Nachhaltige Investments

Vollgas auf Grün

Grüne und nachhaltige Investments lohnen sich für Investoren. Sie gewinnen auch bei Privatanlegern zunehmend an Bedeutung und werden zum neuen Investmentstandard für die Fondsbranche. Die Offenlegungsverordnung sorgt für mehr Transparenz.

Vollgas auf Grün

Fast alles dreht sich inzwischen am Kapitalmarkt um grüne Investments. „Dass wir einmal eine Situation wie heute haben, in der sich jedes institutionelle Mandat um ESG dreht, hätte ich vor zehn Jahren nicht erwartet“, sagt Götz Albert, Chief Investment Officer (CIO) des Frankfurter Vermögensverwalters Lupus Alpha, auf einem digitalen Event zu ESG (Environment, Social und Governance). Doch nicht nur institutionelle Investoren, auch private Fondsanleger setzen mehr und mehr auf grüne Produkte. „Das Segment der nachhaltigen Fonds ist im Vergleich noch jung, wächst aber mit rasanter Geschwindigkeit“, erklärt Alexander Schindler, Präsident des deutschen Fondsverbands BVI. Mit 20,6 Mrd. Euro wurde 2020 knapp die Hälfte des Neugeschäfts bei Publikumsfonds in Deutschland mit nachhaltigen Fonds erzielt. „2017 lag der Anteil am Neugeschäft noch bei 6 %.“

Nachhaltigkeit ist in aller Munde, und manchem Kapitalmarktteilnehmer fällt es schwer, angesichts der Fülle von Informationen, Studien und Marketingaussendungen noch den Wald vor lauter Bäumen zu sehen. Da hilft ein nüchterner Blick auf Zahlen und auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Grüne Geldanlagen boomen, denn immer größere Summen werden weltweit und hierzulande in grüne Investments inklusive nachhaltig ausgerichteter Fonds und ETFs gesteckt. „Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der sich noch verstärken wird“, erklärt der Hamburger Professor Timo Busch im Interview mit rendite (vergleiche Seite 24 und 25). Denn Nachhaltigkeit lohnt sich, und das nicht allein für die Umwelt und zum Erhalt eines lebenswerten Planeten Erde, sondern auch für Investoren unter Risiko-Ertrags-Gesichtspunkten. Wobei es aber bei grünen Investitionen für Anleger auch Fallstricke wie Greenwashing gibt, die es zu beachten gilt.

Eine immense Herausforderung stellt der Nachhaltigkeitsboom für Fondsanbieter dar. Denn Gesellschaften, die auf diesem Feld nicht entsprechend punkten können, werden an Assets und an Bedeutung verlieren. Letzteres gilt auch für die Intermediäre, die Berater. Hier stellt Professor Busch einen „immensen Schulungsbedarf fest“. Und Björn Drescher, Vorstand beim Beratungsunternehmen Drescher & Cie., erklärt: „Für Finanzintermediäre fängt die Pflicht jetzt erst einmal an.“

Doch nun diese zentralen Aussagen noch einmal im Detail der Reihe nach. Grüne Investments boomen, ihr Wachstum hat sich vor allem in den vergangenen Jahren beschleunigt, wie alle bedeutenden Statistiken zeigen. Der von Larry Fink, CEO und Chairman des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock, titulierte „Why not?“-Moment ist da, Investoren fragen inzwischen nicht mehr, warum sie nachhaltig investieren sollen. Sie fragen stattdessen: Warum nicht? Schließlich möchte jeder mit seinen Investments Gutes bewirken, wenn sich dies auch noch unter Risiko-Ertrags-Gesichtspunkten lohnt.

Kritische Masse erreicht

Dies bestätigt auch eine Umfrage von Natixis unter 3 600 professionellen Investoren wie Großanlegern, Fondsselektoren und Finanzberatern. Demnach hat das ESG-Investing inzwischen die „kritische Masse“ erreicht. 72 % der institutionellen Investoren sowie 77 % der Fondsselektoren nutzen laut der Befragung inzwischen nachhaltig ausgerichtete Investmentstrategien. Mit Rekordzuflüssen in grüne Fonds und einer bis dahin beispiellosen Auflage neuer ESG-Fonds habe das Wachstumstempo von nachhaltigen Produkten einen historischen Sprung gemacht. Und nach Meinung von Natixis dürfte es auch in diesem Jahr so weitergehen. Denn 68 % der Fondsselektoren planen für 2021 eine Erweiterung ihres ESG-Engagements.

