Schuldscheinmarkt

Unternehmen favorisieren Schuldscheine

Unternehmen setzen in Europa bei der Finanzierung nicht nur auf Anleihen, sondern seit Jahren verstärkt auf den Schuldschein. Gerade ausländische Adressen gelten als treibende Kraft in diesem Markt.

Unternehmen favorisieren Schuldscheine

kjo Frankfurt

Die Finanzierung über sogenannte Schuldscheindarlehen ist bei Unternehmen sehr ge­fragt, denn seit Jahren legt der Markt volumenmäßig stetig zu. Dank eines guten dritten und eines starken vierten Quartals hat das im Jahr 2021 arrangierte Volumen am Schuldscheinmarkt das Volumen der Vorperiode übertroffen. So wurden Darlehen in Höhe von insgesamt 18,88 Mrd. Euro begeben nach 18,36 Mrd. Euro im Jahr 2020. „Maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung hatten die Schuldscheinbegebungen von Unternehmen, die erstmals diesen Finanzierungsweg wählten“, halten die Kapitalmarktexperten von Capmarcon in einer Studie fest, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft. Sie entwickelt Strategien zur Kapitalbeschaffung und Bilanzstrukturoptimierung und unterstützt und begleitet dabei Klienten in einer Vielzahl von Finanzierungssituationen. Dies umfasst die Eigenkapital-, Fremdkapital- und Mezzaninekapitalbeschaffung.

Größere Dynamik

Der Schuldscheinmarkt habe damit gerade im zweiten Halbjahr 2021 eine größere Dynamik als der Markt für Unternehmensanleihen gezeigt. Denn dort seien im Jahr 2021 nur Titel von Unternehmen im Volumen von rund 150 Mrd. Euro (netto abzüglich Tilgungen 43 Mrd. Euro) platziert worden nach 185 Mrd. Euro (netto 50 Mrd. Euro) im Jahr 2020. Seien im ersten Halbjahr die Konditionen für Anleihen noch günstiger gewesen als für den Schuldschein, so hätten sich diese Konditionen im Jahresverlauf wieder angenähert. Eine weitere treibende Kraft für die wieder verstärkte Nutzung des Schuldscheins sei die Nachfrage ausländischer Firmen gewesen. „Besonders hier war die Bonität der Erstnutzer des Schuldscheins hoch bis sehr hoch. Der überwiegende Teil dieser Begebungen kam mit einem Investment-Grade-Rating an den Markt“, so die Experten.

Vor dem Hintergrund der Coronapolitik und der daraus für die Wirtschaft entstehenden Unwägbarkeiten sei die Neigung vieler Gesellschaften, die Liquidität zu erhöhen, gestiegen. Letztlich sei die Risikoaversion der Investoren leicht nach oben gegangen, weshalb die Risikoprämien sich kaum noch und auch dann nur für gute bis sehr gute Bonitäten ermäßigt hätten. Habe im Frühjahr 2020 noch große Unsicherheit bezüglich des Umfangs und des Ausmaßes der Kollateralschäden der Anti-Corona-Politik bestanden, so wussten die Marktteilnehmer im Jahresverlauf 2021 zunächst erheblich besser mit den gesetzten Rahmenbedingungen umzugehen. Später habe die Unsicherheit wieder zugenommen.

Wie in früheren Krisen auch hätten sich die Marktteilnehmer auf das ihnen besser bekannte inländische Umfeld konzentriert. „Für den deutschen Schuldscheinmarkt bedeutete dies einen Rückzug ausländischer Adressen, der Anteil des Schuldscheinvolumens von deutschen Un­ternehmen stieg von 58% im Jahr 2019 auf 84% im Jahr 2020“, heißt es weiter. In der zurückliegenden Periode seien dann ausländische Unternehmen wieder vermehrt an den Schuldscheinmarkt zurückgekehrt, so dass sich ihr Volumenanteil wieder auf 38% erhöht habe. Bedeutendste internationale Adressen von Schuldscheindarlehen seien gegenwärtig Unternehmen aus Frankreich und Österreich, auf sie entfalle ein Marktanteil von zusammen fast 30%. Auch Schweizer Unternehmen würden den Schuldschein regelmäßig einsetzen, hätten aber in den drei vergangenen Jahren verstärkt andere Finanzierungswege genutzt. Dafür seien im Jahr 2021 schuldscheinbegebende Unternehmen oftmals neu an den Markt gekommen – aus Belgien, Dänemark, Finnland, Italien, Luxemburg und den Niederlanden. Der Anteil dieser Länder habe jüngst etwa 9% erreicht.

Hinsichtlich der sektoralen Verteilung der aufgenommenen Schuldscheindarlehen sei das produzierende und verarbeitende Gewerbe (Industrie) mit einem Anteil am Volumen von 39% im Jahr 2021 zwar unverändert die größte Gruppe gewesen. Allerdings sei die Quote zuletzt deutlich zurückgegangen. In den Vorjahren habe der Anteil stets zwischen 50% und 60% gelegen. „Mit verstärkten Begebungen aus einer wachsenden Zahl an Branchen könnte dieser Trend im Jahr 2022 anhalten“, meinen die Kapitalmarktexperten.

Industrie hält sich zurück

Diese Entwicklung liege – neben wieder verstärkten Begebungen von Dienstleistungsunternehmen – vor allem an einem signifikanten Rückgang der Inanspruchnahme des Schuldscheins durch Industrieunternehmen. Gründe hierfür seien einerseits der geringere externe Finanzierungsbedarf der Industrieunternehmen im Vergleich zur Gesamtwirtschaft. Andererseits setze die Indus­trie häufiger als andere Realwirtschaftssektoren die Anleihe zur Mittelbeschaffung ein.

Die begebenen Schuldscheine der Industrie- und Dienstleistungsunternehmen wiesen im Durchschnitt größere Volumina auf als Darlehen der anderen Sektoren. Deshalb sei der Anteil der beiden erstgenannten Sektoren an der Zahl der Transaktionen im Vergleich mit der Volumengewichtung geringer als zum Beispiel derjenige der (Energie-)Versorgung und Entsorgung, des Handels oder der Logistik. So hatte im Jahr 2021 der durchschnittliche Schuldschein im Dienstleistungssektor einen Um­fang von etwa 190 Mill. Euro, in der Industrie einen Umfang von 185 Mill. Euro und im Handel von 130 Mill. Euro.