Unternehmen im Schatten der KI-Lieblinge
Gastbeitrag
Unternehmen im Schatten der KI-Lieblinge
Eine kleine Gruppe Unternehmen, die als große Gewinner der Revolution der künstlichen Intelligenz (KI) gelten, haben die Entwicklung am Aktienmarkt maßgeblich bestimmt. Doch unterhalb der Oberfläche finden sich noch viele weitere Unternehmen mit robustem Gewinnpotenzial. Der jüngste Technologieenthusiasmus hat die Sorgen um Zinsen, Inflation und Rezession in den Hintergrund gedrängt und den MSCI ACWI Index im bisherigen Jahresverlauf um 14% nach oben getrieben. Dabei schnitten Wachstumswerte besser ab als Substanzwerte.
In der ersten Hälfte des Jahres 2023 entfielen 54% der Gewinne des MSCI ACWI auf zehn US-Aktien. Diese Gruppe, zu der NVIDIA, Microsoft, Apple und Alphabet gehören, gilt weithin als direkter Nutznießer generativer KI. Eine Erklärung, weshalb diese Aktien den Rest des Marktes so dramatisch in den Schatten gestellt haben: Die Versuche der US-Notenbank, die Wirtschaft zu bremsen und so die Inflation abzukühlen, haben bei Anlegern Ängste über die Tragfähigkeit der Unternehmensgewinne geweckt. Die vermeintlichen Gewinner der künstlichen Intelligenz sind vor diesem Hintergrund besonders beliebt, weil sie als struktureller Motor für dauerhaftes Wachstum gelten, der auch schwache Konjunkturphasen gut überstehen kann.
Markt bietet mehr Chancen
Auf den ersten Blick sehen die aktuellen Marktbewertungen relativ hoch aus. Am Ende des zweiten Quartals lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis (2024E) des S&P 500 bei 17,7 verglichen mit 14,9 zu Beginn des Jahres. Ohne die zehn besten Unternehmen liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Marktes jedoch bei einem viel vernünftigeren Wert von 15,3 und bietet ein geschätztes Gewinnwachstum von 9,9% für 2024. Der Markt jenseits der KI-Lieblinge könnte also mehr Chancen bereithalten, als allgemein angenommen wird. Vor allem, wenn man die Gewinnaussichten der einzelnen Unternehmen in den Kontext der konjunkturellen Bedenken stellt: in den USA könnten die Zinsen weiter steigen, in Europa ist die Inflation noch immer zu hoch und Chinas wirtschaftliche Erholung stockt.
Vor diesem Hintergrund lautet die Schlüsselfrage für Aktien: Inwieweit stimmen die Gewinnprognosen mit den wirtschaftlichen Erwartungen überein? Noch vor einem Jahr schienen die Schätzungen angesichts der weitverbreiteten Erwartungen einer sich abschwächenden Wirtschaft zu optimistisch. In den letzten zwölf Monaten sind die Gewinnerwartungen für 2023 jedoch in vielen Sektoren, insbesondere in den USA, stark zurückgegangen. Natürlich könnten die Gewinnerwartungen noch weiter revidiert werden, aber zumindest die USA könnten vor einer Bodenbildung stehen. So stimmt der Rückgang der Gewinnrevisionen in den USA im letzten Jahr mit den Rückgängen früherer flacher Rezessionen überein. Außerdem deuten unsere Analysen darauf hin, dass die langfristigen globalen Gewinnprognosen – drei bis fünf Jahre im Voraus – deutlich unter ihrem langfristigen Durchschnitt liegen. Aktien von Unternehmen, deren Geschäftsentwicklung besser als erwartet ausfällt, könnten also Aufwärtspotenzial besitzen.
Im Moment deutet alles darauf hin, dass die Inflation sinkt, während die Zentralbanken die Zinsen länger hochhalten. Dadurch würden sich die realen Zinsen positiv entwickeln und Druck auf die Aktienbewertungen ausüben, die eine Funktion des Abzinsungssatzes sind, der zur Bewertung künftiger Unternehmensgewinne verwendet wird. In dieser komplexen Übergangsphase bieten Unternehmen mit attraktiven Aktienbewertungen und robusten langfristigen Gewinnaussichten das beste Verhältnis zwischen Risiko und Ertrag.
Anleger sollten sich immer auf die zugrunde liegenden Geschäfte der Unternehmen konzentrieren. Da sich die KI-Begeisterung aktuell parallel zu einem historischen Wandel der Anlagebedingungen entfaltet, ist Vorsicht geboten und ein disziplinierter Ansatz ist von größter Bedeutung. Ein strategischer Fokus darauf, wie Unternehmen in verschiedenen Sektoren langfristiges Geschäftswachstum generieren können, ist der Schlüssel zum Erfolg.