GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (290)

Wahres Multi Asset bietet auch in einer Welt mit positiven Anleiherenditen Mehrwert

Multi-Asset-Ansätze sind zeitgemäß und die Antwort auf sich verändernde Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt.

Wahres Multi Asset bietet auch in einer Welt mit positiven Anleiherenditen Mehrwert

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (290)

Wahres Multi Asset bietet auch bei positiven Anleiherenditen Mehrwert

Der Zins ist zurück und Anleihen stellen nach Jahren mit niedrigen oder negativen Renditen wieder eine zunehmend attraktive Anlageklasse dar. Angesichts von 3 bis 4% Zinsen auf Festgeld und 4% Rendite auf Anleihen hoher Qualität aus dem Euroraum parken Anleger viel Kapital in Termingeld und kurzlaufenden Anleihen. Dabei übersehen sie den Mehrwert, den wahre Multi-Asset-Ansätze bieten: Sie sind zeitgemäß und die Antwort auf sich verändernde Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt.

Auch wenn Termingeld und kurzlaufende Anleihen kurzfristig attraktiv erscheinen, sind diese mittelfristig mit Unsicherheiten behaftet. Die aktuell hohen Zinsen bei kurzlaufenden Anleihen dürften eine Sondersituation sein, denn die Euro-Zinsstrukturkurve ist so stark invertiert wie seit Anfang der neunziger Jahre nicht. Kurzlaufende Anlagen haben somit ein deutliches Wiederanlagerisiko mit wahrscheinlich mittelfristig niedrigeren Renditen. Zudem erscheint das Niveau der nominellen Renditen zwar attraktiv, ist aber aktuell noch immer nicht hinreichend für den Erhalt der Kaufkraft oder gar einen realen Vermögenszuwachs.

Für mehr Renditepotenzial bei Anleihen müssen Anleger bereit sein, höhere Risiken einzugehen. Sind sie das, sollten sie auch andere Anlageklassen einbeziehen. Reine Anleiheportfolios lassen nämlich gegenüber Multi-Asset-Portfolios Diversifikationsmöglichkeiten und damit das einzige „free lunch“ am Markt weitgehend ungenutzt. Wahres Multi Asset, d.h. eine breite Diversifikation auch abseits von Aktien und Anleihen, halten wir für sinnvoll. Für diese Dekade erwarten wir ein Umfeld strukturell erhöhter Inflation(svolatilität) und damit nichtstabile Korrelationen und einen häufigeren Gleichlauf von Aktien und Anleihen. Der Schwerpunkt eines Portfolios sollte damit nach wie vor auf einem ausgewogenen Verhältnis von Wachstumschancen und Schutzmaßnahmen liegen.

Multi-Asset-Ansätze bieten aber auch mehr Renditepotenzial. Um etwa bei Themen wie künstliche Intelligenz dabei zu sein, muss man Aktien haben. Dabei ist eine aktive Quotensteuerung entscheidend. Natürlich profitieren Multi-Asset-Portfolios im veränderten Zinsumfeld auch mit ihren Anleihepositionen von den gestiegenen Zinsen. Dazu kommt jedoch auch das stärkere Renditepotenzial anderer Anlageklassen. So gehen die meisten Strategen und auch wir etwa davon aus, dass die Rohstoffpreise in den nächsten Jahren aufgrund der Energiewende und der Angebotsdefizite deutlich steigen werden. Dazu kommt noch das Renditepotenzial der taktischen Allokationssteuerung.

Bessere Absicherung

Ein deutlicher Anteil an Vermögensgegenständen mit realem Charakter wie Rohstoffe und teilweise Aktien im Vergleich zu Anleihen bietet zudem eine bessere Absicherung für den Fall einer dauerhaft höheren Inflation als vom Markt erwartet in den kommenden Jahren. Der Markt geht derzeit davon aus, dass die Inflation sich in den nächsten Jahren nachhaltig Richtung 2% entwickelt. Wir sind davon nicht überzeugt. Die hohe Staatsverschuldung spricht weiterhin für eine zumindest begrenzte finanzielle Repression und damit bestenfalls eine begrenzt positive Realverzinsung von Staatsanleihen. Auch für das Szenario, dass die Notenbanken mit einer anhaltend straffen Geldpolitik die Liquidität am Kapitalmarkt weiter einschränken und mittelfristig sogar eine Schuldenkrise verursachen könnten, erscheinen Anlagen mit Sachwertcharakter wie Edelmetalle und Aktien im Vorteil.

Natürlich kann es in Multi-Asset-Strategien trotz geschickter Nutzung aller Diversifikationsmöglichkeiten im Gegensatz zum Festgeld auch zu Kursrückgängen des Fondspreises kommen. Schaut man sich die Entwicklung in der Vergangenheit an, sinkt die Wahrscheinlichkeit von Verlusten aber mit zunehmender Anlagedauer, während die Wahrscheinlichkeit einer attraktiven, über dem Zinsmarkt liegenden Rendite steigt. Auch deswegen bleiben Multi-Asset-Strategien im derzeitigen Umfeld positiver Anleiherenditen für mittel- bis langfristig orientierte Investoren attraktiv – vor allem, wenn sie etwas Risikofreude mitbringen.

Bernd Meyer

Leiter Multi Asset bei Berenberg