DEVISENWOCHE

Währungskrieg reloaded

Von Ulrich Leuchtmann *) Börsen-Zeitung, 27.10.2015 Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat während seiner Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag die Erwartung einer baldigen Ausweitung der expansiven Geldpolitik geschürt....

Währungskrieg reloaded

Von Ulrich Leuchtmann *)Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat während seiner Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag die Erwartung einer baldigen Ausweitung der expansiven Geldpolitik geschürt. Eine baldige Erhöhung der QE-Volumina und/oder eine Zinssenkung scheinen möglich zu sein. Für die mittelfristige Entwicklung der Euro-Wechselkurse kommt es gar nicht so sehr auf Form oder Timing zusätzlicher EZB-Maßnahmen an. Vielmehr ist entscheidend, dass Draghi die Schwächung des Euro scheinbar als einzig gangbaren Weg zur Vermeidung von Deflationsrisiken betrachtet. Mit dieser EZB-Strategie nimmt die Gefahr eines Währungskrieges erneut zu. Diesmal dürfte sich daran aber auch die US-Notenbank Federal Reserve beteiligen.Draghi führte drei Gründe für die enttäuschende Entwicklung der Inflation im Euroraum an: (1) die immer noch bestehende Output-Lücke, (2) den niedrigen Ölpreis und (3) die Aufwertung des Euro in den vergangenen Monaten. Es dürfte einleuchten, dass die EZB an den ersten beiden Faktoren zumindest kurz- und mittelfristig nicht allzu viel ändern kann. Was den Schluss nahelegt, dass Draghi in der Schwächung des Euro das einzig probate Mittel zur Re-Inflationierung sieht. Draghi ist ungeduldigSeine Geduld, wenn es in die aus seiner Sicht falsche Richtung läuft, ist offensichtlich nicht groß. So verwies er explizit auf den in den letzten Monaten gestiegenen nominalen effektiven Wechselkurs des Euro (“Nominal Effective Exchange Rate”, NEER). In der Tat, der von der EZB berechnete NEER zeigt, dass der Euro gegenüber den Währungen der Handelspartner des Euroraumes von Mitte April bis zum Vorabend der EZB-Pressekonferenz um rund 6 % aufwertete, allein 4 % seit Mitte Juli. Allerdings ist das kein dramatischer Verlauf, insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass der NEER zuvor deutlich nachgegeben hatte.Dass schon die relativ geringe Euro-Aufwertung Draghi nervös macht und zur verbalen Schwächung des Euro anstachelt, lehrt einiges über sein implizites Wechselkursziel. Es scheint, dass der EZB-Präsident eine dauerhafte Abwertung des Euro herbeizuführen sucht. Kein Wunder. Schließlich dürften die üblichen Kanäle der die Geldpolitik weiterhin zu einem guten Teil verstopft sein. So bleibt nur ein kontinuierlich abwertender Euro, um über den Kanal importierter Inflation den Preisauftrieb in Richtung des EZB-Ziels zu hieven.Natürlich, formal hält sich Draghi weiterhin an den London-Akkord, das gegenseitige Versprechen der G 7-Zentralbankchefs vom Februar 2013, Wechselkurse nicht als geldpolitische Ziele zu missbrauchen. De facto wählt er aber gegebenenfalls so klare Worte, dass dem Devisenmarkt an seiner Absicht keine Zweifel bleiben. Fed greift ins Geschehen einAllerdings dürfte es für Draghi immer schwerer werden, den Euro schwach zu reden. Schließlich können nicht alle Währungen abwerten, obwohl sich viele Zentralbanken (Japan, Schweden, Australien) das wünschen. Im Gegensatz zu 2014 hat sich die Situation grundlegend geändert. Damals nahm die Fed nicht am Währungskrieg teil, sondern erweckte weiterhin tapfer die Erwartung, sie würde ihre Zinspolitik in absehbarer Zeit normalisieren. Die Folge war eine deutliche Aufwertung des Dollars gegenüber den Handelspartnern der USA. Diesen taktischen Fehler will die US-Notenbank offensichtlich nicht wiederholen. Ihr Offenmarktausschuss betont seit einiger Zeit sehr deutlich die negativen Folgen der Dollar-Aufwertung für die US-Realwirtschaft und -Inflation. Die Ausschussmitglieder machen deutlich, dass ihre Erwartung von Zinserhöhungsspielräumen auf der Annahme basiert, dass die Dollar-Aufwertung ausläuft. Mit der Fed als Kombattant gewinnt diese Runde im Währungskrieg eine neue Qualität. Der Wettlauf um die expansivste Geldpolitik, den wir momentan beobachten, ist ein Vorbote für das, was drohen könnte.Diesmal wird es der EZB kaum gelingen, ihren Erfolg der letzten “Währungskrieg-Runde”, als der Euro 23 % gegenüber dem Dollar abwertete, zu wiederholen. Letztendlich sitzt die EZB allerdings am etwas längeren Hebel. Denn der Markt hat schon den größten Teil der Fed-Zinserhöhungen ausgepreist. Solange eine erneute Lockerung der Fed-Geldpolitik nicht ernsthaft erwogen wird, kann nicht mehr allzu viel Dollar-Negatives von der Fed kommen. Doch dürfte der Erfolg der EZB – gemessen an der Euro-Abwertung – diesmal bescheidener ausfallen. Ein zu starker Dollar würde den letzten Fed-Zinserhöhungsfantasien den Garaus machen und damit der Dollar-Stärke die fundamentale Grundlage entziehen.—-*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.