Visionär
gbe – Seth Merrin wechselt dieser Tage die Seiten: Der Gründer der Aktienhandelsplattform Liquidnet geht nun auch mit einem Bondhandelsplatz an den Start. Möglicherweise gelingt dem amerikanischen Visionär damit sein zweiter großer Wurf. Der erste datiert aus dem Jahr 2010. Damals hatte Merrin die Idee, in den USA ein Handelsnetzwerk für institutionelle Investoren aufzuziehen, in dem sie ohne die Einschaltung der großen Investmentbanken miteinander Geschäfte machen können.Die Idee schlug ein, mittlerweile sind mehr als 770 Asset Manager mit verwalteten Vermögen in Höhe von rund 13 Bill. Dollar an die Plattform angeschlossen, und Liquidnet ist auch in Europa eine wichtige Handelsplattform geworden. Derzeit versuchen seine Sales-Leute, die Asset Manager davon zu überzeugen, künftig auch Anleihen über Merrins Bondplattform zu handeln.Der 54-jährige Merrin gilt als Problemlöser und Tüftler. 1985 zog er sein erstes Start-up Merrin Financial hoch, es handelte sich – wenig überraschend – um ein Order-Management-System. 1990 war er Mitgründer von VIE Systems. Mit Liquidnet gelang ihm dann der große Wurf.Hauptsitz des Unternehmens ist New York, hinzu kommen Büros in Boston, San Francisco, London, Hongkong, Singapur, Sydney, Tokio und Toronto. Nachdem der Aktienhandel gut angelaufen ist, dachte sich Merrin: “Das geht auch in anderen Anlageklassen”, berichten seine Mitarbeiter. Und da die angeschlossenen Asset Manager Merrin zufolge auf 85 % der Unternehmensanleihen europäischer und amerikanischer Emittenten sitzen, schien der Schritt in den Bondhandel eine stimmige Weiterentwicklung.Im vergangenen Frühjahr kaufte Merrin zunächst die 2010 gegründete Bondhandelsplattform Vega-Chi. Deren Technologie ist die Grundlage für die neue Plattform, die der größte Liquiditätspool für Unternehmensanleihen werden soll, geht es nach Merrin, dessen Vermögen von Forbes auf 225 Mill. Dollar geschätzt wird.Ganz rund ist das Jahr 2014 für den Unternehmer allerdings nicht gelaufen. Im Juni verdonnerte die US-Börsenaufsicht SEC Liquidnet dazu, 2 Mill. Dollar Strafe zu zahlen, weil ihr die Informationspraxis des Handelsplatzbetreibers nicht passte. Liquidnet habe einem seiner Kunden im Dark Pool Vorzugsbedingungen gewährt, dieses Vorgehen aber eingeräumt und bereits 2012 eingestellt, als die SEC-Ermittlungen bekannt wurden.Dabei machte Merrin eine vergleichsweise gute Figur. “Wenn wir Mist bauen, müssen wir den Menschen sagen, dass wir Mist gebaut haben”, sagte er im Juni 2012. “Es ist wichtig für uns, unsere Glaubwürdigkeit zu behalten. Das waren Versehen, Fehler durch Unachtsamkeit – nicht aus Absicht.”Obwohl die SEC einige Schwächen aufgedeckt habe, sei kein Kunde je bei einem Handelsgeschäft benachteiligt worden, versicherte Merrin im Sommer 2012 in einer E-Mail an seine Kunden, darunter neben Asset Managers auch Hedgefonds und Pensionsfonds.