Versicherer PZU erfreut mit hohen Dividenden
Von Sebastian Becker, WarschauDer polnische Versicherer PZU gilt als eines der wichtigsten Unternehmen an der Warschauer Börse, die der größte Handelsplatz in Ostmitteleuropa ist. Darüber hinaus ist der Konzern mit Erlösen von rund 18 Mrd. Zloty (4,3 Mrd. Euro) einer der größten seiner Branche in der Region.Ein besonderes Merkmal der Firmenpolitik sind die Dividenden, die seit Jahren an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Der Aktienkurs hat in den vergangenen sechs Monaten zwar nur noch um rund 3 % auf 470 Zloty (etwa 112,98 Euro) zugelegt. Binnen drei Jahren hat sich der Wert der PZU-Aktie aber um mehr als 50 % erhöht.Doch seit knapp drei Monaten läuft es nicht mehr so rund. Das Papier büßte etwa 5 % ein. Das Bild, das der Markt zeigt, sieht entsprechend aus: Von elf Analysten, die Bloomberg auflistet, halten nur vier für PZU den Daumen nach oben und bewerten den Titel mit “Buy” oder “Overweight”. Fünf von ihnen stufen die Aktie auf “Hold” oder “Neutral” ein, während zwei das Polen-Papier sehr skeptisch sehen und es mit “Underweight” einstufen. Flaute avisiertAuch fundamental gehen die Analysten überwiegend von einer schwächeren Entwicklung aus. Der Gewinn je Aktie soll 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 3 % auf 36,83 Zloty (etwa 8,85 Euro) zurückgehen, schätzen die Analysten. Die Erlöse sollen den Konsensschätzungen zufolge um 9,2 % auf 17,7 Mrd. Zloty (4,3 Mrd. Euro) einbrechen. Damit wäre die stark aufsteigende Entwicklung, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat, bis auf Weiteres zu Ende. So hatte der Gewinn je Aktie zwischen 2010 und 2013 einen Sprung um etwa 35 % gemacht. Die Umsätze waren in diesem Zeitraum immerhin um rund 2 % gewachsen.Allerdings sind die Gründe für den jüngsten Kursrückgang nicht so offensichtlich. Denn das Aktienmarktumfeld ist gar nicht so schlecht. Die Leitzinsen sind vergleichsweise niedrig, so dass generell Engagements an der Börse nicht unattraktiv sind. Viele Rentenfonds verfügen derzeit über so viele Barmittel wie seit 2001 nicht. Sie könnten nun verstärkt Aktienkäufe tätigen. Zusätzlich dürfte das Umfeld noch günstiger werden. Denn viele Marktteilnehmer erwarten, dass die polnische Nationalbank demnächst weiter an der Zinsschraube dreht.Darüber hinaus bleibt PZU die Nummer 1 am polnischen Versicherungsmarkt, der innerhalb der Region zu den attraktivsten zählt, weil er über ein hohes Wachstumspotenzial verfügt. Die Polen sind hier relativ breit aufgestellt. Sie verfügen beispielsweise auch über eine Lebensversicherungssparte und engagieren sich in der Krankenversicherung – neben den Kfz-Versicherungen. Außerdem gehört eine Investmentfonds-Gesellschaft zur Gruppe, die Unternehmensangaben zufolge die größte ihrer Art in Polen ist, wenn es um den Wert des verwalteten Vermögens geht. Der Versicherer ist zudem für die Investoren attraktiv, weil er eine ausgiebige Dividendenpolitik betreibt. Für 2013 hat der Vorstand 4,7 Mrd. Zloty oder umgerechnet 1,1 Mrd. Euro ausgeschüttet.Grundsätzlich wird sich an dieser Dividendenpolitik nichts ändern, weil auch die Regierung unmittelbar davon profitiert. Denn der Staat verfügt über 35,2 % der Anteile und somit über das größte Aktienpaket. Man kann davon ausgehen, dass sich das Land diese wichtige Einnahmenquelle nicht nehmen lässt. Der Staat geht beispielsweise für 2015 davon aus, dass er über seine Anteile an den Unternehmen Einnahmen aus Dividenden von 4,5 Mrd. Zloty oder 1,1 Mrd. Euro erzielt. Erwartungen erfülltUnd geschäftlich gibt es eigentlich auch keinen Grund, warum der Kurs jetzt rückläufig ist. Das Unternehmen hat zwar zuletzt stark rückläufige Gewinne ausgewiesen. Doch liegen diese Ergebnisse noch im Rahmen der Erwartungen. Der Nettogewinn ist im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 23 % auf 843,5 Mill. Zloty oder 202 Mill. Euro geschrumpft. Und in den ersten neun Monaten schmolz das Plus um mehr als 7 % auf 2,56 Mrd. Zloty oder 615 Mill. Euro.Allerdings hatten in der Vergleichsperiode des Vorjahres zwölf Monate zuvor überwiegend hohe Gewinne für einen Ergebnisschub gesorgt – eine Entwicklung, die sich danach nicht wiederholen ließ. Deswegen seien diese Zahlen trotzdem sehr gut, hieß es von vielen Analysten. Deshalb ist dies auch weniger der Grund für den Kursverlust. Möglicherweise belastet eine weitere Unsicherheit: Der Vorstand hat bei der Präsentation der Drittquartalszahlen eine Überarbeitung der Strategie angekündigt. Dies sollte in den kommenden Wochen erfolgen, so das Management, ohne einen konkreten Termin zu nennen. Aktuell warteten die Aktionäre noch auf das Statement von PZU. Ein Sprecher wollte auf Anfrage keinen Termin nennen.Der angekündigten Neubewertung misst Analyst Bernd Maurer von der Wiener Raiffeisen Centrobank keine große Bedeutung bei: “Es dürften keine allzu großen Veränderungen zu erwarten sein”, sagte er. Der Fokus des Unternehmens wird seinen Aussagen zufolge weiterhin auf dem Autoversicherungsgeschäft liegen. Möglicherweise werde sich das Unternehmen stärker in der Krankenversicherung engagieren, glaubt er. In die Top 10 aufgenommenDeshalb ist für ihn ein anderer Grund entscheidend. “Die Ursachen für die Rückgänge sind im Marktumfeld zu suchen”, betont er. Die Preise insbesondere beim Autoversicherungsgeschäft waren seiner Beobachtung nach rückläufig. Sollte sich die Lage in diesem Bereich verbessern, sieht es für PZU und ihre Aktionäre nicht schlecht aus. Die Analysten von J. P. Morgan Cazenove führen den Titel in ihrer Liste der “Strategy Top 10” aus Zentral- und Mitteleuropa, dem Nahen Osten und Afrika. PZU sei ein solider Dividendenlieferant mit einem hoch profitablen Lebensversicherungsgeschäft.