Verhaltene Aussichten für den Ölpreis
Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtEnde November hat die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) den Ölmarkt kräftig aufgemischt. Erstmals seit acht Jahren ist es den Mitgliedern gelungen, sich auf konkrete Kürzungen ihre Fördermenge zu einigen. Zunächst ging es für den Ölpreis kräftig nach oben. Brent Crude erreichte Niveaus um 57 Dollar je Barrel. Seither hat der Ölpreis aber wieder leicht nachgegeben und sich dann seitwärts bewegt.Inzwischen zeichnet sich ab, dass der Opec der angestrebte ganz große Befreiungsschlag nicht geglückt ist. Das Kartell vermochte nicht wie erhofft den Ölpreis auf ein Niveau zwischen 60 und 70 Dollar zu hieven und dort zu halten. Und auch für das neue Jahr sieht es nicht danach aus, dass dies der Opec gelingen wird. Nur wenige Analysten erwarten, dass Brent Crude im Jahresverlauf nachhaltig über 55 Dollar je Barrel steigt. Mehr als eine nur sehr moderate Erholung des Ölpreises zeichnet sich damit nicht ab. Dafür gibt es mehrere Gründe.So gibt es erhebliche Zweifel, was die Bereitschaft der Opec-Mitglieder zur Einhaltung der Vereinbarung betrifft. Aktuell sind Zweifel vor allem hinsichtlich der Bereitschaft des Iran und des Irak angebracht. Die Regierungen haben begriffen, dass Kürzungen der eigenen Förderung vor allem ihrem Hauptfeind Saudi-Arabien dienen. Der größte Produzent innerhalb der Opec benötigt dringend höhere Einnahmen aus dem Ölgeschäft, um die eigene Bevölkerung durch staatliche Wohltaten ruhigzustellen. Mit Blick auf die angespannte Finanzlage hat sich Saudi-Arabien ungewöhnlich kompromissbereit gezeigt und in der Hoffnung auf mittelfristig steigende Einnahmen durch nachhaltig höhere Preise den Löwenanteil der Förderkürzungen übernommen. Der Iran wiederum arbeitet nach wie vor daran, alte Marktanteile von vor dem Atomstreit wiederzugewinnen. Ihm sind daher vorerst steigende Absatzmengen wichtiger als höhere Preise. Blick ins KleingedruckteFerner ist auch ein Blick ins “Kleingedruckte” der Opec-Vereinbarung aufschlussreich: Die Vereinbarung galt nicht sofort ab dem 30. November, also dem Tag ihres Abschlusses, sondern tritt erst jetzt ab Januar in Kraft. Daher haben sämtliche Mitglieder den Dezember dazu genutzt, um auf Teufel komm raus zu produzieren. Erstmals in ihrer Geschichte ist so die Opec auf eine Fördermenge von mehr als 34 Mill. Barrel pro Tag (bpd) gekommen. Im Mai läuft die Übereinkunft auch schon wieder aus, wobei derzeit nur schwer zu beurteilen ist, ob sich eine Anschlussvereinbarung finden lässt.So ist zum Beispiel nicht zu erwarten, dass Saudi-Arabien erneut bereit sein wird, den größten Teil der Lasten zu tragen. Zwar haben sich die Produzenten außerhalb der Opec erstmals in der Geschichte des Kartells mit einbeziehen lassen. Die Nicht-Opec-Länder werden etwa 560 000 bpd beisteuern. Allerdings ist auch hier ein Blick auf die Details interessant: Russland etwa hat sich auf 300 000 bpd verpflichten lassen – das aber auch nicht sofort ab dem 1. Januar, sondern durch zunehmende Kürzungen, bis im Mai die versprochene Reduzierung erreicht ist.Der wichtigste Faktor ist aber die Tatsache, dass die Preiserhöhung infolge des Opec-Beschlusses die nordamerikanischen Schieferölproduzenten dazu veranlassen wird, ihre Förderung wieder zu erhöhen. Dies fällt ihnen mittlerweile leichter als in den vergangenen Jahren, da es ihnen gelungen ist, ihre Kosten deutlich zu senken. Im Durchschnitt kostet es die nordamerikanischen Schieferölproduzenten nur noch knapp 30 Dollar, ein Barrel Öl zu fördern. Insofern kann behauptet werden, dass die Opec und Saudi-Arabien die Kontrolle über den Ölmarkt an die nordamerikanischen Produzenten verloren hat – mit der Folge, dass die Opec nach Ansicht der meisten Analysten kaum mehr eine Chance har, dauerhaft für eine Erholung des Ölpreises zu sorgen.