KREDITWÜRDIG

Unternehmensbonds noch nicht überbewertet

Von Markus Rohleder *) Börsen-Zeitung, 9.10.2014 Die Risikoaufschläge im Corporate-Bond-Sektor haben sich mittlerweile spürbar eingeengt und bereits ein Niveau erreicht, welches zuletzt vor Ausbruch der Finanzkrise zu beobachten war. Zwar besteht...

Unternehmensbonds noch nicht überbewertet

Von Markus Rohleder *)Die Risikoaufschläge im Corporate-Bond-Sektor haben sich mittlerweile spürbar eingeengt und bereits ein Niveau erreicht, welches zuletzt vor Ausbruch der Finanzkrise zu beobachten war. Zwar besteht nach wie vor noch ein gewisser Abstand zu den absoluten Tiefständen aus der zweiten Jahreshälfte 2006. Diese Zeit war allerdings geprägt durch den sogenannten Technical Bid, der durch die Auflage immer neuer strukturierter Produkte ausgelöst wurde und letzten Endes eine Übertreibung der Marktentwicklung darstellte. Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, ob nach der beeindruckenden Spread-Performance der vergangenen Monate Unternehmensanleihen mittlerweile überbewertet und damit zu teuer sind.Nach den spürbaren Rückgängen der Risikoprämien sind Unternehmensanleihen nicht mehr billig. Kurzfristig sehen wir kaum Potenzial für weitere signifikante Spread-Einengungen. Angesichts der schwachen konjunkturellen Entwicklung im Euroraum besteht zudem ein gewisses Korrekturrisiko. Dennoch halten wir Unternehmensanleihen noch nicht generell für überbewertet und damit unter Relative-Value-Aspekten für zu teuer.Vergleicht man die Rendite von Unternehmensanleihen mit der von Bundesanleihen, so liegt diese um ein Vielfaches höher. Die generische Rendite von in Euro denominierten Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Bonität und fünfjähriger Laufzeit ist derzeit im Durchschnitt mehr als dreimal so hoch wie die von fünfjährigen Bundesanleihen. Die Vergütung der Risikoprämie für den Investor stellt mittlerweile mehr als 60 % der Gesamtrendite dar. In der Vergangenheit gab es nur wenige Zeiträume, nämlich auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise, in denen der Anteil auf ähnlichem Niveau oder noch höher war.Auf der Nachfrageseite dürften zudem die Aussichten auf längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) und Hoffnungen auf Anleihekäufe der EZB (QE) sowie die damit zu erwartende Liquiditätsausweitung den Corporate-Bond-Sektor unterstützen. In dem aktuellen Niedrigzinsumfeld führt damit für renditeorientierte Investoren an Corporate Bonds kaum ein Weg vorbei. Stabile FundamentaldatenDies gilt insbesondere, da Investment-Grade-Unternehmen auch in einem herausfordernden konjunkturellen Umfeld stabile Fundamentaldaten behaupten konnten. Die zuletzt vorgelegten Halbjahresberichte zeigen zwar, dass negative Währungseffekte die Umsatz- und Ertragsentwicklung dämpfen und auch in den kommenden Monaten keine stärkere Dynamik zu erwarten ist. Für das laufende Jahr ist jedoch mindestens von einer stabilen Umsatzentwicklung und einer leicht verbesserten Ertragslage auszugehen. Damit ist die Ertragssituation der Unternehmen, gemessen am ausgewiesenen betrieblichen Ertrag Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) und an den Nettoergebnissen, historisch auf einem unverändert guten Niveau. Auch die Finanz- und Liquiditätslage der Unternehmen kann weiterhin als ausgesprochen solide eingestuft werden. Für das Verhältnis der bilanziellen Finanzschulden zum ausgewiesenen Ebitda ist keine materielle Zunahme des Leverage auf breiter Front zu beobachten. Angesichts der geringen konjunkturellen Dynamik zeigt sich bei den einzelnen Unternehmen in den meisten Branchen weiterhin eine gewisse