IM INTERVIEW: MARC-ALEXANDER KNIESS, LUPUS ALPHA

"Wandelanleihen sind häufig übersehene Anlageklasse"

Der Portfoliomanager über die Krise des Schwergewichts Steinhoff, die Marktentwicklung, Coco-Bonds und zögerliche Investoren

"Wandelanleihen sind häufig übersehene Anlageklasse"

Der Wandelanleihenmarkt stellt eine zu wenig beachtete Anlageklasse dar, findet Marc-Alexander Knieß, Wandelanleihenspezialist beim Frankfurter Fondsanbieter Lupus Alpha. Die Mischform zwischen Aktie und Anleihe sei eine gute Wahl, da leicht steigende Zinsen den Markt nicht belasten dürften, und derzeit insgesamt fair bewertet. Die Probleme des Wandelanleihen-Schwergewichts Steinhoff könnten jedoch zu einem Umdenken führen, was die Bewertung komplexer Holdingstrukturen anbelangt.- Herr Knieß, was erwarten Sie 2018 für den Wandelanleihenmarkt?Wir gehen angesichts der steigenden Bewertungen an den Aktienmärkten und der Aussicht auf Zinserhöhungen davon aus, dass die Nachfrage nach hybriden Assetklassen zunimmt. Wandelanleihen sind eine häufig übersehene Anlageklasse, die von vielen noch entdeckt werden muss. 2018 dürfte der Wandlermarkt weiter wachsen, und weitere Neuemittenten sollten in den Markt kommen. Der Aktienmarkt dürfte weiter ordentliche Renditen bringen, jedoch mit höherer Volatilität. Dies sollte die Wandelrechte in unseren Titeln im Wert zusätzlich heben.- Welche Rolle spielt die regulatorische Behandlung von Wandelanleihen im Anlageportfolio?Die Kapitalunterlegungsregeln für Wandelanleihen sind für Versicherer eigentlich sehr attraktiv. Der ganze Markt hat gedacht, dass mit Inkrafttreten der Regulierung Solvency II Anfang 2016 eine große Nachfrage nach Wandelanleihen ausbricht. Bisher ist dies aber nur sehr zögerlich geschehen.- Woran liegt das?Die Notwendigkeit, in Wandelanleihen zu investieren, ist für viele Versicherer noch zu wenig ausgeprägt gewesen. Klassische Anleiheinvestments waren bislang noch lukrativ genug. Dies ändert sich immer mehr. Auch ist es nach Jahren der Rally am Aktienmarkt für viele Versicherer schwierig, jetzt in Aktien einzusteigen. Die Offenheit gegenüber einer hybriden Anlageklasse kommt unserer Meinung nach erst in den kommenden Jahren richtig zum Tragen.- Was würde eine höhere Nachfrage bedeuten?Sie wird die Bewertungen nach oben ziehen. Momentan sind wir in der durchschnittlichen Bewertung immer noch etwa im fairen Bereich.- Was erwarten Sie hinsichtlich der Entwicklung der Kreditqualität?Diese wird von mehr Wachstum und steigenden Zinsen beeinflusst. Es ist gut möglich, dass es Titel geben wird, die auch in einem positiven Umfeld Probleme bekommen. Insgesamt dürfte es im Schnitt aber wenig Veränderung geben.- Was spricht grundsätzlich für Wandelanleihen?Sie haben auch in schwierigen Marktphasen ihre Asymmetrie bewahrt, sind also ein gutes Diversifikationsinstrument. Fallen die Aktienmärkte, fällt auch die Wandelanleihe, aber weniger stark. Durch den Anleiheteil gibt es eine Absicherung nach unten, den Bond Floor, und zudem regelmäßige Kupons. Eine Wandelanleihe verbindet das Beste aus zwei Welten und nimmt einem Anleger das Timing-Problem ab. Die Aktiensensitivität – das Delta – nimmt ab, wenn der Aktienmarkt schwächer ist, und sie steigt automatisch, wenn der Aktienmarkt zulegt.- Wie sehen die Marktstrukturen heute aus?Der globale Wandelanleihenmarkt erreicht rund 400 Mrd. Dollar. Im Vergleich zum globalen Anleihenmarkt macht dies rund 1 % aus. Es handelt sich also um eine Nische. Das bedeutet gewisse Eigenheiten, Dynamiken und Ineffizienzen. Bei den Neuemissionen dürften in diesem Jahr 80 Mrd. Dollar erreicht werden, während 60 bis 70 Mrd. Dollar an Wandelanleihen fällig werden. Netto wächst der Markt damit leicht, was für einen Nischenmarkt wichtig ist. Für uns ist entscheidend, dass neue Emittenten an den Markt kommen. Viele Emittenten kommen mit Serien, also mehreren Wandelanleihen mit unterschiedlichen Ausgestaltungen an den Markt. Das ist auch in Ordnung. Aber spannender sind für uns Neuzugänge, da sie mehr Diversifikation ermöglichen und eine bessere Positionierung in ausgewählten Aktien-Storys.