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Venezuelas Staatsbonds auf Achterbahnfahrt

Von Mauro Toldo *) Börsen-Zeitung, 28.11.2013 Emerging-Markets-Investoren mit Engagements in Venezuela haben seit dem knappen Sieg von Nicolás Maduro bei den Präsidentschaftswahlen im April eine Achterbahnfahrt der Anleihekurse durchlebt. Zuletzt...

Venezuelas Staatsbonds auf Achterbahnfahrt

Von Mauro Toldo *)Emerging-Markets-Investoren mit Engagements in Venezuela haben seit dem knappen Sieg von Nicolás Maduro bei den Präsidentschaftswahlen im April eine Achterbahnfahrt der Anleihekurse durchlebt. Zuletzt ging es mit den Kursen wieder steil bergab, als die Spreads Anfang November die Marke von 1 200 Basispunkten (BP) durchbrochen haben. Wegen des sich abzeichnenden Kurswechsels in der US-Notenbankpolitik war der Spread in den Sommermonaten kurzfristig über die Marke von 1 100 BP gestiegen, bevor er im September auf unter 900 BP fiel. Preise eingefrorenAnlass für den jüngsten Kursrückgang von Venezuela-Anleihen ist vor allem die Befürchtung einer erneuten Radikalisierung der Politik. Im Fokus stehen vor allem die erneuten Angriffe der Regierung auf die private Wirtschaft. Anfang November beschloss die Regierung unter Maduro das Einfrieren der Preise von Elektrowaren, um die galoppierende Inflation zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang wurden auch Ladenbesitzer festgenommen, die die Preise nicht eingefroren hatten. Ihre Läden wurden von Sicherheitskräften besetzt und zum Teil von Passanten geplündert. Darüber hinaus hatte sich Präsident Maduro mit einer Sondervollmacht zur Korruptionsbekämpfung ausstatten lassen. Das von der Regierungspartei dominierte Parlament räumte Maduro mittels eines sogenannten “Ermächtigungsgesetzes” diese besondere Machtfülle ein. Ziel des Präsidenten ist es, sich mit “durchgreifenden Reformen” durchzusetzen.Bislang kann die Arbeit der Regierung Maduro allerdings bestenfalls als erratisch bezeichnet werden. Anfänglich hatten Beobachter nach dem Ableben des dogmatischen Chávez den Regierungswechsel mit der Hoffnung auf Besserung verbunden. Maduro hatte in seiner Amtszeit als Interimspräsident vor den Wahlen eine Anpassung des extrem verzerrten Wechselkurses vorgenommen – ein Zeichen für Pragmatismus. Nach seinem knappen Sieg im April hätte man zudem eine größere Bereitschaft für eine Zusammenarbeit mit der Opposition erwarten können. Diese Hoffnungen sind mittlerweile verflogen. Die Fronten mit der Opposition haben sich aufgrund der verschärften Rhetorik auf beiden Seiten verhärtet. Der Präsident bleibt sowohl bei der Bevölkerung, bei der seine Popularitätswerte kontinuierlich sinken, als auch in der eigenen Partei umstritten. Langfristiger SchadenDie jüngste Radikalisierung dürfte dazu dienen, bei seinen Anhängern vor den am 8. Dezember anstehenden Kommunalwahlen zu punkten. Es ist aber unklar, ob diese Strategie ihm noch helfen wird. Klar ist nur, dass er dem Land mit dieser Strategie langfristig schadet, weil er die Aussichten für Investitionen weiter verschlechtert. Die bisherigen Maßnahmen der Regierung verfolgen keine langfristige Strategie, sondern sind reiner Populismus. Das Einfrieren der Preise für Haushaltsgeräte wird die Inflation, die im Oktober über die Marke von 54 % stieg, nicht auf Dauer senken können. