KREDITWÜRDIG

US-Leveraged-Loans - Ende der Sorglosigkeit?

Von Sandra Ebner *) Börsen-Zeitung, 13.12.2018 Im Oktober sorgte Janet Yellen für Aufregung, als sie sich in einem Interview in der "Financial Times" besorgt über die enorme Lockerung der Kreditvergabestandards bei US-Leveraged-Loans zeigte. Die...

US-Leveraged-Loans - Ende der Sorglosigkeit?

Von Sandra Ebner *)Im Oktober sorgte Janet Yellen für Aufregung, als sie sich in einem Interview in der “Financial Times” besorgt über die enorme Lockerung der Kreditvergabestandards bei US-Leveraged-Loans zeigte. Die ehemalige Fed-Chefin ist nicht die Einzige, die die Alarmglocke läutet. Auch der Internationale Währungsfonds und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben die Risiken der stark steigenden Kreditvergabe an hoch verschuldete Unternehmen jüngst in den Fokus gestellt. Grund genug, sich die Entwicklungen in diesem Bereich des US-Kreditmarktes etwas näher anzusehen.Unter Leveraged Loans versteht man in der Regel Kredite an Unternehmen, die bereits stark verschuldet sind und deren Kreditwürdigkeit von Ratingagenturen schlechter als BBB- eingestuft wird. Nach der Finanzkrise ist dieses Kreditsegment sehr dynamisch gewachsen. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich das ausstehende Kreditvolumen beinahe verdoppelt. Mit einem Volumen von knapp 1 Bill. US-Dollar ist der Markt nur noch unwesentlich kleiner als der Markt für US-High-Yield-Unternehmensanleihen. Im Gegensatz zu diesen Hochzinsanleihen handelt es sich bei Leveraged Loans um vorrangig besicherte Verbindlichkeiten (senior secured), die in der Kapitalstruktur des Unternehmens an oberster Stelle stehen und durch das Vermögen des Schuldners besichert sind. Darüber hinaus beinhalten die Kreditverträge normalerweise deutlich restriktivere Vertragsklauseln, um das Risiko eines Kreditausfalls zu vermindern. Die Rückgewinnungsquote (Recovery Rate) im Konkursfall lag dadurch in der Vergangenheit deutlich höher als bei High-Yield-Unternehmensanleihen. Starke NachfrageDie rasche Ausweitung des Kreditvolumens wäre kaum möglich gewesen, wenn nicht die Jagd nach Rendite das Investoreninteresse an Kreditinvestments befeuert hätte. Insbesondere seit dem Beginn des Zinserhöhungszyklus der Fed bietet die variable Verzinsung von Kredittranchen eine natürliche Absicherung gegen steigende Zinsen. Dementsprechend stark ist die Nachfrage nach verbrieften (Collateralized Loan Obligations, CLO) und unverbrieften Kreditforderungen im Sekundärmärkt (Kreditfonds). Etwa 57 % der Leveraged Loans werden über CLOs an institutionelle Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen und Hedgefonds weitergegeben. Vor der Krise lag dieser Anteil noch unter 50 %. Der Markt für CLOs nähert sich damit in raschen Schritten der Größe des Markts für verbriefte Subprime-Kredite zu seinen Hochzeiten vor der Krise. Noch stärker ist allerdings der Anteil an Krediten gestiegen, die von Kreditfonds gekauft werden. Deren Anteil hat sich in den vergangenen zehn Jahren von 10 % auf 21 % mehr als verdoppelt. Banken halten hingegen mit nur noch 10 % einen deutlich geringeren Anteil als noch vor zehn Jahren.Für hoch verschuldete Unternehmen hat sich der scheinbar unstillbare Appetit von Finanzinvestoren und Privatanlegern als wahre Bonanza erwiesen, denn er hat zu einer enormen Lockerung der Kreditvergabestandards geführt. Genau darin liegen die größten Risiken begraben, wenn der Zyklus irgendwann dreht. Die Rating-Qualität der Unternehmen, die sich in den USA über Leveraged Loans verschulden, hat sich stetig verschlechtert. Gleichzeitig wurden die Gläubigerschutzklauseln in den