- Wie sieht es mit Ausfallrisiken aus?Steinhoff ist sicherlich ein prominentes Beispiel. Das Unternehmen ist ein großer Wandelanleihenemittent, mit dem italienischen Baukonzern Astaldi gibt es noch einen weiteren schwierigen Fall. Es gibt Titel, die sich sehr schwach entwickeln und wo der Bond Floor, also die Anleihensicherheit, nicht im gewünschten Maße gegeben ist. Das ist für uns als aktive Manager eine riesige Chance, sich davon abzugrenzen. Gerade Steinhoff hatte ein großes Gewicht in den Wandelanleihenindizes.- Welche Relevanz hat die Krise von Steinhoff für den Markt?Steinhoff ist ein wichtiger Emittent und hatte ein schwaches Investment-Grade-Rating, bis Moody’s die Papiere auf den mittleren High-Yield-Bereich abgestuft hat. Wir waren sowohl aktien- wie anleihenseitig seit August nicht mehr in Steinhoff engagiert. Mit insgesamt 2,7 Mrd. Euro an ausstehendem Volumen hat Steinhoff große Bretter im Markt. Aufgrund der Intransparenz der Lage sind sie kein Investment für uns. Der Markt dürfte zudem für weniger transparente Finanzkonglomerate – wie Steinhoff eines ist – künftig einen Risikoaufschlag verlangen, was durchaus angemessen ist.- Wie gehen Sie in der Beurteilung des Bond Floor einer Wandelanleihe vor?Wir schauen, was im Markt eingepreist wird, wie die Ratings von Vergleichsunternehmen aussehen, und schätzen nach unserer Analyse die Kreditqualität ein. Für alle Titel, die kein öffentliches Rating besitzen, erstellen wir ein Schattenrating.- Schätzungen zufolge soll bei Wandelanleihen die Recovery Ratio, also die Realisierungsquote im Insolvenzfall, rund 60 % betragen. Ist dies eine realistische Einschätzung?Das hängt sehr von den Einzeltiteln ab. Ich wäre vorsichtig zu sagen, die Recovery Ratio liege generell über 60 %, wenn es zu einem Default kommen sollte. Entscheidend sind das Ranking gegenüber anderen Gläubigern, potenzielle Besicherungen und die geschätzte Höhe der Insolvenzmasse. Auch der innere Wert für das Wandelrecht in die entsprechende Aktie spielt eine Rolle.- Welcher Benchmark folgen Sie?Das ist der Thomson Reuters Global Focus, in Euro abgesichert. An diesem orientieren sich viele Investoren. Früher gab es eine breitere Auswahl mit Indizes etwa von Merrill Lynch, Jefferies oder Barclays. Das hat sich dann auf die UBS-Indizes eingegrenzt, die vor gut drei Jahren von Reuters gekauft worden sind. Dadurch steigt die Ineffizienz im Markt, da viele Investoren auf diese Benchmarks achten. Die Aufnahme in einen oder der Ausschluss aus einem solchen Index löst im entsprechenden Titel meist nicht unerhebliche Zu- und Abflüsse aus.- Finden sich auch passive Produkte auf Wandelanleihen?Es gibt einen ETF von State Street, der ebenfalls global investiert, aber eine eigene Benchmark hat. Er ist zudem nicht währungsabgesichert, rund 80 % sind außereuropäische Positionen. Dann gibt es noch einen passiven Fonds von Unicredit, der in europäische Wandelanleihen investiert. Ansonsten finden sich wenige Anbieter, denn es ist sehr schwierig und sehr kostenintensiv, den Markt passiv abzubilden.- Mit welchen Transaktionskosten ist zu rechnen?Die Geld-Brief-Spanne beträgt in der Regel einen Viertelpunkt bei größeren liquiden Titeln. Bei weniger liquiden Titeln steigt sie auf einen halben Punkt, manchmal auch mehr. Bei Steinhoff waren es zeitweise bis zu 10 Prozentpunkte. Die meisten Transaktionen laufen over the counter. Dies macht es für Privatanleger sehr schwer, in diesen Markt vorzudringen.- Wie ist derzeit Ihre Duration?Bezieht man die Verkaufsoptionen für Investoren in die Laufzeitlänge mit ein, fällt unsere Duration im Mittel kürzer aus als in der Benchmark und liegt aktuell bei 2,3 Jahren. Seit ich Wandelanleihenmanager bin, lag die Duration immer zwischen zwei bis drei Jahren. Das heißt, die Zinssensitivität ist strukturell gering. Wenn die Zinsen tatsächlich stärker anziehen sollten, wäre die Assetklasse Wandelanleihen weniger davon betroffen.- Haben die Anleihenkäufe der Notenbanken zu Verzerrungen im Wandelanleihenmarkt geführt?Die Notenbanken waren nie in diesem Segment unterwegs. Indirekt gab es in Teilen Auswirkungen. Am Bondmarkt gab es schwierige Phasen, als die Energiepreise unter Druck waren, der High-Yield-Bereich schwach war und der Markt austrocknete. Bei Wandelanleihen war dies nicht der Fall. Trotz der relativ geringen Größe war die Liquidität immer vergleichsweise hoch. Der Händler kann sich sein Delta durch ein gewisses Aktienexposure sichern und damit auch in eher schwierigem Marktumfeld Liquidität zur Verfügung stellen. Das ist ganz charmant mit Blick auf 2018, wenn die Volatilität vielleicht insgesamt anzieht.- Wie schafft es ein aktiver Manager, Mehrwert im Bereich der Konvexität zu erzielen, wenn alle Investoren so stark auf die Konvexität achten?Alle streben Konvexität an. Da sind Titel mit einem Delta von 30 % bis 60 % generell am stärksten nachgefragt. Nun hatten wir bei unseren Fonds die Möglichkeit, ein anderes Setup vorzunehmen. Für uns sollte zwar im Mittel die Konvexität im Fokus stehen, aber nicht ausschließlich. Wir nehmen auch Titel mit Anleihencharakter auf oder Wandelanleihen mit höherem Aktiencharakter, sofern sich interessante Opportunitäten ergeben. Damit erhalten wir eine höhere Flexibilität innerhalb unseres Anlageuniversums. Auch sichern wir die Währungen ab.- Warum?Das Überschießen am Währungsmarkt verzerrt die Preise im Wandelanleihenmarkt und hat mit Konvexität nicht viel zu tun. Aufgrund der Verteilung der Titel haben wir ein starkes Übergewicht im Dollar- und Yen-Raum. Die Dollar-Schwäche hätte einen großen Einfluss auf unser Portfolio gehabt. Das ist nichts für risikoaverse Investoren. Daher sichern wir Währungsschwankungen grundsätzlich ab.- Was kostet die Absicherung?Entscheidend ist die Zinsdifferenz der betreffenden Währungsräume. Aktuell ist diese zwischen Euro und US-Dollar besonders ausgeprägt. Wir nehmen das Währungsrisiko rollierend heraus. Sonst würde die Volatilität des Fonds deutlich höher sein. Unsere Zielgröße liegt bei 5 % bis 7 %. Mit einer offenen Währung müsste man zwei bis drei Volatilitätspunkte dazu nehmen.- Welchen Einfluss hat die derzeit sehr niedrige implizite Volatilität im Markt?Das Wandelrecht, also die Call-Option, basiert am Ende auch auf Black-Scholes, das heißt, die impliziten Volatilitäten sind eine Größe im Wandelrecht. Wenn es zu einem Anstieg der Volatilität kommt, haben wir hier eine Art “Airbag” eingebaut, weil das Wandelrecht davon eher profitiert, auch wenn der Preis der Aktie und damit der Wert des Wandelrechts eher fällt. Dieser Automatismus macht es für Assetmanager und Investoren etwas einfacher, weil sie weniger abhängig von Market-Timing-Überlegungen sind.- Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Auswahl?Für uns ist die globale Perspektive die entscheidende. Wir kommen auf rund 1 000 Titel, die handelbar sind. Sich auf eine Region zu beschränken, würde wenig Sinn machen, denn regional zeigen sich starke Sektorunwuchten. Viele Technologie-Wandelanleihen kommen aus den USA, während in Europa und insbesondere in Deutschland viele Wandler aus dem Immobiliensektor kommen. Deutsche Wohnen, LEG und Immofinanz sind etwa sehr stark vertreten. In Asien sind es vor allem Industrietitel und außerhalb Japans viele Titel aus dem zyklischen Konsum. Für ein ausgewogenes Portfolio bin ich als Investor fast gezwungen, global vorzugehen. Wir haben zudem die Möglichkeit, nicht nur in Investment-Grade-Titel zu investieren, sondern auch in Papiere darunter bis zu einem Mindestrating von B – . Damit kommen wir noch nicht in den Bereich hinein, wo der Bond Floor, also die Bewertung als reine Unternehmensanleihe, zu wacklig würde.