Bei den Institutionellen ist also nachhaltige Geldanlage längst Mainstream, ein Megatrend, der Bestand haben wird. Lupus-Alpha-CIO Albert erklärt: „ Es gibt kein Gespräch mit Investoren, in dem das nicht ein zentrales Thema ist, in dem Nachhaltigkeit nicht eine große Rolle spielt.“ Investmenthäuser und Fondsanbieter, die ihren institutionellen Kunden nicht ein entsprechendes ESG-Know-how sowie nachhaltige Produkte anbieten können, bekommen Probleme. Daher haben alle großen Fondsgesellschaften sowie auch etliche kleinere ihre ESG-Kompetenz in den vergangenen Jahren und Monaten massiv ausgebaut. Wobei gegenüber Investoren auch die Mitgliedschaft in verschiedenen Verbänden und Initiativen helfen mag, die eigene Nachhaltigkeitskompetenz zu unterstreichen. So hat zum Beispiel Lupus Alpha die UN PRI – Principles for Responsible Investment unterschrieben. Dies hat laut CIO Götz bei Investoren zu einer positiven Resonanz geführt.

Im Vergleich zum Stand von vor zwei oder drei Jahren hat sich geändert, dass die grüne Revolution nun auch die Privatanleger erreicht hat. Dies geht einher mit einer wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Gesellschaft, dafür stehen nicht zuletzt auch Klimaaktivistinnen wie Greta Thunberg (vergleiche auch den Artikel zu Klimafonds von Seite 36 bis 41). „Viele private Anleger haben damit hingegen erst in den letzten Jahren begonnen“, so BVI-Präsident Schindler zum Sparen in nachhaltigen Fonds. Immerhin entfielen nicht nur 2020, sondern auch bereits 2019 hohe 48 % der Mittelzuflüsse in offene Publikumsfonds hierzulande auf nachhaltige Produkte. Die in nachhaltigen Fonds angelegten Gelder klettern überdurchschnittlich und lagen Ende 2020 bei 147 Mrd. Euro.

Und die Fondsindustrie legt denn auch verstärkt nachhaltige Fonds und börsengehandelte Indexfonds, kurz ETFs, auf. Vor allem bei den ETFs weisen nachhaltige Produkte, ausgehend von einem allerdings niedrigen Niveau, sehr hohe Wachstumsraten auf. Betrug das Volumen der weltweit in ESG-ETFs verwalteten Gelder Ende 2018 nach Angaben des unabhängigen Analysehauses ETFGI gerade einmal 25 Mrd. Dollar, so waren es Ende 2019 bereits 61 Mrd. Dollar und Ende 2020 schon 187 Mrd. Dollar. Ende Februar wurde dann mit 227 Mrd. Dollar erneut ein Rekordvolumen erreicht. Einher ging dieses Wachstum mit einer Produktoffensive der ETF-Industrie bei ESG sowie Rekorden bei den Mittelzuflüssen. Diese betrugen im Februar 21 Mrd. Dollar und in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres in Summe 41 Mrd. Dollar. Weltweit ist die Zahl der ESG-ETFs von 234 Ende 2018 auf 527 Ende Februar geklettert.

In Europa boomen die nachhaltigen ETFs noch stärker als weltweit. So stellt Lyxor in ihrem Money Monitor fest, dass ESG-ETFs von einem „beispiellosen Nachfragetrend“ profitieren und „gefragt wie nie“ sind. So betrugen die Mittelzuflüsse in ESG-ETFs in den ersten drei Monaten dieses Jahres satte 28,6 Mrd. Euro im Vergleich zu 6,2 Mrd. Euro im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Damit entfielen 57 % der neu in europäische ETFs investierten Gelder auf ESG-Produkte.