Kreditverträgen massiv gelockert. Dies gilt einerseits für sogenannte Financial Covenants – sie verpflichten den Kreditnehmer, während der Kreditlaufzeit bestimmte Kennzahlen in Bezug auf Eigenkapital, Verschuldung oder Ertrag und Liquidität einzuhalten. Laut Moody’s enthalten bereits vier von fünf Neukrediten keine oder nur sehr lax formulierte Gläubigerschutzklauseln (Covenant Lite). Andererseits wurden auch andere vertragliche Anforderungen deutlich gelockert. So müssen Kredite beispielsweise nicht mehr vorzeitig getilgt werden, wenn das Unternehmen Teile der Sicherheiten veräußert. Im Zweifelsfall können Vermögenswerte sogar in uneingeschränkte Tochtergesellschaften verlagert werden, um sie so im Konkursfall vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen. Von Regulierern befeuertSeit dem Amtsantritt von Präsident Trump scheint die ungehemmte Kreditvergabe vonseiten der Regulierer sogar noch befeuert zu werden. So wurde beispielsweise im September eine gemeinsame Klarstellung der Regulierungsbehörden in Umlauf gegeben, wonach der Verschuldungsgrad der Kreditnehmer einzig und allein im Ermessen der Banken liegt. Eine deutlich restriktivere Richtlinie aus dem Jahr 2013 ist damit endgültig außer Kraft gesetzt. Darüber hinaus hat ein Berufungsgericht im Februar entschieden, dass die Manager von CLOs nicht mehr verpflichtetet sind, einen Teil der verbrieften Kredite in den eigenen Büchern zu behalten.Im aktuellen konjunkturellen Umfeld sorgen diese Entwicklungen noch nicht für Probleme. Im Gegenteil, die laxen Gläubigerschutzklauseln senken sogar die Wahrscheinlichkeit eines technischen Defaults. Doch was passiert, wenn der Zyklus dreht und sich das operative Umfeld der Unternehmen plötzlich deutlich herausfordernder darstellt? Dann dürften zahlreiche Unternehmen sehr schnell in Bedrängnis kommen, denn der Anteil schwacher Schuldner, die sich über Leveraged Loans verschuldet haben, ist deutlich höher als in vergangenen Zyklen. Doch nicht nur das: Die Recovery Rates könnten deutlich niedriger ausfallen als in der Vergangenheit. Das Schuldenpolster, das sich in der Kapitalstruktur unterhalb der besicherten Kredite befindet, ist laut Moody’s von etwa einem Drittel des Fremdkapitals vor der Krise auf aktuell nur noch ein Fünftel gesunken. Laut einer Branchenstudie verfügt rund die Hälfte der Unternehmen, die neue Kredite aufnehmen, über gar keine unbesicherte Verschuldung. Die Tatsache, dass vor allem Private-Equity-Unternehmen die zunehmend anleiheähnlichen Vergabestandards von Leveraged Loans exzessiv genutzt haben, um Leveraged Buy-outs zu finanzieren, dürfte ebenfalls nicht hilfreich sein. Im Zweifelsfall könnten sie alle Möglichkeiten nutzen, die ihnen die lockeren Vergabestandards bieten, um vermeintliche Sicherheiten vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen.Insofern verwundert es nicht, dass die Nervosität steigt. In den vergangenen Wochen gab es bereits größere Abflüsse aus Kreditfonds. Der Anteil der Kredittranchen, deren Risikoaufschläge im Syndizierungsprozess erhöht werden mussten, ist deutlich gestiegen. Zahlreiche angekündigte Deals wurden kurzfristig zurückgezogen.Ein guter Kauf dürften verbriefte oder unverbriefte Kredittranchen von US-Leveraged-Loans zu diesem Zeitpunkt im Zyklus also nicht sein. Vor allem wenn man bedenkt, dass es sich dabei um eine inhärent illiquide Anlage handelt, die eben nicht mehr nur von besonnenen, langfristig orientierten Investoren gehalten wird, sondern sich über Kreditfonds zunehmend auch in den Portfolios weniger nervenstarker Investoren befindet.—-*) Sandra Ebner arbeitet im Makro-Research der DekaBank.