Zurückhaltung bei den Investitionsausgaben, was einem Anstieg des Verschuldungsgrades entgegenwirkt und die Finanzprofile stärkt. Darüber hinaus sehen wir die Bonitätsnoten der Emittenten durch ein umsichtiges Finanzmanagement sowie eine ausgeprägte Widerstandsfähigkeit angesichts hoher Liquiditätsbestände gut unterstützt. Über die ausgewiesene bilanzielle Liquidität hinaus verfügen die Unternehmen zur Liquiditätssicherung in der Regel über Kreditlinien, die oftmals nur teilweise in Anspruch genommen sind. Darüber hinaus besteht Zugang zum Primärmarkt, der in dem aktuellen Umfeld sehr aufnahmebereit für Unternehmensrisiken ist und umfassend genutzt wird.Unsere Beobachtungen legen insgesamt den Schluss nahe, dass die Bonitätsprofile der Unternehmen tendenziell weiter stabil und die Finanz- und Liquiditätslage vieler Unternehmen unverändert solide sind, was auch durch die Entwicklung des Moody’s Rating-Drift bestätigt wird. Der von Moody’s ermittelte Rating-Drift, welcher die Differenz zwischen Heraufstufungen und Herabstufungen zu den benoteten Unternehmen ins Verhältnis setzt, zeigt bereits seit Mitte 2013 erhebliche Verbesserungen. In Europa übersteigen die Herabstufungen die Heraufstufungen nur noch geringfügig. Für die USA wurde aktuell sogar ein Übergewicht der Heraufstufungen ermittelt. Global gesehen ist der Rating-Drift nahezu ausgeglichen. Eine weitgehend stabile Ratingentwicklung sollte tendenziell die Spreads im Corporate-Sektor unterstützen. Niedrige AusfallratenAuch die Erwartung unverändert niedriger Ausfallraten dürfte stabilisierend wirken. In der Vergangenheit sind nicht nur die Risikoprämien, sondern auch die Ausfallraten merklich zurückgegangen. Der Vergleich der historischen Ausfallraten seit 1970 für den Zeitraum von fünf Jahren mit der impliziten fünfjährigen Ausfallrate der Ratingklassen “A” und “BBB” zeigt zwar, dass die Luft nach unten dünner wird, die Credit Spreads aber immer noch eine ausreichende Kompensation für das Ausfallrisiko bieten. In unseren Analysen haben wir zudem einen Zusammenhang zwischen den Risikoaufschlägen und der Entwicklung der Ausfallraten festgestellt. Die Spreads laufen den tatsächlichen Ausfällen voraus. Wenn die Ausfälle dann in der Realwirtschaft ankommen, werden die Risikoaufschläge bereits wieder zurückgehen. Die Basisprognose von Moody’s geht zunächst nicht von einem Anstieg der Ausfallraten in Europa aus, so dass hieraus dementsprechend kein Druck für eine Neubewertung der Risiken von Unternehmensanleihen entstehen sollte.Das Risiko für einen größeren Rückschlag bei Unternehmensanleihen sehen wir nicht darin, dass diese im Vergleich zu anderen Asset-Klassen überbewertet sind und somit erheblicher Korrekturbedarf besteht. Vielmehr gilt es aus unserer Sicht, das Augenmerk auf das makroökonomische Umfeld und die allgemeinen Rahmenbedingungen zu richten. In einem sich verändernden Markt, der beispielsweise mit steigender Risikoaversion, höherer Volatilität, zunehmenden geopolitischen Spannungen, steigenden Zinsen, höheren Ausfallraten oder einer erheblichen Verschlechterung der konjunkturellen Lage konfrontiert sein könnte, dürften sich auch Unternehmensanleihen einem negativen Markttrend nicht entziehen können. Corporate Bonds müssen dann jedoch nicht schlechter als andere Marktsegmente abschneiden. Auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise konnten sich Unternehmensanleihen trotz erheblicher Spread-Ausweitungen besser behaupten als die meisten anderen Asset-Klassen. Wir kommen daher zu dem Schluss: Corporates ain’t a bad place to be.—-*) Markus Rohleder, Senior-Corporate-Bond-Analyst bei der DZ Bank.