IM INTERVIEW: WERNER HOYER, EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK (EIB)

"Von der Krise profitiert niemand"

EIB-Chef über die Aufstellung seines Hauses am Bondmarkt und die Veränderungen durch die Krise

"Von der Krise profitiert niemand"

– Herr Hoyer, welches Refinanzierungsvolumen wird die EIB im kommenden Jahr über die Geld- und Anleihemärkte realisieren?Das geplante Mittelbeschaffungsprogramm entspricht im Wesentlichen dem Programm für 2016 und beläuft sich auf rund 60 Mrd. Euro.- Welches Funding-Volumen hatten Sie in diesem Jahr?Bisher haben wir mehr als 66 Mrd. Euro aufgenommen, wobei ein Teil der Mittel bereits für 2017 vorgesehen ist. Das Zielvolumen für 2016 war bereits im Oktober erreicht.- Wird das Marktumfeld aufgrund der anstehenden Wahlen in Europa und den Brexit-Verhandlungen sowie der damit einhergehenden Unsicherheit an den Märkten im kommenden Jahr herausfordernder für die EIB?Die Kapitalmärkte reagieren in der Regel sehr empfindlich auf politische Ereignisse und bestimmte Schlagzeilen. Anleger halten sich in Zeiten großer Unsicherheit eher zurück. So auch bei dem britischen Referendum, das den Sterling-Markt im Jahr 2016 für einige Monate quasi zum Erliegen brachte. Auch im kommenden Jahr müssen wir mit politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten rechnen, und die EIB wird flexibel auf unterschiedliche Situationen reagieren müssen – von den Maßnahmen der Zentralbank bis hin zur möglichen Aussetzung des Handels im Umfeld wichtiger Wahlen. Im Allgemeinen erschwert eine höhere Volatilität die Emission großer Referenzanleihen, mit denen die EIB einen Großteil ihrer Mittel beschafft.- Hat sich der Kapitalmarktauftritt der EIB oder Teile davon durch die Staatsschuldenkrise verändert?Die EIB ist der weltweit größte supranationale Anleiheemittent. Angesichts eines Mittelbeschaffungsprogramms dieser Größenordnung sind wir auf große institutionelle Anle-ger aus der ganzen Welt angewiesen. Jedoch verstehen europäische Investoren die Aufgabe der EIB oft besser als Investoren aus anderen Kontinenten. Auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise schreckten einige nichteuropäische Anleger davor zurück, EIB-Anleihen zu kaufen, wenn auch nur für kurze Zeit. Natürlich fällt die hervorragende Bonität der Bank bei Anlageentscheidungen sehr stark ins Gewicht.- Als ein Anbieter ausgesprochen sicherer Bonds hat die EIB in den vergangenen Jahren von der Flucht der Anleger in Sicherheit profitiert. Die Renditen Ihrer Bonds sind gesunken. Fühlen Sie sich als Nutznießer der Krise?Von der Krise profitiert niemand. Allerdings nahm die Bedeutung der EIB für die EU-Mitgliedstaaten in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich zu, da sie gebeten wurde, ihre Tätigkeit noch mehr auf die Stärkung der Wirtschaft und des Wachstums in der EU auszurichten. Die Renditen schwanken je nach Marktlage und werden von Faktoren wie etwa der vorhandenen Liquidität und dem allgemeinen Zinsniveau beeinflusst. Man kann allerdings sagen, dass unseren Anleihen zu Beginn der Krise die “Flucht in Qualität” zugutekam. Wir wissen die kontinuierliche Unterstützung unserer Anleger zu schätzen.- Durch die Anleihekaufprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB) sind die Renditen noch tiefer gesunken und in weiten Teilen negativ geworden. Hat sich Ihr Funding-Verhalten durch den jahrelangen Trend zu immer niedrigeren Renditen verändert?2015 haben wir bei der Mittelbeschaffung etwas mehr auf ausländische Währungen gesetzt, da nichteuropäische Anleger angesichts der sehr engen Spreads bei Staatsanleihen weniger Anleihen in Euro zeichneten. Dieses Jahr hat sich die Lage wieder normalisiert.- Wie hat sich die Liquidität Ihrer Anleihen unter dem Eindruck des Quantitative Easing der EZB entwickelt?2015 konnten wir einen spürbaren Rückgang des Handelsvolumens mit Euro-Anleihen der EIB auf dem Sekundärmarkt beobachten. Mittlerweile hat es sich wieder auf das Niveau vor dem Quantitative Easing eingependelt. Dies ist auch auf das hohe Ausgabevolumen in Euro in diesem Jahr zurückzuführen.