TECHNISCHE ANALYSE

Warten auf die Jahresend-Rally

Von Christian Henke*) Börsen-Zeitung, 16.10.2019 Vor genau zwei Wochen hat der "goldene" Oktober und somit das Schlussquartal begonnen. Und wie jedes Jahr drängt sich bei den Anlegern die Frage nach einer Jahresend-Rally auf. Aber auch die...

Warten auf die Jahresend-Rally

Von Christian Henke*)Vor genau zwei Wochen hat der “goldene” Oktober und somit das Schlussquartal begonnen. Und wie jedes Jahr drängt sich bei den Anlegern die Frage nach einer Jahresend-Rally auf. Aber auch die derzeitige Entwicklung im Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China dürfte weiterhin das zentrale Thema an den Finanzmärkten bleiben. Zuletzt waren die Auswirkungen des seit fünfzehn Monaten andauernden Zollstreits in der Realwirtschaft angekommen. Um eine globale Rezession zu vermeiden, wäre eine Einigung zwischen Washington und Peking mehr als wünschenswert. Auch im Sinne der Marktteilnehmer. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die charttechnische Verfassung des deutschen Leitindex und auch auf das eingangs erwähnte saisonale Muster. Starkes SchlussquartalStatistisch betrachtet, haben die Bullen einen wichtigen Vorteil, nämlich das Schlussquartal. Aus diesem Grund haben wir uns die Kursentwicklung des Dax in den zurückliegenden 22 Jahren angeschaut. In 18 Jahren konnte das heimische Börsenbarometer zwischen Anfang Oktober und Ende Dezember durchschnittlich um 5,8 % zulegen. Die Trefferquote von mehr als 80 % bestätigt die Signifikanz des saisonalen Musters. Ausgehend vom Schlusskurs Ende September könnte der Dax am Silvesterabend bis auf 13 150 Punkte steigen. Allerdings sollte die Saisonalität nicht alleine als Einstiegssignal verwendet werden. In den Jahren 2017 und vor allem 2018 warteten die Anleger vergebens auf einen Jahresendspurt. Im vergangenen Jahr büßte der deutsche Leitindex mehr als 13 % ein. Die derzeitigen geopolitischen Risiken wie beispielsweise der Zollstreit sowie der Brexit könnten eine Jahresend-Rally verhindern. Des Weiteren könnte sich der erwähnte Effekt zeitlich verschieben. 2019 ist ein sogenanntes Vorwahljahr. Die Jahresend-Rally könnte dann nicht Anfang Oktober, sondern erst Mitte November starten. Übergeordnete Korrektur Charttechnisch betrachtet, würde ein Jahresendspurt dem Dax sehr guttun. Seit dem Allzeithoch im Januar 2018 hält sich der deutsche Leitindex immer noch in einer Korrekturphase auf. Die historische Bestmarke bei rund 13 600 Punkten stellt die Obergrenze der momentanen Handelsspanne dar. Erst bei einem Monatsschlusskurs darüber könnte die mittelfristige Aufwärtsbewegung wieder aufgenommen werden. Allerdings scheint sich das Erreichen der Rekordmarke ein wenig schwierig zu gestalten.Ausgehend vom Hoch von Januar des vergangenen Jahres wurden im Langfristchart drei Abwärtstrendlinien eingezeichnet, die auch als Fächerlinien bekannt sind. Zwei davon konnten mittlerweile erobert werden. Nur die dritte Abwärtstrendlinie bei aktuell 12 510 Zählern bereitet Probleme. Diese Hürde gilt es bis Ende dieses Monats zu überspringen. Anschließend sollte dann noch die waagerechte Trendlinie bei 12 860 Punkten niedergerungen werden. Erst dann wäre der Weg frei bis zur psychologischen Marke bei 13 000 Zählern. Vom Rekord weit entferntAngesichts des unsicheren Ausgangs bzw. der möglichen Fortsetzung des Dramas “Handelskonflikt” können neuerliche Schwächephasen nicht ausgeschlossen werden. Der Dax verfügt im Kursbereich bei 11 815/11 840 Punkten über ein solides Rückzugsgebiet in Form der horizontalen Unterstützung sowie des wieder steigenden einfachen Zwölfmonatsdurchschnitts. Wie wir im Monatschart sehen, ist der Dax noch recht weit von seinem Rekordhoch entfernt. Auch die Pendants in den USA wie der S&P 500, Dow Jones sowie die Technologiebörse Nasdaq hatten sich unlängst von ihren Bestmarken gen Süden verabschiedet. Dennoch gibt es einen Hoffnungsschimmer, den wir auf der Indikatorenseite ausmachen. Die Rede ist von den Bollinger-Bändern. Diese wurden von John Bollinger ursprünglich zur Identifikation von überkauften und überverkauften Situationen entwickelt. Allerdings können diese auch als Trendfolgeansatz verwendet werden. Die Einstellung sind zwölf Monate und eine Standardabweichung. Die herkömmliche Herangehensweise sieht eine zweifache Standardabweichung vor. Allerdings sollen zur Signalgenerierung mehrere Kurse außerhalb der Bänder liegen. Bei einem Monatsschlusskurs oberhalb des oberen Bandes springt die technische Ampel auf Grün. Unterhalb des unteren Bandes liegt ein mittelfristiges Verkaufssignal vor. Kaufsignal Ende Juni schloss der Dax oberhalb des oberen Bandes. Das zu diesem Zeitpunkt generierte Kaufsignal hat bis zum heutigen Tag Gültigkeit, wenngleich ein Aufwärtsimpuls noch auf sich warten lässt. Unterhalb des unteren Bandes bei aktuell 11 255 Punkten würde sich die Situation schlagartig verschlechtern. Langfristig betrachtet, ist dieser Trading-Ansatz vielversprechend. In den zurückliegenden zwanzig Jahren hat der deutsche Leitindex eine Trefferquote von mehr als 80 % verzeichnet. Auch jenseits des Atlantiks war die genannte Handelsstrategie bislang erfolgreich. Der S&P 500 sowie der Nasdaq 100 kommen auf ähnlich hohe Trefferquoten. Lediglich beim Dow Jones Industrial Average liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit bei “nur” rund 67 %. *) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG.