KREDITWÜRDIG

US-Zinswende lastet auf Schwellenländeranleihen

Von Janis Hübner *) Börsen-Zeitung, 7.1.2016 Die US-Notenbank hat am 16. Dezember 2015 mit einer Anhebung des Leitzinses um 25 Basispunkte (BP) die geldpolitische Wende eingeläutet. Von einer Normalisierung des Zinsniveaus ist die Weltwirtschaft...

US-Zinswende lastet auf Schwellenländeranleihen

Von Janis Hübner *)Die US-Notenbank hat am 16. Dezember 2015 mit einer Anhebung des Leitzinses um 25 Basispunkte (BP) die geldpolitische Wende eingeläutet. Von einer Normalisierung des Zinsniveaus ist die Weltwirtschaft damit noch weit entfernt, insbesondere wenn man bedenkt, wie lange es dauern dürfte, bis die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan sich zu einem solchen Schritt entscheiden werden.Dennoch ist die Zinswende ein Einschnitt für die Weltwirtschaft. Die Fed wird die Zinsen so lange weiter anheben, solange die US-Wirtschaft auf Kurs bleibt. Ob das der Fall sein wird, hängt aber auch vom Zustand der Weltwirtschaft ab. Dass diese angesichts der Schwäche Chinas stark genug ist, ihr Wachstumstempo auch mit geringerem geldpolitischem Rückenwind aufrechtzuerhalten, ist nicht ausgemacht. Höhere Finanzierungskosten werden die Kreditnachfrage belasten und damit auf die Konjunktur drücken. Und selbst das Risiko einer globalen Rezession kann nicht vernachlässigt werden. Denn diejenigen, die in den vergangenen Jahren die günstigen Finanzierungsbedingungen zum Schuldenaufbau genutzt haben, könnten in dem neuen Umfeld schnell überfordert sein. Zweifache WirkungBesonders anfällig sind Schuldner, wenn sie sich in einer fremden Währung verschuldet haben. Höhere US-Zinsen treffen sie zweifach: Zum einen steigen die direkten Zinskosten, zum anderen wird es in der Regel zu einer Abwertung der heimischen Währung kommen, wenn sich der Zinsaufschlag zu den USA reduziert. Durch die Abwertung verteuern sich die Kosten des Dollar-Kredits. Um die Risiken aus solchen Fremdwährungsschulden kalkulieren zu können, ist vor allem eine verlässliche Datengrundlage notwendig. Bislang wiesen die internationalen Schuldenstatistiken in der Regel nur die Auslandsverschuldung eines Landes aus – also Schulden gegenüber Gläubigern, die ihren Sitz im Ausland haben. Doch hier sind auch Kredite und Anleihen in heimischer Währung enthalten. Diese Statistik kann somit kein genaues Bild der Fremdwährungsverschuldung zeichnen. Nun haben Ökonomen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem jüngsten Quartalsbericht für zwölf der größten Schwellenländer diese Zahlen zusammengetragen. Berücksichtigt sind dabei nur US-Dollar-Verbindlichkeiten, doch stellen diese für alle betrachteten Länder den weitaus größten Teil der Fremdwährungsschulden dar.Als erstes wichtiges Ergebnis ist festzuhalten, dass die Dollar-Verschuldung in elf der zwölf Länder geringer ist als die Auslandsverschuldung. Die Ausnahme ist China, was angesichts der bestehenden Kapitalverkehrsbeschränkungen nicht überraschend ist. Die Tatsache, dass die Dollar-Verschuldung zum Teil deutlich unter der Auslandsverschuldung liegt, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Ausländer teilweise in großem Umfang Anleihen an den lokalen Anleihemärkten erworben haben: So halten sie in Malaysia z. B. 46 % der ausstehenden Ringgit-Staatsanleihen. In Polen, Indonesien und Mexiko liegt der Ausländeranteil am lokalen Markt für staatliche Rentenpapiere zwischen 35 und 40 %. So kommt es, dass Malaysia Auslandsschulden von 126 Mrd. Dollar, aber nur Fremdwährungsschulden von 41 Mrd. Dollar hat. In Brasilien liegen die Fremdwährungsschulden mit 322 Mrd. Dollar ebenfalls deutlich unter den Auslandsschulden (558 Mrd. Dollar).Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sind die Dollar-Schulden in einigen Ländern dennoch hoch: An der Spitze der zwölf untersuchten Länder liegt Chile mit einem Anteil von 36 %, gefolgt von der Türkei (26 %) und Russland (24 %). Chilenische und russische Unternehmen haben zwar über die Rohstoffimporte auch Einnahmen in fremder Währung, wodurch das Wechselkursrisiko reduziert wird. Angesichts des Rohstoffpreisverfalls ist das gegenwärtig jedoch nur ein schwacher Trost. Die Türkei zählt demgegenüber zu den Gewinnern der Preisentwicklung, da die meisten Rohstoffe importiert werden. Allerdings ist die Türkei infolge offener Fremdwährungspositionen besonders anfällig für Wechselkursschwankungen. Türkei schneidet schlecht abWenn die US-Zinswende nicht nur zu Abwertungen in einigermaßen geordneten Bahnen, sondern zu massiven Marktverwerfungen führt, können Schuldner den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten vollständig einbüßen. Aus einem Ertragsproblem infolge erhöhter Finanzierungskosten kann dann schnell ein Zahlungsproblem werden. In einer solchen Situation müssen Staaten auf ihre Währungsreserven zurückgreifen, um ihren Unternehmen den Schuldendienst auf Fremdwährungsschulden zu ermöglichen. Die Höhe der Währungsreserven spielt bei der Beurteilung des Zahlungsrisikos daher eine große Rolle. Die erfreuliche Nachricht: Unter den zwölf untersuchten Schwellenländern befinden sich acht, deren Währungsreserven den Bestand an Dollar-Schulden übersteigen – und dies zum Teil deutlich. Auch in dieser Betrachtung schneiden die Türkei und Chile eher schlecht ab, obwohl bei Deckungsquoten von 55 % und 43 % auch nicht von einer besorgniserregend geringen Ausstattung mit Währungsreserven gesprochen werden kann. China nimmt auch beim Thema Fremdwährungsschulden eine Sonderposition ein: Mit fast 1,2 Bill. Dollar sind die absoluten Schulden immens hoch und machen fast ein Drittel der Dollar-Schulden aller Schwellenländer aus. Die Schuldenquote im Verhältnis zum BIP ist allerdings mit 11 % eine der geringsten, und die Währungsreserven liegen auch nach den Rückgängen der vergangenen Monate rund dreimal so hoch wie die Schulden.Die Weltwirtschaft geht ungewissen Monaten entgegen. Die Finanzierungsbedingungen dürften sich in den kommenden Monaten weltweit verschlechtern, auch wenn nur wenige Zentralbanken der Fed auf ihrem Erhöhungskurs folgen werden. Gleichzeitig zieht der einstige Konjunkturmotor China nicht mehr wie in früheren Jahren. In vielen Schwellenländern sind Wirtschaftsreformen in den Hintergrund getreten, weil Regierungen mit innen- und außenpolitischen Machtkämpfen beschäftigt sind. In diesem Umfeld kann der Konjunkturausblick nicht zuversichtlich ausfallen. Wenn Schwellenländer 2016 etwas stärker wachsen als 2015, liegt dies fast ausschließlich daran, dass Russland die schwere Rezession beendet und Brasilien zumindest weniger stark schrumpft. Die Wachstumsraten werden noch schwächer ausfallen, wenn es zu starken Verspannungen an den Finanzmärkten kommt. Hier wird es vor allem auf das Kommunikationsgeschick der Fed ankommen.Die jüngst veröffentlichten Zahlen der BIZ geben jedoch zusätzliche Sicherheit, dass es nicht zu einer Wiederholung der krisenartigen Zuspitzungen wie um die Jahrtausendwende kommen wird. Die Risikoprämien von Schwellenländerhartwährungsanleihen dürften daher zwar hoch bleiben, sie sollten aber nicht für längere Zeit nach oben ausbrechen. Es bleibt ein Markt für mittelfristig orientierte Investoren.—-*) Janis Hübner ist Volkswirt im Makro-Research der DekaBank.