Wall Street treibt Dax vor Zinsentscheid an
Märkte am Mittag
Wall Street treibt Dax vor Zinsentscheid an
Die Rekordjagd an der Wall Street und die Aussicht auf niedrigere Zinsen haben am Donnerstag den deutschen Aktienmarkt weiter angetrieben. Wie viel die Kursgewinne am Ende wert sind, wird sich aber wohl erst am Nachmittag entscheiden. Dann wird die EZB aller Voraussicht nach die Leitzinsen senken. Der Dax notierte am Donnerstagmittag knapp ein Prozent fester bei 18.733 Punkten. Der Euro Stoxx 50 rückte um gut ein halbes Prozent auf 5.070 Zähler vor.
Sowohl der mit 500 Aktien breit aufgestellte Index S&P 500 als auch der von Tech-Schwergewichten dominierte Nasdaq 100 haben in den USA im späten Handel neue Höchstmarken aufgestellt. Heraus stach ein Mal mehr die Nvidia-Aktie, die ihre Rekordjagd der vergangenen Wochen und Monate fortsetzte. Mit einem Plus von knapp 5,2% auf 1.224,40 Dollar gehörte das Papier erneut zu den größten Gewinnern im Nasdaq 100 und legte auch nachbörslich weiter leicht zu. Seit Jahresbeginn haben die Aktien des Vorzeigeunternehmens für das Boom-Thema KI ihren Wert schon wieder annähernd verzweieinhalbfacht. Der Konzern ist nun mehr als 3 Bill. Dollar wert und damit nach Apple und Microsoft erst das dritte Unternehmen, das diese Marke geknackt hat. Mit dem erneut deutlichen Plus am Mittwoch überholte Nvidia in puncto Marktkapitalisierung zudem erstmals Apple. Gemessen am Schlusskurs lag der Börsenwert bei 3,01 Bill. Dollar und damit hauchdünn über dem von Apple. Microsoft führt die Rangliste mit 3,15 Bill. Dollar an.
Volkswirte gehen davon aus, dass die Euro-Wächter um EZB-Chefin Christine Lagarde am Nachmittag erstmals seit 2019 wieder die Geldpolitik lockern werden. „Die Europäische Zentralbank dürfte heute die Leitzinsen für die Euro-Zone um 25 Basispunkte senken, alles andere wäre eine faustdicke Überraschung und herbe Enttäuschung für den Aktienmarkt", sagte Stratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Viel entscheidender sei, wie sich Lagarde auf der anschließenden Pressekonferenz zu weiteren Zinssenkungen positioniere. „Zu weit vorpreschen will man in Frankfurt sicherlich nicht und einen Zeitplan der Federal Reserve, an dem man sich orientieren könnte, gibt es auch nicht. Mit der heutigen Zinssenkung dürfte die EZB ihren Kurs deshalb keinesfalls auf Autopilot stellen.“ Thomas Altmann von QC Partners ist sicher, Börsianer "werden jeden noch so subtilen Hinweis auf die Goldwaage legen“.
Auftragsschwäche in der Industrie
Derweil konnte die anhaltende Auftragsschwäche in der deutschen Industrie die Stimmung nicht eintrüben. Im April schrumpfte ihr Neugeschäft zwar unerwartet, weil die Kunden aus Deutschland und der Euro-Zone weniger bestellten. Analysten zeigten sich allerdings gelassen und wiesen auf den Einfluss der schwankungsanfälligen Großaufträge hin. Würde man diese ausklammern, „wäre sogar ein deutliches Plus erzielt worden“, sagte etwa LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch.
Außerdem wirken sich schwache Konjunkturdaten positiv auf die Zinssenkungs-Erwartungen der Investoren aus. Die Notenbanker versuchen, mit straffer Geldpolitik die Inflation einzudämmen und den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen, ohne den Wirtschaftsmotor abzuwürgen. Daher konnte auch ein Rückgang im Einzelhandel in der Euro-Zone im April die Anleger nicht beunruhigen.
Auch die Konjunkturdaten jenseits des Atlantiks bestärkten in den letzten Tagen den Zinsoptimismus der Marktteilnehmer. In den US-Unternehmen entstanden im Mai einer Umfrage zufolge weniger Jobs als erwartet. Auch die Zahl der offenen Stellen fiel zuletzt auf das tiefste Niveau seit drei Jahren. Nun warten die Börsianer auf die Veröffentlichung der Daten zu den Erstanträgen auf US-Arbeitslosenhilfe am Nachmittag. Am Freitag folgt der offizielle Bericht der US-Regierung.
Prognose treibt SAP-Aktie
Bei den Einzeltiteln gaben Aussagen von SAP-Konzernchef Christian Klein der Aktie Auftrieb. Die Papiere des Walldorfer Softwarehauses sprangen um 4,4% in die Höhe und bewegten sich damit an der Dax-Spitze auf ein Rekordhoch zu. Auf seiner jährlichen Kundenmesse habe SAP ermutigende Wachstumsziele für 2026-2027 ausgegeben und damit die Markterwartungen übertroffen, schrieb Analyst Nay Soe Naing von der Berenberg Bank. „Aufregend“ seien auch Kleins Aussagen zum Thema Künstliche Intelligenz: Der KI-Assistent von SAP, Joule, dürfte demnach in den Copilot von Microsoft integriert werden und die Produkte des Chipherstellers Nvidia nutzen.
Im MDax trieb eine Übernahme in den USA die Aktie von Nemetschek auf den höchsten Stand seit zweieinhalb Jahren. Die Titel des Münchner Bau- und Medien-Software-Spezialisten kletterten um 4,4%. Mit 95,25 Euro waren sie so teuer wie seit Januar 2022 nicht mehr. Nemetschek kauft nach eigenen Angaben für umgerechnet gut 700 Mill. Euro das Unternehmen GoCanvas aus Virginia, das Software zur papierlosen Bearbeitung von Baustellendaten anbietet. Einem Händler zufolge ist der Deal „teuer, aber sicherlich sinnvoll, um zukünftiges Wachstum zu sichern.“
Änderungen im MDax
Auch der Geschäftsbericht des französischen Getränkeherstellers Remy Cointreau kam bei den Anlegern gut an. Die Papiere des Herstellers der Cognac-Marke Remy Martin und des Orangenlikörs Cointreau kletterten an der Pariser Börse um knapp 4%.
Änderungen gibt es in der Besetzung der deutschen Aktienindizes. In den MDax steigen die Papiere von Tui, Rational und Traton auf. Tui und Traton zeigten gleichwohl Kursschwäche. Den Index verlassen müssen dagegen Morphosys, SMA Solar und Sixt, die in den SDax absteigen. Im Leitindex Dax bleibt alles beim alten.