Anleger sehen VW skeptisch
Geld oder Brief
Anleger sehen Volkswagen skeptisch
Von Carsten Steevens, Hamburg
Wenn er sich die Zahlen in China anschaue, dann mache er sich natürlich Sorgen um VW, so Bernd Osterloh in einem am 5. August veröffentlichten Interview der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Dinge mit wenigen Worten öffentlich zu benennen, die nicht gut laufen für den Volkswagen-Konzern: Dafür war der 67-Jährige, der seit diesem Frühjahr Ruheständler ist, als langjähriger, bis 2021 amtierender Betriebsratschef des Wolfsburger Mehrmarkenunternehmens bekannt. Noch gut in Erinnerung ist, wie er Anfang 2014 den US-Auftritt des Konzerns als „Katastrophenveranstaltung“ geißelte, an der sich auch so schnell nichts ändern werde. Damals war vom gut anderthalb Jahre später in den USA aufgeflogenen Dieselskandal noch keine Rede.
Malaise in China
Die Malaise in China, wo Volkswagen als langjähriger Marktführer bei Verbrennerfahrzeugen um Anschluss an flinke heimische Elektroautobauer ringt, trifft das Dax-Unternehmen ungleich härter. Im weltgrößten Einzelmarkt, in dem die Auslieferungen des Konzerns im ersten Halbjahr um 7,4% auf 1,35 Millionen Fahrzeuge schrumpften, hat sich das anteilige operative Ergebnis der dortigen Joint-Venture-Gesellschaften, das sich im Konzerngewinn und Cashflow auswirkt, von 2015 bis 2023 auf 2,6 Mrd. Euro halbiert. Für dieses Jahr wird mit weiteren Einbußen auf 1,5 bis 2 Mrd. Euro und damit auf das Niveau von 2010 gerechnet. Wesentlich mehr ist im umkämpften chinesischen E-Automarkt mittelfristig nicht zu erwarten, wie VW bei einem Investorentag im April – 40 Jahre nach Eintritt in den chinesischem Automarkt – zu verstehen gab.
Die Aussicht auf den erwarteten Ergebnisrückgang in China hat VW in diesem Jahr an der Börse belastet. Zugleich kritisieren Investoren die vergleichsweise hohen Investitionen: in den chinesischen Markt, in neue Produkte, in den Bau von Batteriezellfabriken und in Plattformen für batterieelektrische Fahrzeuge und Verbrennermodelle. Die Investitionsquote soll in diesem Jahr mit bis zu 14,5% ihren Höhepunkt erreichen und danach schrittweise auf zunächst 11% bis 2027 sinken. Dass hier Druck auf dem Kessel liegt, gab Volkswagen unlängst auch mit der Ankündigung zu erkennen, die Investitionen in der kommenden Fünfjahresplanung für 2025 bis 2029 auf 165 Mrd. anstatt auf 170 Mrd. Euro stärker zu begrenzen.
E-Auto-Nachfrage kritisch
Der zunehmende Wettbewerb in der Branche, eine derzeit schleppende bis schrumpfende Nachfrage nach Elektromodellen mit der Aussicht, möglicherweise hohe Strafen für ein Verfehlen verschärfter EU-Klimaschutzvorgaben zu erhalten, sowie Sorgen wegen eines sich möglicherweise zuspitzenden Zollstreits zwischen der EU und China haben die Aktien europäischer Autobauer im Jahresverlauf unter Druck gesetzt. VW verlor in diesem Umfeld indes zwischen Ende 2023 und dieser Woche mit fast 17% überdurchschnittlich viel an Boden. Der Branchenindex Euro Stoxx 600 Auto gab im gleichen Zeitraum um rund 8% nach, der Dax legte hingegen um etwa 7% zu.
Nach einem Gewinnrückgang im ersten Halbjahr um 14% auf 7,3 Mrd. Euro und einer als nicht ausreichend bezeichneten operativen Umsatzrendite von 6,3% hat der Konzern einen verstärkten Kostenfokus signalisiert. Der Kursrutsch um rund 10% seit der jüngsten Zahlenvorlage auf zwischenzeitlich unter 93 Euro erhöht noch einmal den Druck. Im Konzern habe man die strategische Basis geschaffen und alle notwendigen technischen und organisatorischen Entscheidungen getroffen, so Vorstandschef Oliver Blume, dessen Start an der Konzernspitze sich am 1. September zum zweiten Mal jährt. „Jetzt geht es um Kosten, Kosten und Kosten.“
Fokus auf Kosten
Die DZ Bank geht davon aus, dass sich Effekte aus eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen primär in den Folgejahren positiv auf die Margenentwicklung auswirken. Im Juli hatte VW das Renditeziel für 2024 aufgrund von Sonderbelastungen für Kostensenkungen um einen halben Prozentpunkt reduziert. Die Bank rechnet auch damit, dass der Konzern in den kommenden Jahren von seinen Kooperationen bei E-Mobilität und Software profitieren wird. Mit Verweis auf die günstige Bewertung bekräftigte die DZ Bank ihre Kaufempfehlung für die VW-Aktie bei einem um 17 auf 120 Euro reduzierten Kursziel.
Das Analysehaus Bernstein, das das Papier bei einem um 25 auf 111 Euro reduzierten Kursziel mit „Market Perform“ einstuft, meint, die Ankündigung von VW, Kosten zu reduzieren, sei zu begrüßen. Doch stelle sich die Frage, warum sich die Lage so weit verschlechtert habe. Es bleibe eine Kluft zwischen Absicht und Umsetzung, nicht zuletzt mit Blick auf die Investitionen und die angekündigte Begrenzung in der Fünfjahresplanung, die kaum 3% ausmache.
Bei Deutsche Bank Research, die bei einem zuletzt um 30 auf 150 Euro reduzierten Kursziel den Kauf der Aktie empfiehlt, heißt es, man habe die Kürzung des Investitionsbudgets von 170 Mrd. auf 165 Mrd. Euro positiv zur Kenntnis genommen. Dies sei sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, könne aber nur der Anfang sein. Laut Bloomberg-Daten kommen Analysten überwiegend zu positiven Einschätzungen für die VW-Aktie.