Mehrere Gründe sprechen dafür, dass es bei der Nachfrage privater Anleger jetzt zu einem Schub kommen wird, sowohl bei ETFs als auch bei aktiven Fonds. Da ist zum einen die Vielzahl neuer Produkte, die es Investoren ermöglichen, passgenau in Nachhaltigkeit zu investieren. So hat zum Beispiel die DWS-ETF-Tochter Xtrackers eine Produktoffensive angekündigt und will alle ETFs auch als ESG-Variante anbieten. Zum anderen sorgt die neue EU-Offenlegungsverordnung zur Nachhaltigkeit von Fonds für mehr Transparenz, insbesondere aus Sicht der Privatanleger, die bei der Beurteilung von Nachhaltigkeitskriterien bislang häufig überfordert waren. (vergleiche auch den Artikel zur Offenlegungsverordnung von Seite 32 bis 35). Jetzt wissen Anleger, was ein nachhaltiges Produkt ist, und können entsprechend investieren.

Für die Fondsindustrie kommt dies einer historischen Chance gleich, denn die Anbieter können jetzt mit gemäß EU-Taxonomie ausgewiesenen nachhaltigen Produkten punkten. Vor diesem Hintergrund hat sich zum Beispiel BlackRock zum Ziel gesetzt, dass 70 % ihrer aufgelegten Fonds und Neupositionierungen in Europa gemäß der EU-Offenlegungsverordnung als Artikel-8- oder Artikel-9-Produkte eingestuft werden. Auch andere Häuser streben möglichst viele als nachhaltig eingestufte Fonds in ihrer Produktpalette an.

Insgesamt sind nachhaltige Geldanlagen ein Wachstumssegment, wie auch der Jahresbericht des Forums nachhaltiger Geldanlagen unterstreicht. So sind die in Deutschland in nachhaltigen Fonds und Mandaten verwalteten Gelder von 2018 auf 2019 um 37 % auf 183,5 Mrd. Euro gestiegen (vergleiche Grafik). Auch der neue Marktbericht für 2020, der am 7. Juni veröffentlich wird, wird ein weiteres sehr kräftiges Wachstum aufzeigen.

Doch lohnen nachhaltige Investments überhaupt, wenn man einmal von der für Umwelt und Gesellschaft positiven Lenkungswirkung absieht? Vor ein paar Jahren gingen Investoren noch von einem Performance-Malus für nachhaltige Fonds aus, so dass sie sich bei nachhaltigen Anlagen tendenziell eher ein wenig zurückhielten. Inzwischen haben zahlreiche Untersuchungen gezeigt, dass sich eine nachhaltige Ausrichtung für Investoren unter Risiko-Ertrags-Aspekten ganz klar lohnt. In einer Metastudie, die auf etlichen seit den 1970er Jahren veröffentlichten Primärstudien aufbaut, haben die Professoren Timo Busch und Alexander Bassen sowie Fondsmanager Gunnar Friede von der Deutschen Asset Management (die heute wieder DWS heißt) die Auswirkungen der Anwendung von ESG-Faktoren untersucht. „Unsere umfassende Metastudie, die bereits 2015 erschienen ist, beruht auf mehr als 2 000 wissenschaftlichen Primärstudien und kommt zu dem klaren Ergebnis, dass ein positiver Zusammenhang zwischen finanzieller Performance und ESG-Performance besteht“, erklärt Busch. „Inzwischen haben Wissenschaftler mehr als 1 000 weitere Studien untersucht, die zwischen 2015 und 2020 zu diesem Thema veröffentlich wurden. Diese neue Metastudie unterstreicht unsere Ergebnisse.“ Dass sich Nachhaltigkeit lohnt, hat auch Analyst Ali Masarwah von Morningstar in einer Untersuchung im vergangenen Jahr festgestellt. Denn ein wesentlich höherer Prozentsatz der ESG-Fonds erhält eine Top-Bewertung von vier oder fünf Sternen der Ratingagentur als im gesamten Fondsuniversum. Laut Morningstar steht gerade ESG für das, was Investoren bei Firmen gerne mögen: Qualität, finanzielle Gesundheit und niedrige Volatilität, sprich Stabilität.

Vom Saulus zum Paulus

Unternehmen, die nachweislich nicht nachhaltig arbeiten, sondern der Umwelt in großem Ausmaß schaden, werden vom Kapitalmarkt abgestraft. Bei VW stand infolge des Dieselgate-Skandals im September 2015 die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel, inzwischen hat sich der Konzern aber nach Ansicht von Merck Finck vom „Saulus zum Paulus“ entwickelt und profitiert von der Neuausrichtung hin zur E-Mobilität.

