Markus Steilen, Commerzbank

Unternehmen setzen auf Green und Sustainability

Unternehmen springen zunehmend auf den Zug der grünen und nachhaltigen Anleihen auf. Die Anleiheexperten der Commerzbank gehen davon aus, dass sich dieser Trend in diesem Jahr fortsetzen wird. Die Aufnahmefähigkeit des Marktes wird generell als gut angesehen.

Unternehmen setzen auf Green und Sustainability

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Das Emissionsgeschehen am europäischen Primärmarkt für Unternehmensanleihen ist in den ersten Wochen des Jahres gut angelaufen, womit der Markt nahtlos an die rege Aktivität des Vorjahres angeknüpft hat. Im vierten Quartal wurden knapp 65 Mrd. Euro an Unternehmensanleihen emittiert. „Auffällig war dabei die Vielzahl an nachhaltigen Anleihen. Insgesamt ein Volumen von gut 8 Mrd. Euro verteilt über 15 Tranchen“, sagt Markus Steilen, der bei der Commerzbank Director und Head of Corporate Syndicate ist und Unternehmen in dieser Rolle bei Anleiheemissionen begleitet, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Trend zu Green, Social, Sustainability und Sustainability-Linked Bonds hat sich in diesem Jahr fortgesetzt, nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei anderen Emittentengruppen wie etwa den Staaten und auch staatsnahen Adressen (SSA, Supranationals, Sub-Sovereigns, Agencies).

Längere Laufzeiten im Blick

Allgemein konnten man laut Steilen 2020 vielfach Emissionen mit längeren Laufzeiten beobachten, d.h. mit einer höheren Duration (mittlere Kapitalbindungsdauer). Es gab bei den Corporates mehrere Anleihen mit Fälligkeiten im Bereich von über 15 bis hin zu 30 Jahren, wobei es nur drei Anleihen mit Fälligkeiten von 30 Jahren gab, zwei davon im vierten Quartal mit Pepsico und der Deutschen Bahn.

Nach Laufzeitklassen und Ratings verteilt habe es eine breite Verteilung gegeben. Es sei ein überwiegend positives Umfeld vor der Dezembersitzung des geldpolitischen Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) konstatiert worden, was den Gesamtmarkt nochmals beflügelt habe. Viele Anleger setzen darauf, dass die EZB-Verantwortlichen in diesem Jahr die günstigen Refinanzierungsbedingungen am Anleihemarkt, auch für die Unternehmen, erhalten werden. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte dies in den vergangenen Wochen mehrfach betont. Und auch nach der März-Sitzung – auf der höhere Anleihekäufe im nächsten Quartal in Aussicht gestellt wurden – können die Anleger und auch die Unternehmen davon ausgehen, dass die günstigen Refinanzierungsbedingungen erhalten bleiben. Anders werden die Ankündigungen am Markt kaum interpretiert.

Auch Reverse Yankees dabei

Langläufer und Ultralangläufer sind gerade in den ersten Wochen 2021 ein größeres Thema am Markt, aber in erster Linie bei den staatlichen Emittenten und Sub-Sovereigns. Corporates strömen nicht so sehr in die langen oder gar ultralangen Laufzeiten. „Im Vergleich zu den USA ist in Europa meist bei 20 Jahren Schluss. Es gab nur drei Anleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren im Euro im Jahr 2020“, sagt Steilen. Zwei von drei Bonds, nämlich von Medtronic und Pepsico seien sogenannte Reverse Yankee Bonds gewesen. Dabei handelt es sich um Bonds von US-Unternehmen, die aber außerhalb des US-Anleihemarktes in einer anderen Währung als dem Dollar begeben werden. Zudem kam die Deutsche Bahn noch mit einer langen Laufzeit im Dezember.

Die Unternehmen messen ebenso wie viele Staaten mittlerweile Green, Social, Sustainability und Sustainability-Linked Bonds ein sehr hohes Gewicht bei. „Der Trend geht klar in diese Richtung, seit neuestem auch stark in Form der nachhaltigkeitsgebundenen Anleihen. Diese können auch seit Anfang des Jahres von der EZB am Primärmarkt über das Unternehmenskaufprogramm CSPP angekauft werden, was diesem Produkt nochmals einen Schub verliehen hat“, führt Steilen aus. Nachhaltigkeitsgebundene Anleihen würden den Unternehmen mehr Möglichkeiten eröffnen, ihre nachhaltige Unternehmenskultur emissionsseitig abzubilden – ohne dabei jedoch einzelne grüne Refinanzierungsprojekte zu haben. Von der EZB-Unterstützung, infolge der Änderung der Richtlinie, profitierte etwa der erste nachhaltigkeitsgebundene Bond des schwedischen Textilhandelsunternehmens H&M.