- Irgendwann einmal wird die EZB den Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik einleiten müssen, das sogenannte Tapering. Darauf könnten die Märkte recht heftig reagieren, und auch die EIB würde das mit Sicherheit bei ihren Anleihen zu spüren bekommen. Sorgen Sie sich wegen dieses anstehenden Tapering?Nein, da machen wir uns keine Sorgen. Die EIB ist bei der Ausgabe ihrer Euro-Referenzanleihen nicht auf die Anleihekäufe der EZB angewiesen. Außerdem glaube ich, dass die EZB ihr QE-Programm eher sanft beenden wird, um den Markt nicht zu verzerren.- Viele Emittenten gehen aufgrund der Suche der Anleger nach Rendite und aufgrund historisch niedriger Zinsen in immer längere Laufzeiten, in der Eurozone schon bis zu 100 Jahre. Wollen Sie sich bei der EIB diesem Trend anschließen, und was ist für Sie bei den Laufzeiten die Obergrenze?Bei den Laufzeiten ihrer Anleihen orientiert sich die EIB so eng wie möglich an den durchschnittlichen Laufzeiten ihres Darlehensbestands, damit es zu keiner gravierenden Fristenverzerrung kommt. Aus den aufgenommenen Mitteln vergeben wir Darlehen. Die Laufzeit der Anleihen beträgt somit in der Regel höchstens 30 Jahre, was – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – der Höchstlaufzeit unserer Darlehen entspricht.- Hat sich das Investorenverhalten bei EIB-Bonds aufgrund des Trends zu immer niedrigeren Renditen verändert?Nicht wesentlich. Natürlich suchen die Anleger im heutigen Zinsumfeld nach möglichst guten Renditen. Andererseits sorgen regulatorische Erwägungen sowie Liquiditäts- und Risikoaspekte dafür, dass auch Wertpapiere mit hoher Bonität sehr gefragt sind.- Hat es Investoren-Shifts auf der EIB-Kurve gegeben wegen der niedrigen Renditen?Nicht wirklich. Die Anlegerbasis setzt sich eigentlich nach wie vor hauptsächlich aus Zentralbanken, Treasury-Abteilungen von Banken, Vermögensverwaltern, Pensionsfonds und Versicherungen zusammen. Unterschiede lassen sich aber bei den Währungen beobachten: Die wichtigste Reservewährung ist nach wie vor der US-Dollar. Pensionsfonds und Versicherungen zeichnen aber eher Anleihen in Euro, für die wir längere Laufzeiten anbieten.- In den vergangenen Jahren ist das Rating vieler EU-Staaten, die Ihre Anteilseigner sind, schlechter geworden. Die EIB wird von allen drei großen Agenturen aber noch mit der Höchstnote “AAA” bewertet. Wie erklären Sie das, und wie sehen Sie Ihre Rating-Zukunft?Das Rating der EIB stützt sich in erster Linie auf ihre Finanzkraft. Allerdings ist die Unterstützung der Anteilseigner natürlich ebenfalls wichtig. Die sehr gute Qualität unseres Darlehensbestands, bei dem wir so gut wie keine Ausfälle und mit rund 0,3 % einen sehr geringen Anteil an notleidenden Darlehen verzeichnen, ist ein wichtiger Faktor für das Rating. Unsere Ingenieure und Ökonomen sorgen dabei durch eine gründliche Prüfung für eine hervorragende Projektqualität. Auch die ausgezeichnete Liquiditätsposition, ergänzt durch den Zugang zu Refinanzierungen bei der EZB, spielt für das Rating eine wichtige Rolle. Neben der starken Bilanz der EIB darf auch ihr Geschäftsmodell nicht vergessen werden sowie der Rückhalt der Bank bei ihren Anteilseignern, der sich ebenfalls positiv auf das Rating auswirkt. Sehen Sie, nur drei Jahre nachdem die EUMitgliedstaaten eine Kapitalerhöhung um 10 Mrd. Euro bei der EIB vorgenommen hatten, beweisen sie nun erneut großes Vertrauen in die EU-Bank, indem sie sich im Rahmen des Juncker-Plans hinter die Bereitstellung der EU-Haushaltsgarantie im Volumen von 16 Mrd. Euro für zusätzliche, risikoreichere Kredite der EIB gestellt haben. Ohne diese Garantie könnten wir die Aufgaben aus dem Juncker-Plan nicht leisten.- Wird sich durch den Brexit etwas für die EIB, ihr Funding oder ihr Rating ändern?Wir werden den Beginn der Brexit-Verhandlungen abwarten müssen und sehen, wie sie sich entwickeln. Bis dahin wäre es verfrüht, Vermutungen anzustellen. Auch die Ratingagenturen warten erst einmal ab. In den jüngsten Berichten zur EIB erwähnen alle Ratingagenturen das britische Referendum, betrachten es jedoch nicht als unmittelbaren Risikofaktor für das EIB-Rating.