Dass sich Nachhaltigkeit lohnt und nicht mit einem Performancenachteil verbunden ist, dieses Ergebnis bestätigen auch ausgewählte nachhaltig ausgerichtete aktive Aktienfonds, die häufig bereits seit etlichen Jahren auf dem Markt sind (vgl. Tabelle). Nicht allein, dass die verwalteten Gelder dieser Fonds stetig zulegen. Auch die langfristige Performance dieser Produkte stimmt.

Besonders hoch fällt die Wertentwicklung über ein Jahr aus. Dies ist aber zu einem Großteil dem Einbruch durch den Coronacrash sowie der anschließenden Hausse geschuldet. Darüber hinaus haben aber auch viele nachhaltig ausgerichtete Aktien, wie insbesondere Technologiewerte oder auch Cleantech-Titel, auf Jahressicht deutlich zugelegt. Viele Fondsanleger haben sich zuletzt gefreut: Nachhaltig investiert und einen großen Wertzuwachs erzielt! Auf Sicht von zehn Jahren haben fast alle weltweit ausgerichteten nachhaltigen Aktienfonds eine Performance von mindestens 10 % pro Jahr erwirtschaftet. Besonders gut schneidet dabei der Generation Global von Lombard Odier ab, der auf einen Wertzuwachs von 15,4 % pro Jahr kommt. Mit einer Performance über zehn Jahre von 12,6 % p. a., 12,2 % p. a. und 11,8 % p. a. erzielten auch der BMO Responsible, der NN Global Sustainability und der LGT Sustainable Equity Fund eine überdurchschnittlich hohe Performance. Eines zeigt die Tabelle auch: Nachhaltig ausgerichtete Aktienfonds sind nicht völlig neu. Dass grüne Anlagen jetzt mehr denn je gefragt sind und die verwalteten Gelder massiv klettern, stellt den großen Umbruch dar.

Nachhaltigkeit hat inzwischen so eine große Bedeutung für die Märkte, dass BlackRock den Klimawandel künftig in ihre Kapitalmarktannahmen mit einbezieht. „Die meisten Experten ignorieren die Effekte des Klimawandels in ihren Konjunkturprognosen beziehungsweise langfristigen Renditeerwartungen. Das halten wir für falsch“, schreiben Philipp Hildebrand, Vice Chairman bei BlackRock, und das BlackRock Investment Institute (BII) in einem aktuellen Bericht. „Unsere Renditeerwartungen – die Bausteine unserer strategischen Vermögensaufteilung – spiegeln jetzt die Folgen des Klimawandels für die Anlagewelt.“

Der US-amerikanische Vermögensverwalter bewirbt die Maßnahme als wichtigen Schritt, um Nachhaltigkeit zum neuen Investmentstandard zu machen. „Wir sind der Ansicht, dass der Übergang in eine nachhaltigere Welt Wachstum fördert und eine historische Anlagechance bietet“, führt Hildebrand aus.

Beachten müssen Investoren bei grünen Investments gleichwohl einige Fallstricke. Grün ist nicht per se wertschaffend, es ist schon ein genauer Blick auf die jeweiligen Assets notwendig. So sind zehnjährige Bundesanleihen derzeit für Bestandhalter ein sicheres Verlustgeschäft, ob als normale oder als grüne Bunds. Und auch grün ausgerichtete Firmen können pleitegehen, insbesondere wenn eine zuvor üppige staatliche Förderung wegfällt, wie an den deutschen Herstellern von Solarmodulen zu sehen war.

Die Zukunft ist grün

Und natürlich gibt es Greenwashing, mit dem nicht wirklich nachhaltig ausgerichtete Produkte als grün vermarktet werden, allein aus Marketinggesichtspunkten heraus. Zudem fordert die zunehmende Regulierung den Fondsanbietern erhebliche Ressourcen ab, Kritiker warnen in bestimmten Punkten gar vor einer Überregulierung. Allerdings wächst somit auch die Transparenz erheblich. Hier ist vor allem die neue EU-Offenlegungsverordnung für nachhaltige Fonds ein wichtiger Schritt.

Alles in allem ist die Zukunft der Kapitalanlage grün und nachhaltig. Die entsprechend verwalteten Assets werden nun, da auch private Anleger nachhaltige Produkte kaufen, kräftig wachsen. Grün lohnt sich und gibt jetzt Vollgas.