- Wie sieht Ihre Zusammensetzung in puncto Rating aus?Aktuell liegt der Schwerpunkt im Investment-Grade-Bereich, rund ein Drittel liegt im Sub-Investment-Grade-Bereich. Im besseren Sub-Investment-Grade-Bereich sind viele Wachstumstitel aus dem Technologiebereich angesiedelt, die gerade zum Sprung in Richtung Investment-Grade-Qualität ansetzen. Wandelanleihen dienten ursprünglich der Refinanzierung von Wachstumsunternehmen. Auf diese Emittenten legen wir unseren Fokus, um von den Wachstumsaussichten zu profitieren sowie von M & A-Aktivitäten. Im Wandelanleihenmarkt gibt es den schönen Begriff der Übernahmeschutzklausel. Der ist in vielen Prospekten vorhanden und gibt dem Investor die Möglichkeit, dass er als Wandelanleiheneigner nicht schlechter, teilweise sogar besser als der Aktionär behandelt wird, kommt es zur Übernahme der Aktie.- Können Sie Ihre Auswahl noch etwas präzisieren?Ein wichtiges Kriterium ist das Risiko-Rendite-Profil. Bei Wachstumstiteln achten wir darauf, dass es sich um einen möglichen M & A-Kandidaten handelt. Sodann auf die erwähnten Übernahmeschutzklauseln. Wichtig sind ebenfalls die Qualität der Anleihe und die Sensitivität gegenüber der Aktie sowie die Fristigkeiten. Dann gilt es, die Bewertung einzubeziehen – steht das Papier weit über dem rechnerischen Wert oder nicht? Viele unserer Mitbewerber achten sehr stark auf die Bewertung. Manchmal geht hier der Wald vor lauter Bäumen unter, und die Aktien- oder Bondqualität oder Spezifika der Wandelrechte werden zu wenig berücksichtigt.- Schauen Sie sich Contingent Convertibles – Cocos – an, also Zwangswandelanleihen von Banken?Wir filtern alle Anleihen heraus, die nicht konvex sind, also auch Cocos. Wir investieren grundsätzlich nicht in Aktienanleihen oder Reverse Convertibles, ebenso wenig in wandelbare Vorzugsaktien, wie sie in den USA oft vorkommen. Wir haben einen klaren Fokus auf klassische Wandelanleihen und Umtauschanleihen, behalten uns aber vor, eine kleine Anzahl Pflichtwandelanleihen, also Mandatories, in das Portfolio zu nehmen, sofern die Aktieneinschätzung auf kürzere Sicht klar positiv ausfällt. Phasenweise hatten wir so auch die Pflichtwandelanleihen auf die Bayer-, die Anglo-American- und die KPN-Aktie im Portfolio. Stand heute haben wir ausschließlich Wandel- und Umtauschanleihen und eine Kassenquote von etwa 2 %. Wir machen abgesehen von Währungsabsicherungen dabei kein derivatives Overlay.- Wie sieht es mit synthetischen Wandelanleihen aus?Es gibt zwei Spielarten: solche, die von Investmentbanken zusammengebaut werden. Ein großes Problem dabei ist das Gegenparteirisiko. Unter Aspekten der Finanzmarktrichtlinie Mifid II kommt das Problem hinzu, dass es dafür keinen Markt gibt, sondern nur eine Gegenpartei. Eine Best Price Policy ist so nicht möglich. Die zweite Spielart ist, auf eine Unternehmensanleihe eine Call-Option zu legen, was zusammengenommen etwas Wandelanleihen-Ähnliches ergibt. Allerdings ist die Laufzeit der Option wesentlich kürzer als die in Wandelanleihen eingebauten Optionsrechte. Laufzeiten von mehr als sechs bis neun Monaten sind am Markt praktisch nicht verfügbar. Das heißt, diese Option muss gerollt werden, was hohe Handelskosten verursacht. Auch fehlt eine Übernahmeschutz- oder Dividendenschutzklausel, also wichtige Aspekte, die eine Wandelanleihe attraktiv machen.—-Das Interview führte Dietegen Müller.