Geld oder BriefTesla

Vom Technologieriesen zum gewöhnlichen Autobauer

Die Profitabilität von Tesla ist auf den branchenüblichen Standard abgesackt, die Wachstumsaussichten haben sich eingetrübt. Analysten sehen die Einführung neuer Produkte als einzige Möglichkeit, der Aktie neuen Auftrieb zu verleihen – doch droht sich die Entwicklung zu verzögern.

Vom Technologieriesen zum gewöhnlichen Autobauer

Geld oder Brief

Tesla wird vom Tech-Riesen zum Autobauer

Von Alex Wehnert, New York

Tesla gibt sich den Anstrich eines wachstumsstarken Technologieriesen – und ist doch mit den Problemen eines gewöhnlichen Autobauers konfrontiert. Die Profitabilität, von anderen Fahrzeugherstellern einst neidvoll beäugt, ist längst auf Branchenstandard eingebrochen. So belief sich die operative Marge im Schlussquartal 2023 lediglich auf 8,2% und lag damit weit entfernt von den Werten zwischen 14 und 20%, an die Anleger noch aus dem vorangegangenen Jahr gewöhnt waren. Hintergrund sind die umfangreichen Rabatte, mit denen Tesla seit Ende 2022 versucht, die Nachfrage zu stützen.

Konkurrenz rudert bei Stromern zurück

Das Interesse an Elektroautos in den USA wächst allgemein wesentlich langsamer als erhofft, wie auch Branchenköpfe um Ford-CEO Jim Farley eingeräumt haben. Der Traditionskonzern aus Michigan will nun bis Jahresschluss 2024 die Marke von 600.000 E-Autos pro Jahr erreichen – eigentlich hatte er diese für 2023 angepeilt. Konkurrenten wie General Motors, die Hybride in der Entwicklung überspringen wollten, müssen inzwischen zurückrudern. Denn Fahrzeuge mit zwei Antriebsquellen sind bei Kunden wesentlich beliebter als reine Stromer.

Während GM neben Hybriden zahlreiche neue Elektro-Modelle in der Pipeline hat, ist die Produktpalette bei Tesla nach Meinung von Analysten längst überholt. Bis auf optische Überarbeitungen hat das zentrale Lineup des in Austin ansässigen Unternehmens seit der Vorstellung des Model Y Anfang 2019 kaum Änderungen erfahren. Der Cybertruck, dessen erste Exemplare Tesla Ende November auslieferte, galt zwar als Hoffnungsträger für einen neuen Absatzschwung – allerdings erschwert es sein komplexes Design, die Produktion hochzufahren, wie selbst CEO Elon Musk einräumt.

Hoffnung auf neues Modell

Bei der Zahlenvorlage in der vergangenen Woche warnte Tesla vor einem "merklich" langsameren Wachstum im laufenden Jahr. Die vage Formulierung erachten einige Analysten sogar als vorteilhaft – denn der Autobauer sei somit anders als 2023 nicht gezwungen, krampfhaft spezifischen Zielen nachzujagen. Musk sieht Tesla gar "zwischen zwei großen Wachstumswellen", die Arbeit am Fahrzeug der nächsten Generation sei schon "sehr weit vorangeschritten". Angeblich will das Unternehmen Ende 2025 in Texas mit der Produktion eines neuen Massenmarktvehikels auf Basis einer neuen, kosteneffizienten Fertigungsplattform beginnen. Einen Prototyp oder auch nur Entwürfe hat Tesla bislang aber nicht vorgestellt.

Da selbst nach einem pünktlichen Produktionsstart des neuen Modells Monate vergehen könnten, bis die Kapazität in der Fertigung ausgeschöpft werde, sehen Automobilexperten Tesla nun vor einer zweijährigen Durststrecke. Entsprechend hat sich die Analystenstimmung für die Aktie abgekühlt. Rieten im Frühjahr 2023 laut Bloomberg noch mehr als die Hälfte der Investmenthäuser, die den Titel regelmäßig beobachten, zum Kauf, sind es inzwischen nur noch 35,6%. Mit 44,1% votiert der größte Anteil auf "Halten", doch immerhin 20,3% raten nun zum Verkauf.

Hohe Bewertung

J.P. Morgan sieht angesichts der bereits hohen Bewertung eher Potenzial für Rückschläge. Tesla kommt auf Basis der Schätzungen für die kommenden zwölf Monate auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 60 – dieses fällt damit doppelt so hoch aus wie bei Nvidia, dem derzeit wohl mit den am höchsten fliegenden Zukunftshoffnungen begleiteten amerikanischen Tech-Wert. Wie der Chipdesigner will auch der E-Autobauer vom Boom bei künstlicher Intelligenz profitieren – sieht sich dabei aber mit einem Ultimatum seines Vorstandschefs konfrontiert.

Musk schrieb auf seiner Plattform X zuletzt, dass er es vorziehen würde, KI- und Robotikprodukte andernorts zu entwickeln, sofern er nicht rund 25% der Tesla-Anteile kontrolliere. Bisher ist er mit etwas mehr als 12,9% größter Aktionär. Einen Vergütungsplan, in dessen Rahmen Tesla Musk Aktienoptionen im Wert von bis zu 55,8 Mrd. Dollar zuteilte, erklärte ein Gericht in Delaware in der laufenden Woche allerdings für ungültig. Musk und Tesla könnten in Berufung gehen, Wirtschaftskanzleien schätzen die Aussichten auf Erfolg aber als gering ein. Für Hoffnungen, dass der CEO sich mit Elan an die Entwicklung neuer Produkte setzt und der im laufenden Jahr dahinsiechenden Aktie neuen Schwung verleiht, bedeutet dies einen harten Dämpfer.