- Den Großteil Ihres Fundings realisieren Sie über die Benchmark-Anleihen in Euro, Dollar und Pfund. Sie setzen aber auch auf Eurokooperationsbonds. Wie hat sich dieses Marktsegment entwickelt, und welchen Stellenwert haben die Anleihen heute für Ihr Haus?Diese sind Teil des EIB-Mittelbeschaffungsprogramms in Euro. Sie sind dabei ein Produkt der EIB, und werden in kleineren Beträgen, das heißt mit weniger Übernahmerisiko als bei Referenzanleihen, in den Markt gegeben; sie sind sozusagen Mini-Referenzanleihen, aber kein eigenes Marktsegment. Die Mini-Referenzanleihen decken die spezifische Nachfrage bestimmter Investoren ab – etwa von kleineren Anlegern, darunter Treasury-Abteilungen von kleineren Banken. Der Emissionswunsch geht dabei von den Anlegern aus. Durch Aufstockungen erreichen sie anschließend ein gewisses Liquiditätsniveau. Wir versuchen dann, wie bei den Referenzanleihen Laufzeitenkurven zu schaffen. E-Coops bieten den Vorteil, dass sie leichter ausgegeben werden können, und sie sind ein geeignetes Instrument, um auf Schwankungen oder Unruhen am Markt zu reagieren.- Sie emittieren auch Klimaschutzanleihen und sind in diesem Segment eine der größten Adressen. Grüne Anleihen gibt es heute viele, aber keine allgemeingültige Definition, was letzten Endes “grün” ist. Ist das nicht ein Problem für diesen Markt, und welche Kriterien legen Sie bei der EIB zugrunde?Dieses Thema wird viel diskutiert. Ich würde es jedoch nicht als Problem bezeichnen, sondern vielmehr betonen, dass verschiedene Akteure, von denen keiner eine Monopolstellung hat, den Begriff einfach unterschiedlich definieren und einordnen. Wir haben bereits 2007 eine grüne Anleihe begeben, und sind damit der Erfinder. Bis heute sind wir mit einem Volumen von über 15 Mrd. Euro auch weltweit der größte Emittent. Die Projekte, denen diese grünen Anleihen allokiert werden, wählen wir nach strengen, auf dem Markt anerkannten Kriterien aus.- Nach welchen Kriterien denn?Die EIB hält sich dabei an die Grundsätze für grüne Anleihen, die Green Bond Principles oder kurz GBP, bei denen Offenlegung und Transparenz an erster Stelle stehen. Auf dieser Grundlage können die Anleger ihre Entscheidung treffen. Die EIB möchte nicht nur im Hinblick auf das Volumen eine treibende Kraft sein, sondern sie will auch die Marktpraxis entscheidend mitgestalten. Ende September haben wir von unserem Rechnungsprüfer den ersten unabhängigen Prüfungsbericht mit hinreichender Sicherheit zu Climate Awareness Bonds erhalten. In dem Bericht wird bestätigt, dass sich die EIB an die GBP hält. Außerdem werden darin die Grundsätze beschrieben, die die EIB bei der Projektauswahl, der Berichterstattung und den betreffenden Finanzströmen zugrunde legt.- In wie vielen Währungen emittiert die EIB mittlerweile, und planen Sie neue Emissionswährungen anzugehen?2016 hat die EIB Anleihen in dreizehn verschiedenen Währungen ausgegeben. Die Währungen, in denen wir Mittel beschaffen, richten sich danach, in welchen Währungen wir Darlehen auszahlen. Der polnische Zloty hat in den vergangenen Jahren zum Beispiel immer mehr an Bedeutung gewonnen, da wir ver-stärkt Darlehen in Polen vergeben haben. Deswegen hat die EIB ihr Emissionsvolumen in Zloty erhöht und begonnen, Referenzanleihen zu begeben, die sich speziell an polnische Anleger richten. Wir fassen weiterhin alle Möglichkeiten ins Auge, haben aber keine bestimmten Ziele, was das Volumen oder den Anteil einer bestimmten Währung angeht.- Können sich die Bondanleger im kommenden Jahr auf Neuerungen aus dem Hause der EIB einstellen, zum Beispiel neue Anleiheprodukte?Bei der Emission von Anleihen richtet sich die EIB nach dem Feedback des Marktes und den Bedürfnissen der Anleger. Obwohl wir bei der Mittelbeschaffung hauptsächlich auf Referenzanleihen setzen, geben wir jedes Jahr auch einige wenige strukturierte Anleihen aus. Da sich die Lage auf den Kapitalmärkten immer sehr kurzfristig ändert, können wir noch nicht wirklich sagen, welche Anleihen wir im nächsten Jahr emittieren werden. Wir sind aber immer offen dafür, auf die speziellen Wünsche von Anlegern zugeschnittene neue Produkte anzubieten.—-Das Interview führte Kai Johannsen.