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Vielmehr wird diese Maßnahme zu einer weiteren Zuspitzung der im Lande herrschenden Warenknappheit führen.Die gestiegene Unsicherheit lässt sich auch am Devisenmarkt ablesen. Bereits vor Jahren führte Venezuela Kapitalverkehrsbeschränkungen ein. Dies ist auch über einen längeren Zeitraum möglich, da die venezolanische Regierung über ein weitgehendes Monopol bei den Devisen verfügt. Der bei weitem größte Devisenbringer des Landes ist die Ölindustrie, und diese befindet sich – mit nur wenigen Ausnahmen – in Staatsbesitz. Viele Unternehmen warten vergeblich über Monate auf Devisen für notwendige Importe und sind deshalb auf einen Kauf am Schwarzmarkt angewiesen. Dort liegt der Kurs für einen Dollar aktuell bei über 60 Bolívares (VEF). Zum Vergleich: Der offizielle Wechselkurs liegt bei 6,3 VEF/ Dollar. Eine baldige Anpassung beim Wechselkursmechanismus mit einer damit verbundenen Abwertung ist unabdingbar. Allerdings wird die Regierung zumindest bis nach den Kommunalwahlen darauf warten, denn eine Abwertung ist bei der Bevölkerung aufgrund des damit einhergehenden Inflationsanstiegs unpopulär.Die Regierung könnte nach den Kommunalwahlen einen Aufschub bekommen. Erst 2016 wäre dann eine Abstimmung über die Regierung Maduro in Form eines Abberufungsreferendums möglich – nach Ablauf einer halben Amtsperiode des Präsidenten. Das würde der Regierung zumindest etwas Zeit für Anpassungen geben, ohne in den Wahllokalen dafür bestraft zu werden. Die weitere Regierungspolitik wird deshalb auch vom Ergebnis der Kommunalwahlen abhängen. Geht Maduro gestärkt aus diesen hervor, könnte er sich leichter damit tun, seinen radikalen Kurs zu ändern. Kassiert er eine krachende Niederlage, könnte ihn seine Partei zu einem Wechsel zwingen und ihn dabei in seiner Stellung schwächen. Für das Land wäre daher ein knapper Sieg Maduros das wohl schlechteste Ergebnis. Ölpreis belastetVenezuela-Anleihen wurden in den vergangenen Wochen allerdings zudem durch den starken Rückgang der Ölpreise belastet. Das Land geriet in den vergangenen Jahren in immer stärkere Abhängigkeit von den Öleinnahmen. Die staatliche Ölgesellschaft PDVSA hat viele der Sozialprogramme der Regierung finanziert und dafür auf Investitionen verzichtet. Das hat dazu geführt, dass die Produktionskapazitäten in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind. Diese Verringerung der Produktion sind bislang durch Preisanstiege kompensiert werden. Doch seit Ende August ist der Ölpreis so stark gefallen, dass die Einnahmen für den Staat beeinträchtigt werden. Das konsolidierte Budget in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte in diesem Jahr ein fast zweistelliges Defizit verzeichnen. Die öffentliche Verschuldung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und liegt mittlerweile bei fast 50 % des BIP. Die Bedienung der internationalen Anleihen ist nicht unmittelbar gefährdet. Denn aktuell betragen die internationalen Reserven etwa 20 Mrd. Dollar und decken somit noch den gesamten externen Finanzierungsbedarf für 2014 ab. Allerdings hat das Land in den vergangenen Jahren den größten Teil seiner US-Staatsanleihen veräußert und stattdessen Gold gekauft. Der Wert der Reserven ist damit schwankungsanfälliger und die Veräußerbarkeit schwerer geworden. Die verstärkte Kapitalflucht macht die Aufgabe für die Zentralbank nicht einfacher. Bonität im AbwärtstrendDie Bonität Venezuelas befindet sich im Abwärtstrend. Doch kann die Regierung diese Dynamik mit einer pragmatischen Vorgehensweise bei der Wirtschaftspolitik ändern. Auf solche Signale hoffen wir nach den Kommunalwahlen am 8. Dezember. Sollten diese Signale ausbleiben, werden die Sorgen um die Zahlungsfähigkeit weiter zunehmen.—-*) Mauro Toldo ist Leiter Emerging Markets/Länderrisikoanalyse im Makro-Research der DekaBank.