Die Aufnahmefähigkeit des Marktes wird von Steilen als generell sehr gut angesehen. Von Platzierungsschwierigkeiten könne generell bei den Corporate Bonds überhaupt keine Rede sein. Regelmäßig seien die Emissionen gut überzeichnet, teilweise sogar ausgesprochen hoch. „Die ersten sechs Tage in diesem Jahr 2021 waren natürlich sensationell. Wir hatten es sogar mit negativen Neuemissionsprämien zu tun. Es gab starke Überzeichnungen trotz weiterer Corona-Schlagzeilen“, sagt der Bond-Experte. Allerdings habe sich das Tempo dann etwas gemäßigt. Der Januar übertraf vom Volumen her betrachtet mit 38,65 Mrd. Euro gegenüber 27,925 Mrd. Euro den Januar des Vorjahres und auch den Jahresauftaktmonat des Jahres 2019, als Anleihen für gut 34 Mrd. Euro an den Markt kamen. „Das hat im Markt wirklich die Erwartungen übertroffen. Denn die Emissionshäuser sind doch durch die Bank weg davon ausgegangen, dass uns eine Verringerung der Emissionen von Unternehmensanleihen in diesem Jahr ins Haus steht. Wir gehen weiterhin von einem Rückgang in der Größenordnung von 20 bis 30% aus“, sagt Steilen. Im Schnitt sei am Markt ein Minus von 15 bis 30% erwartet worden.

„Die sehr hohen Volumina im Januar lösten bei Investoren Zweifel aus, ob es wirklich weniger Bonds geben wird, oder ob 2021 doch am Ende ein weiterer Rekordjahrgang werden könnte, nachdem seit 2008 jedes Folgejahr noch höhere Emissionsvolumina gesehen hatte als das Vorjahr“, so Steilen. Diese Zweifel hätten zu schwächeren Emissionen, weniger Überzeichnungen und angestiegenen Neuemissionsprämien im weiteren Verlauf des Januars geführt. Im Februar sei die Emissionstätigkeit dann wieder angesprungen, und die Kombination aus positiven Unternehmenszahlen, anlaufenden Impfprogrammen und Zuflüssen in Bondfonds habe insgesamt zu einer Verbesserung der Lage beigetragen. Nach den 38,65 Mrd. Euro an Emissionen von Corporates im Januar habe es im Februar neues Bond-Material von Unternehmen über 31,425 Mrd. gegeben (Februar 2020: 35 Mrd. Euro, Februar 2019: 33,3 Mrd. Euro).

Trend setzt sich fort

Für die Emissionstätigkeit im weiteren Jahresverlauf, insbesondere für das laufende und das kommende Quartal gibt sich Steilen nicht gerade pessimistisch. Interessanterweise war der Monat Januar von Emittenten aus dem Reits-Sektor geprägt gewesen – knapp 22% aller Emissionen wurden von Real Estate Investment Trusts begeben. „Weniger kann man im Bereich Automobile und Versorger erwarten, da in diesen Segmenten im Vorjahr sehr viel emittiert wurde und gerade bei Autounternehmen die Unternehmenszahlen deutlich besser als erwartet ausgefallen sind“, sagt er. Der Trend zu nachhaltigen Anleihen wird sich seiner Ansicht in den kommenden Monaten fortsetzen. „Wir erwarten weiterhin Unternehmen mit Debüt-Emissionen im Euro, und wir gehen davon aus, dass vieles im nachhaltigen Format erfolgen wird. Das ist zweifelsohne der Trend. Green, Social, Sustainability und Sustainability-Linked hat durch die Krise eine enorme Beschleunigung der Aufmerksamkeit bei vielen Emittentengruppen erfahren. Das gilt auch für die Unternehmen“, sagt er.

Ein Thema am Markt ist auch die weitere Default-Erwartung bei Investment Grade, High Yield und nicht benoteten Emittenten im Zuge der Krisenauswirkungen. „In Branchen, die unter Corona stark gelitten haben, wird die Zahl der Kreditausfälle zweifelsohne zunehmen. Allerdings sollte man die Fiskalpolitik nicht unterschätzen, die vieles versucht hat, um diesen Trend hin zu mehr Unternehmensausfällen abzumildern“, führt Steilen weiter aus.

Die Trends von 2020 werden sich Steilens Ansicht nach in diesem Jahr weiter verstärken. Hybridbond-Emissionen liegen 130% höher als zur gleichen Zeit des Vorjahres, d.h. per Ende Februar. Nachhaltige Emissionen liegen derzeit bereits 110% höher als im Vorjahreszeitraum (Stand Ende Februar 2021). Steilen sieht in den kommenden Monaten auch stärkere Anleiherückkaufe aufgrund der gut gefüllten Kassen bei Unternehmen, dies bei gleichzeitig recht geringer M&A-Tätigkeit.

Mehr Flexibilität

Rekorderwartung hat Steilen wie auch andere Marktteilnehmer bei Sustainability-Linked-Anleihen, und zwar nicht nur aufgrund der Tatsache, dass diese Anleihen mittlerweile auch am Primärmarkt von der EZB gekauft werden können. „Es gibt den Unternehmen mehr Flexibilität, die eigenen Nachhaltigkeitsziele durch diese Anleihenformate abzudecken, also auf dem Weg hin zu einer nachhaltigeren Ausgestaltung des Unternehmens und der Produktionsprozesse. Das wird sehr stark in An­spruch genommen. Die Darstellung der Zielerreichungsgrade erfolgt dabei mittels sogenannter Key Performance Indicators“, sagt Steilen.