Wachstumssorgen dominieren
Wachstumssorgen dominieren
Anleger rechnen mit Leitzinssenkungen – Zeichen stehen auf Renditerückgänge
Die Inflationssorgen der Bondakteure sind Wachstumsängsten gewichen. Viele Akteure an den Anleihemärkten rechnen mit einer spürbaren Konjunkturabkühlung und damit auch mit Leitzinssenkungen der Notenbanken. China hat nun schon die Zinsen gesenkt. An den Anleihemärkten stehen die Zeichen damit eher auf Renditerückgänge.
kjo Frankfurt
Wachstumssorgen dominieren derzeit an den Anleihemärkten. Anleger befürchten, dass die Leitzinsanhebungen der Notenbanken innerhalb der vergangenen Monate in den kommenden Quartalen womöglich heftig auf die konjunkturelle Aktivität durchschlagen werden und sich im schlimmsten Fall zu einer Rezession der großen Volkswirtschaften auswachsen. Die über Monate im Vordergrund gewesenen Inflationsbefürchtungen sind damit in den Hintergrund getreten. Kaum ein Marktteilnehmer im Fixed-Income-Bereich rechnet derzeit noch damit, dass die Inflationshochs von gut 10% und teilweise mehr wieder gesehen werden. Die restriktive Geldpolitik als Antwort auf die Teuerungsschübe, die seit Jahrzehnten nicht mehr zu beobachten waren, zeigen ihre volle Wirkung.
Beruhigt wurden die inflationsgeplagten Investorengemüter durch diverse Makrodaten. Die Inflation in den USA ist jüngst nicht mehr so stark wie von Volkswirten befürchtet gestiegen. Eine Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) unter Verbrauchern der Eurozone zeigte ebenfalls deutlich nachlassende Teuerungsbefürchtungen und ließ die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihe an nur einem Tag im zweistelligen Basispunktebereich absacken. Auch andere Stimmungsindikatoren deuten darauf hin, dass nicht mehr mit kräftigen Inflationssteigerungen gerechnet wird.
Lockerung in China
Dabei geht es auch um China: Fällt das Reich der Mitte als Konjunkturlokomotive aus, lautet die Frage, die sich viele Anleger stellen. Die Exporte Chinas ließen jüngst nach. In China waren zudem rückläufige Preise zu beobachten, was wiederum dazu führte, dass die Deflationsdebatte neu hochkochte. Am Dienstag nun der nächste Hingucker: die chinesische Zentralbank senkte den Zins für einjährige Kredite, um die Wirtschaft anzukurbeln und ein Zeichen der Handlungsbereitschaft gegen die rückläufige Preisentwicklung sowie für den Immobilienmarkt zu setzen. In den Emerging Markets, in denen die Zentralbanken wesentlich früher mit den Leitzinsanhebungen gegen die Inflationsschübe reagierten, stehen die Zeichen ebenfalls nicht mehr auf eine restriktive Geldpolitik, sondern auf Lockerung, da das Inflationsbild keine Verschärfung der Gangart mehr erfordert, sondern das Wachstum bei internationaler Konjunkturabkühlung eher geldpolitischer Unterstützung bedarf.
In dieser Inflations- und Konjunkturgemengelage ist bei den Bundesanleihen auch kein großer Schub der Renditen nach oben zu beobachten. Seit Jahresanfang bewegt sich die zehnjährige Bundrendite weitgehend innerhalb der Spanne von 2,20% bis 2,50%. Das Hoch wurde in diesem Jahr bei gut 2,75% gesehen, das Tief bei knapp unter 2%. Im späten europäischen Handel am Dienstag lag die laufende zehnjährige Verzinsung bei 2,68%. Auf diesem Niveau liegt die zehnjährige Bundrendite deutlich über ihren historischen Tiefs, die weit im negativen Renditeterrain zu verzeichnen waren. Auch die Renditeniveaus in anderen Fixed-Income-Bereichen (FI) haben sich im Zuge der Leitzinsanhebungen und damit der Renditesteigerungen an den Märkten kräftig nach oben bewegt (vgl. Grafik). Kommt es zur konjunkturellen Eintrübung damit zu Zinspausen, wie sie auch von EZB-Chefin Christine Lagarde als Option in Aussicht gestellt wurden, oder gar zu Leitzinssenkungen sollten auch die Renditen in den FI-Segmenten wieder zurückgehen.
Geduld wird belohnt
„Unserer Ansicht nach erhöhen höhere Zinssätze die Wahrscheinlichkeit einer Rezession. Wir gehen davon aus, dass die Rezession voraussichtlich später in diesem Jahr oder Anfang 2024 eintreten und voraussichtlich nur mild ausfallen wird. Historisch gesehen haben Anleihen in der Regel von einem Ende der Zinserhöhungen durch Zentralbanken profitiert“, so die Meinung des Assetmanagers Vanguard, der Wertpapiere von höherer Qualität bevorzugt, die weniger anfällig für wirtschaftliche Schwankungen sind. Länger laufende Staatsanleihen würden attraktive Renditen bieten. So würden zehnjährige Staatsanleihen aus den USA und Großbritannien laufende Renditen von etwa 4,20% bzw. 4,60% erzielen. Sobald die Zentralbanken das Ende der Zinserhöhungen ankündigen würden, sollten Bondinvestoren von Kreditqualität und Duration profitieren. „Derzeit führen höhere Anleihekupons dazu, dass Anleger für ihre Geduld belohnt werden", heißt es. US-Staatsanleihen mit mittlerer Laufzeit bieten laut Vanguard einen günstigen Einstiegspunkt, um die Duration zu erhöhen. Sie offerierten attraktive Renditen und Schutz vor den volatileren Schwankungen am kürzeren Ende des Marktes.
Obwohl die jüngste Rally bei Anleihen von Emittenten mit niedrigerer Bonität teilweise gerechtfertigt sei, gehen die Experten von Vanguard nicht davon aus, dass sie von langer Dauer sein werde. Wertpapiere mit höherer Qualität dürften besser abschneiden. Die Qualität von Unternehmensanleihen lasse sich am besten an der Ertragsstabilität ablesen. Unternehmen, die am besten auf eine wirtschaftliche Verlangsamung vorbereitet seien, habe man übergewichtet.