur seinerzeit reagiert und die Frist bei den nominalen Titeln um 30 Minuten verlängert. Damit wurde der ganze Prozess entzerrt. Ausreichende NachfrageIm Regelfall treffen die Auktionen des Bundes immer auf eine ausreichende Nachfrage. Es kann aber auch mal sein, dass die Nachfrage nicht ausreicht. Und es können auch mal nur wenige Millionen Euro fehlen. Dann wird im technischen Sinn von einer Unterbietung gesprochen. Diese Zurückhaltung kann verschiedene Gründe haben: Den Anlegern ist zum Beispiel der Zins (Rendite) zu niedrig, weshalb die Bundespapiere eher mal als unattraktiv gelten. In anderen Ländern zeichnen sich leichte Spread-Vorteile ab, weshalb lieber dort zugegriffen wird. Man hofft auf leicht steigende Sätze, da am Markt am Nachmittag robuste Konjunkturdaten erwartet werden, die eher für höhere Zinsen sprechen. Oder der Mittelzufluss fälliger Anleihen ist in der Woche der Auktion nicht so stark wie in anderen Wochen, weniger Geld drängt nach Anlage. Für den Bund sind solche Unterbietungen aber überhaupt kein Problem. Refinanzierungsschwierigkeiten sind daraus nicht abzuleiten, wie die Zahlen zeigen.In diesem Jahr hat es bislang elf Auktionen mit Unterbietungen gegeben. Die Emissionsvolumina reichten von 1 bis 5 Mrd. Euro, wobei sich hier Fehlbeträge in der Bandbreite von 4 bis 802 Mill. Euro einstellten. Die elf Auktionen erreichten zusammen ein Emissionsvolumen von 41 Mrd. Euro, und es errechnete sich ein aggregiertes Unterbietungsvolumen von 3,342 Mrd. Euro. Im Schnitt machte der Fehlbetrag also bislang 8,15 % des Emissionsvolumens in den Auktionen mit Unterbietungen aus. Das sieht nicht gerade nach Bedrohung aus.Das Bild wird noch entspannter, wenn man sich die Gesamtjahresvolumina, also alle Auktionen – ob mit oder ohne Unterbietung – ansieht. Der Bund versteigert in diesem Jahr Schuldpapiere von 213 Mrd. Euro. Bezogen auf diesen Wert kommen die Unterbietungen auf einen Anteil von gerade einmal 1,57 %. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Gesamtgebote der Investoren in diesem Jahr bislang einen Wert von etwas mehr als 279 Mrd. Euro für ein bislang platziertes Volumen von 191 Mrd. Euro (Anteil Unterbietungen: 1,75 %) erreichten. Angesichts dieser aggregierten Nachfrage, die für Bundesanleihen tatsächlich vorhanden ist, kann nicht gerade davon gesprochen werden, dass Anleger diese Staatspapiere verschmähen. Außerdem ist der Bund nicht nur am Primärmarkt, also bei den Emissionen tätig. Er ist auch ein ständiger Marktteilnehmer im Sekundärmarkt. Er verkauft also auch am Sekundärmarkt Papiere oder nimmt dort auch mal welche ab. Dafür hat er ein Instrument: die sogenannte Marktpflegequote. Hierbei handelt es sich um den Eigenbestand des Bundes. Der Bund wird bei der Platzierung dieser Papiere aber nicht selbst tätig, sondern lässt das über seinen Liquiditäts- und Schuldenmanager Finanzagentur regeln. Von jeder Emission behält die Finanzagentur immer einen bestimmten Anteil für ebendiese Aktivitäten am Sekundärmarkt zurück. Der Anteil liegt über alle Auktionen eines Jahres hinweg betrachtet bei im Schnitt rund 20 %. Das ist seit Jahren stabil. Gebote nicht ausgeschöpftBetrachtet man die Auktionen mit Unterdeckungen, fällt auf, dass die Finanzagentur von dem geringeren Gebotsvolumen noch nicht mal alles nimmt, sondern bei der Zuteilung immer noch unter dem Gebotsvolumen bleibt. Salopp ausgedrückt: Sie ist bei Auktionen mit Unterdeckungen gar nicht darauf angewiesen, das geringe gebotene Volumen komplett nehmen zu müssen, sondern sie kann es sich auch in dieser Lage noch leisten, wählerisch zu sein.Angesichts dieser Zahlen und angesichts der Tatsache, dass der Bund in Auktionen nicht verkaufte Wertpapiere später absetzen kann, wird deutlich, dass Unterdeckungen keine Refinanzierungsgefahr für den deutschen Staat nach sich ziehen. Der Bund steht sicher am Markt, Vergleiche mit Refinanzierungsnotständen von europäischen Krisenstaaten sind nicht haltbar.Doch ab wann sollte man sich sorgen? Da sind unterschiedliche Fälle denkbar. Dafür müssten sich Muster bei den Auktionen erkennen lassen. So könnte der Bund sukzessive über die Kurve vom Markt abgeschnitten werden. Die Investoren kaufen erst keine 30-jährigen Bonds mehr und dann sukzessive alle kürzeren Laufzeiten auch nicht mehr. Das war zum Beispiel bei den Krisenstaaten zu beobachten, die sich dann immer kurzfristiger refinanzieren mussten. Das ist beim Bund nicht der Fall. Weiteres Muster: Bei entsprechenden Inflationserwartungen werden überhaupt keine nominalen Papiere mehr gekauft, sondern nur noch die Inflationsanleihen. Drittens: Die Unterbietungen erreichen sehr hohe Volumina, so dass sich ablesen lässt, dass das Jahresemissionsvolumen wohl nicht realisierbar ist. Bei allen Entwicklungen muss aber auch hinzugefügt werden, dass ein derartiger Trend nachhaltig sein muss. Nur weil etwa dreimal eine Unterdeckung bei 30-jährigen Anleihen zu beobachten war, darf nicht schon davon ausgegangen werden, dass der Bund nun sukzessive vom Markt abgeschnitten wird.