Schuldscheinmarkt

Unternehmen zeigen Schuldscheinen die kalte Schulter

Schuldscheindarlehen werden von Unternehmen nicht mehr so stark beansprucht, weil der Mittelbedarf zurückgeht. Aber auch regulatorische Hemmnisse bremsen den Markt.

Unternehmen zeigen Schuldscheinen die kalte Schulter

Unternehmen zeigen Schuldscheinen die kalte Schulter

Emissionsvolumen der Papiere sinkt – Firmen halten sich bei Investitionen derzeit zurück – Bauwirtschaft ist wieder aktiver

Der Schuldschein wird von den Unternehmen erneut nicht so stark in Anspruch genommen. Denn die Firmen halten sich bei Investitionen zurück. Aber die Bauwirtschaft ist in diesem Bereich wieder aktiver geworden.

kjo Frankfurt

Unternehmen engagieren sich immer weniger am deutschen Schuldscheinmarkt. Das zeigen neueste Zahlen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden Transaktionen mit Schuldscheindarlehen (SSD) mit einem Volumen von 15,1 Mrd. Euro abgeschlossen. Das sind aufgrund eines lebhaften dritten Quartals zwar nur 8% weniger als in der Vorperiode, doch immerhin 31% weniger als Vergleichszeitraum 2023. „Wesentlicher Grund für den Rückgang ist die Zurückhaltung der Unternehmen bei größeren Investitionen, entsprechend geringer fällt der Mittelbedarf aus“, halten die Experten von Capmarcon in einer Studie zum SSD-Markt fest, der der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Nachhaltigkeitsmanagement und Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft. Sie entwickelt Nachhaltigkeitsziele und -strategien, erstellt Rahmenwerke und unterstützt bei ESG-Ratings und berät bei der nachhaltigen Kapitalbeschaffung besonders in den Bereichen Green, Blue, Social, Sustainable oder ESG-linked Financing.

Weiterer Grund dieser Entwicklung sei die formale Pflicht für Finanzinvestoren, grüne Schuldscheindarlehen hinsichtlich der Nachhaltigkeit zu bewerten, was den Aufwand für Finanzdienstleister und informationsliefernde Unternehmen erhöhe. Erfreulich sei hingegen die Präsenz der Debüt-Unternehmen, deren Anzahl und arrangiertes Volumen gegenüber den ersten drei Quartalen 2023 deutlich zugenommen habe. Die Zahl der Transaktionen sei von 13 auf 20 gestiegen, das Volumen habe sich um etwa 75% auf 4,3 Mrd. Euro erhöht.

Weniger erfolgt öffentlich

Gleichzeitig sei aber die Neigung der Unternehmen zurückgegangen, das Arrangement ihrer Transaktionen publik zu machen. Hätten von Januar bis September 2023 noch 37 der 77 Darlehensnehmer die Transaktionen bekanntgegeben (zwei Drittel des Volumens), so seien es in diesem Jahr nur 25 der 73 Unternehmen (ein Drittel des Volumens) gewesen. Das insgesamt ausstehende Schuldscheinvolumen ging von 159 Mrd. Euro Ende September 2023 auf aktuell 157 Mrd. Euro zurück, halten die Experten fest.

Rückläufige Emissionen

Industrieunternehmen waren laut der Analyse auch im bisherigen Jahresverlauf 2024 größte Gruppe von Schuldscheingebern; auf sie entfielen 64% des Volumens. Dienstleister waren die zweitgrößte Gruppe im Hinblick auf neu arrangierte Darlehen. Wieder aktiver war jüngst die Bauwirtschaft, während der Anteil weiterer Sektoren zurückging. Die Industrie sei traditionell wichtigster Akteur am Schuldscheinmarkt – nicht nur wegen des Volumens, sondern auch wegen der Transaktionszahl. In den ersten drei Quartalen seien 38 der 73 Begebungen aus diesem Bereich gekommen, 19 von Dienstleistern und neun von Versorgern. Die beiden größten Schuldscheine mit 950 und 900 Mill. Euro seien ebenfalls von Industrieunternehmen begeben worden. „Oftmals höhere Bonitäten, stabilere Bilanzstrukturen und weniger volatile Umsätze – neben einem höheren Kapitalbedarf der Industrie – machen diesen Sektor für Kreditgeber attraktiv“, heißt es hierzu.

Industrie dominiert

Während die durchschnittlichen Volumina seit Jahresanfang 2023 (340 Mill. Euro) von Quartal zu Quartal kontinuierlich bis auf 125 Mill. Euro abgenommen hatten, stiegen die Beträge bis zum dritten Quartal 2024 wieder auf rund 240 Mill. Euro. Das hinsichtlich des Volumens neuer Schuldscheine größte Land sei Deutschland mit einem Anteil von 61% nach 69% in den ersten drei Quartalen. Das Ausland habe im bisherigen Jahresverlauf eine bedeutendere Rolle als im Vorjahr gespielt. Vor allem aus Frankreich sei eine signifikant stärkere Nachfrage nach Finanzmitteln gekommen.

„Die Attraktivität des Schuldscheins ist unverändert, auch wenn das neu begebene Volumen in den ersten neun Monaten leicht geringer ausfiel als im Vorjahreszeitraum und die Attraktivität gerade nachhaltiger Darlehen gelitten hat. Letztere Entwicklung ist in erster Linie regulatorischen Gründen geschuldet, erstere dem eingetrübten Investitionsumfeld und einem infolgedessen geringeren Finanzbedarf. Ähnlich war die Entwicklung auch am Anleihemarkt“, so die Capmarcon-Experten. Der Bruttoabsatz von Unternehmensanleihen (ohne Banken) erreichte von Januar bis September 2023 121 Mrd. Euro, im gleichen Zeitraum dieses Jahres nur 96 Mrd. Euro, ein Rückgang von 21%.

Auf dem Rückzug

„Die Farbe grün dürfte am Schuldscheinmarkt wohl weiter an Bedeutung verlieren. Dies liegt nicht allein an den aufwendigeren Regularien. Investoren im Schuldschein sind überwiegend Banken und Vermögensverwalter/Pensionskassen, weniger Publikumsfonds für private Anleger.“ Letztere legen primär in börsennotierten Anleihen mit möglichst hoher Liquidität an. Für erstgenannte Investorengruppe zähle in erster Linie das Risiko-Rendite-Verhältnis. Komme Nachhaltigkeit hinzu, sei dies ein erfreulicher Nebeneffekt, der aber den Wert der eigenen Dienstleistung in der Regel nicht signifikant steigere. „Vor diesem Hintergrund sind nachhaltige Finanzierungen zumindest kurz- bis mittelfristig kein Impulsgeber.“

Nennenswerte Investitionen der Unternehmen als Motiv einer Schuldscheinbegebung dürften laut Capmarcon wohl weit bis ins Jahr 2025 hinein ausfallen. Mehrheitlich Transaktionen zur Liquiditätssicherung könnten im Vordergrund stehen, was wohl in der Summe ein limitiertes Volumen bedeute. „Dabei sollte das Schuldscheindarlehen im Vergleich mit der Anleihe aber nicht zurückfallen, sondern hinsichtlich der Konditionen unverändert konkurrenzfähig sein“, heißt es weiter.

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