GASTBEITRAG ZUR SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (96)

Vollständige Integration von ESG-Faktoren besserer Weg

Börsen-Zeitung, 23.11.2019 Mit einer zunehmend verantwortungsbewussteren Haltung der Investoren gegenüber der Nachhaltigkeit ihrer Geldanlagen steigt der Bedarf nach nachhaltigen Anlagekonzepten. Diese folgen bei ihren Investmententscheidungen nicht...

Vollständige Integration von ESG-Faktoren besserer Weg

Mit einer zunehmend verantwortungsbewussteren Haltung der Investoren gegenüber der Nachhaltigkeit ihrer Geldanlagen steigt der Bedarf nach nachhaltigen Anlagekonzepten. Diese folgen bei ihren Investmententscheidungen nicht nur rein ertragsorientierten, sondern im selben Maße auch Aspekten in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG). Die Herausforderung im Portfoliomanagement liegt dabei vor allem in der Gestaltung des Investmentansatzes, da sich regulatorische Vorgaben wie die EU-Taxonomie oder die Zertifizierung von Finanzprodukten unverändert in der Entwicklungsphase befinden. KonzentrationsrisikenNachhaltiges Investieren wird zumeist über Ausschlusslisten umgesetzt. Selbst diese scheinbar einfache Übung birgt jedoch einige Tücken. Durch den Ausschluss bestimmter, wenig nachhaltiger Unternehmen oder Branchen (z. B. Öl/Gas, Alkohol, Tabak) ergeben sich signifikante Nebeneffekte, wie etwa Übergewichte in den verbleibenden Branchen (typischerweise Finanzen und Technologie) mit potenziell negativen Auswirkungen und erhöhten Risiken. Wie immer ist auch im Falle von ESG-Investments die ganzheitliche Kontrolle von ungewollten Nebeneffekten essenziell, insbesondere auch um Risiken relativ zur Benchmark zu begrenzen. Die Berücksichtigung sämtlicher Wert- und Risikotreiber wie etwa Sektor-/Länder-/Faktor-Ausprägungen in der Portfolio-Konstruktion hilft, derartige Risiken von vorneherein zu vermeiden.Auf das Problem durch den Einsatz stark restriktiver Ausschlusslisten entstehenden Konzentrationsrisiken weist auch die “EU Technical Expert Group on Sustainable Finance” hin. Einige unter nachhaltigen Gesichtspunkten kritisch gesehene Energieträger und Rohstoffe sind aus wirtschaftlicher Sicht nicht sofort ersetzbar. In ihrem Zwischenbericht vom Juni dieses Jahres leitet die Kommission den Fokus daher ebenfalls weg von harten Ausschlusslisten hin zu Best-in-Class-Ansätzen und aktiver Einflussnahme der Investoren. So fordern die Regularien für die kommenden “EU Climate Benchmarks” unter anderem gerade auch eine Allokation zu sogenannten High-Impact-Sektoren wie z. B. Energie und Versorger, um so den Klimaschutz an den entscheidenden Stellen voranzubringen.Eine gerade in diesen Sektoren sehr vereinfachte Form des nachhaltigen Investierens stellen sogenannte Green Bonds dar. Diese dienen einem klar bezeichneten nachhaltigen Verwendungszweck, beispielsweise der Finanzierung eines Windparks. Obwohl die Anzahl dieser Emissionen in den letzten Jahren stark gewachsen ist, finden sich derzeit nur wenige Emittenten aus den höher rentierlichen Segmenten. Auch hier begegnen Investoren der Schwierigkeit, mit Green Bonds eine ausreichende Diversifikation zu erreichen. Zusätzlich entstehen dem Anleger auch noch zusätzliche, klar quantifizierbare Kosten einer Nachhaltigkeitsprämie, die die Emittenten aufgrund des begrenzten Angebotes bei der Begebung ihrer Anleihe verlangen. Aufgrund der identischen Ausfallwahrscheinlichkeit und Verwertungsquote unterscheiden sich Green Bonds dabei hinsichtlich ihres Risikogehaltes keineswegs von anderen Senior-Anleihen des Emittenten. Außerdem wird ein Green Bond-Status zwar von anerkannten Ratingagenturen wie Sustainalytics vergeben, dieser folgt allerdings keinem einheitlichen Standard. Viel entscheidender ist jedoch, dass so lediglich Auskunft über die Nachhaltigkeit der Anleihe, nicht aber des emittierenden Unternehmens gegeben wird. Somit bietet dieser Ansatz aus unserer Sicht eine nur unzureichende Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Investments und berücksichtigt dabei auch jeweils nur einen der drei ESG-Aspekte. Rating-Diskrepanzen nutzenEin deutlich besserer und zielgerichteter Weg ist die vollständige Integration von ESG-Kriterien in den Investmentprozess, wie ihn auch Assenagon verfolgt. Dabei werden für den Unternehmenserfolg relevante Faktoren, die bei Green Bonds sowie in einer rein fundamental basierten Kreditanalyse kaum oder gar keine Berücksichtigung finden, explizit als Werttreiber identifiziert. Hierzu zählen unter anderem das sogenannte Transition Risk, also die Fähigkeit eines Unternehmens, sich an politische, rechtliche und technologische Änderungen anzupassen, als auch das physische Risiko, das sich aus realen Umweltveränderungen und deren ökonomischer Bedeutung ergibt. Beide Parameter werden zukünftig einen signifikanten Einfluss auf den finanziellen Erfolg eines Unternehmens aufweisen. Auch externe Kredit-Ratingagenturen werden in zunehmendem Maße diese Aspekte in das Kredit-Rating mit einfließen lassen, auf dessen Basis sich unter anderem die Kreditrisikoprämie einer Anleihe bildet. Am aktuellen Beispiel des negativen Ausblicks des französischen Versorgers Electricité de France SA (EDF) durch S&P, der für Erstrang- wie auch Green Bonds gleichermaßen gilt, wird deutlich, dass Ratingagenturen das Umsetzungsrisiko bei Atomprojekten und die operativen Risiken sehr wohl kritisch beurteilen. Es lohnt sich daher, vorherrschende Diskrepanzen zwischen dem Nachhaltigkeits- und Kredit-Rating eines Unternehmens zu nutzen, so wie es der Investmentansatz von Assenagon vorsieht. Wichtiger ErtragsfaktorDie Einbeziehung von ESG-Kriterien in die holistische Unternehmensbewertung bietet die Möglichkeit, diese Faktoren bereits heute entsprechend zu berücksichtigen. Auf Basis dieser Informationen lässt sich ein nachhaltiges Investmentportfolio erstellen, das sich sowohl für aktuelle als auch zukünftige Anforderungen gewappnet zeigt und deutlich positiv vom Gesamtmarkt abhebt. Über Stimmrechtsausübung und aktive Einflussnahme kann der Investor zusätzlich nachhaltige Initiativen unterstützen. Dadurch ist gewährleistet, dass sich Nachhaltigkeit in einem Portfolio nicht zu einem Kosten-, sondern vielmehr zu einem wichtigen Ertragsfaktor entwickelt. Co-Autoren dieses Beitrags sind Daniel Jakubowski und Stefan Magerl. Michael Hünseler, Head of Credit Portfolio Management, Assenagon Asset Management