DEVISENWOCHE

US-Währung im Niemandsland

Von Holger Achnitz *) Börsen-Zeitung, 10.5.2016 Wer hätte das gedacht: Die Wirtschaft der Eurozone wuchs im ersten Quartal um 0,6 %. Dieser Anstieg (vorbehaltlich der noch ausstehenden Veröffentlichungen für Deutschland und Italien) ist höher als...

US-Währung im Niemandsland

Von Holger Achnitz *)Wer hätte das gedacht: Die Wirtschaft der Eurozone wuchs im ersten Quartal um 0,6 %. Dieser Anstieg (vorbehaltlich der noch ausstehenden Veröffentlichungen für Deutschland und Italien) ist höher als in den USA und in Großbritannien, dessen wirtschaftliche Entwicklung in praktisch allen Bereichen zunehmend unter dem am 23. Juni stattfindenden EU-Referendum leidet. Ursächlich für die oberhalb der Erwartungen liegende Wachstumsrate waren vor allem positive Trends in Frankreich, insbesondere eine trotz hoher Arbeitslosigkeit steigende Inlandsnachfrage. Über die letzten zwei Quartale war die durchschnittliche, annualisierte Wachstumsrate dort mit 1,8 % damit so hoch wie zuletzt im ersten Halbjahr 2011. Und Spanien scheint durch das politische Führungsvakuum wirtschaftlich, zumindest bislang, keinen Schaden zu nehmen. In der EZB wird man dies mit Erleichterung vernommen haben: Ihr Chefvolkswirt verwies darauf, dass der positive Effekt der finanziellen Bedingungen die negativen Auswirkungen auf die Profitabilität der Banken oder andere Risiken für die Finanzmarktstabilität bisher mehr als ausgleicht.Auf der anderen Seite des Atlantiks bietet sich konjunkturell ein gemischtes Bild. Während sich der positive Langfristtrend am Arbeitsmarkt weiter fortsetzt, lassen andere Indikatoren wie z. B. der Einkaufsmanagerindex eine nachlassende konjunkturelle Dynamik vermuten. Dies erklärt die bezüglich weiterer Zinserhöhungen meist zurückhaltenden Äußerungen von Mitgliedern des Offenmarktausschusses der Federal Reserve. Graduelle AbwertungKonsistent mit diesen Fundamentaldaten hat der US-Dollar (USD) seine graduelle Abwertung gegenüber dem Euro infolge der Kürzung von USD-Long-Positionen fortgesetzt und zwischenzeitlich bei seit August nicht mehr erreichten Niveaus gehandelt. Damit befindet er sich laut dem Global Macro Strategy Research der Citigroup im “Niemandsland”: Einerseits ist das amerikanische Wachstum zu schwach, um aktuell weitere Zinserhöhungen zu rechtfertigen. Die Erwartung einer weiteren Anhebung bei der nächsten Fed-Sitzung am 15. Juni ist von 40 % Mitte März auf jetzt nur noch 2 % gefallen. Andererseits hat insbesondere die – zumindest temporäre – Stabilisierung der Situation in China und die damit einhergehende Erholung der Rohstoffpreise globale Rezessionsängste und die Furcht vor einer neuen, großen Krise zurückgehen lassen, die den Dollar zu einem vermeintlich sicheren Hafen werden lassen könnte. Auch entfällt aufgrund der bereits beschriebenen Erholung in der Eurozone bis auf weiteres die Notwendigkeit für weitere geldpolitische Stimulanz. Schwellenländer erholtEine weitere, die Märkte stabilisierende Nebenwirkung des schwächeren Dollar und der simultanen Beruhigung der Konjunktur in China ist die seit Ende Januar im Gang befindliche Erholung der Währungen einiger Schwellenländer, insbesondere derjenigen, die wie der brasilianische Real, der russische Rubel und der südafrikanische Rand stark unter fallenden Rohstoffpreisen gelitten haben. Es steht allerdings zu befürchten, dass diese Aufwertung kein neuer Trend ist, da die weiteren monetären und fiskalpolitischen Handlungsräume Chinas angesichts der vielfach beschriebenen, schnell gestiegenen Verschuldung des Landes beschränkt scheinen und andererseits keine Verbesserung der eigenen, fundamentalen Situation vieler Schwellenländer erkennbar ist. Dies könnte, wie bereits in 2010, bereits bald wieder zu neuer Akkumulation von Devisenreserven in diesen Ländern führen, um einer ungerechtfertigten Aufwertung der eigenen Währung entgegenzuwirken. An einem neuen “Währungskrieg” kann angesichts der insgesamt unverändert fragilen Weltwirtschaft allerdings niemandem gelegen zu sein.Stattdessen erforderliche wirtschaftspolitische Strukturreformen sind derzeit allerdings weder in entwickelten Ländern noch in den großen Emerging Markets erkennbar. So werden die Zentralbanken weiterhin gefordert sein, ihre sehr akkommodierende Geldpolitik fortzuführen bzw. sogar noch zu erweitern. Wie schwierig Kurswechsel den Märkten zu vermitteln sind, zeigt das Beispiel Japan: Die überraschende Aufgabe des Zeithorizonts zur Erreichung des Inflationsziels führte zu einer sofortigen 2,5-prozentigen Aufwertung des Yen zum Dollar, die sich fortsetzt. Inzwischen hat der Yen die Hälfte der Einbußen seit Ankündigung der ersten QE-Maßnahmen wieder wettgemacht. Aus einem ähnlichen Grund könnte sich die Euro-Aufwertung fortsetzen: Bei weiterhin mittelmäßigem US-Wachstum und in Abwesenheit neuer, allerdings – siehe Griechenland – durchaus vorstellbarer Krisenszenarien in der Eurozone sowie abnehmender Präferenz für noch niedrigere Zinsen könnte die Gemeinschaftswährung allein wegen ihres Zahlungsbilanzüberschusses zeitweise wieder die Gunst von Anlegern gewinnen.—-*) Holger Achnitz ist Leiter des Devisenhandels bei Citi Deutschland.