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Warum dem Dollar ein Super-Zyklus bevorstehen dürfte

Noch Anfang des Jahres schien ein Euro-Comeback ausgemachte Sache. Doch nun scheint ein Umdenken stattzufinden und immer mehr Devisenstrategen gehen davon aus, dass der Greenback für lange Zeit weiter stark bleiben wird.

Warum dem Dollar ein Super-Zyklus bevorstehen dürfte

Devisenwoche

Warum dem Dollar ein Super-Zyklus bevorstehen dürfte

Von Xueming Song *)

Noch Anfang des Jahres schien ein Euro-Comeback ausgemachte Sache: Binnen 24 Monaten werde die Gemeinschaftswährung zum Dollar wieder auf 1,25 steigen, waren sich viele Währungsexperten seinerzeit sicher. Doch nun scheint ein Umdenken stattzufinden und immer mehr Devisenstrategen gehen davon aus, dass der Greenback für lange Zeit weiter stark bleiben wird. Diese Verschiebung der Erwartung ist von einer Reihe wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen auf beiden Seiten des Atlantik begünstigt worden.

So hatte es noch im März danach ausgesehen, dass Deutschland eine Rezession vermeiden kann. Doch die anhaltend hohe Inflation setzte den Konsumenten stark zu und der Verbrauch schwächte sich deutlich ab. Gleichzeitig entwickelte sich die US-Wirtschaft erstaunlich gut, was für eine Wende beim Wechselkurs von Euro zu Dollar sorgte.

Hinzu kam im Frühjahr das Ergebnis des Ringens um die Schuldenobergrenze in den USA, das sich über Monate hingezogen hatte: Damit musste das Finanzministerium die über diesen Zeitraum aufgestauten Anleihenemissionen forciert auf den Markt bringen. Als Ergebnis begannen die Renditen der Treasuries stark zu steigen. Den Kapitalmarktteilnehmern wurde so schlagartig wieder in Erinnerung gerufen, dass die USA einen gewaltigen Schuldenberg in Höhe von 123% des Bruttoinlandsprodukts vor sich herschieben, der jetzt zu einem Zinssatz refinanziert werden muss, der um ein Vielfaches höher liegt als noch vor 24 Monaten.

Der starke Greenback ist also letztlich vor allem eine Folge der US-Haushaltspolitik der vergangenen Jahre. So hatte die Regierung während der Corona-Krise gigantische Fiskalpakete geschnürt, die zu Budgetdefiziten von 14,9% im Jahr 2020 und 12,3% im Jahr 2021 führten. Zwar stürzte die Wirtschaft aufgrund dieser Stimuli nicht ab, aber die Staatsverschuldung stieg von 107% per 2019 auf 127% ein Jahr später. Die Situation ist vergleichbar mit den Anfängen der Präsidentschaft von Ronald Reagan zu Beginn der 1980er Jahre: Als der Republikaner ins Amt kam, verordnete er schnell enorme Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung. Der daraus resultierende hohe Fehlbetrag ließ das Leistungsbilanzdefizit und auch die Rendite der US-Staatsanleihen kräftig steigen. Der folgende Kapitalzufluss führte zu einem anhaltend festen Greenback.

Die Ausgangslage ist also vergleichbar, fraglich ist jedoch, ob der Dollar auch dieses Mal langfristig stark bleiben wird. Derzeit sieht es zumindest danach aus, denn die Zinsen sollten sehr hoch bleiben. Traditionell haben die US-Bürger eine niedrige Sparquote, so dass die in den vergangenen Dekaden gemachten Schulden vor allem international finanziert werden mussten. Das gelang, weil der Greenback eine Reservewährung war. Dieser Status wird nun jedoch zunehmend durch die Diskussion über eine „De-Dollarization“ in Zweifel gezogen. Zudem parken die Schwellenländer ihre Reserven nicht mehr überwiegend im Greenback, sondern zunehmend auch in andere Währungen und auch Gold. Auch die traditionellen Petro-Dollar gehen weniger in US-Staatsanleihen, weil beispielsweise Saudi-Arabien seine Reserven auch in andere Asset-Klassen investiert. Hinzu kommt, dass die auf eine Reduzierung geopolitischer Risiken abzielende Politik des Westens den Handelsbilanzüberschuss Chinas schrumpfen lässt, weshalb das Land weniger Treasuries kauft. Unter dem Strich müssen die USA jetzt also richtig um internationales Kapital kämpfen. Die wirksamsten Mittel sind dabei hohe Renditen und ein starker Greenback.

Die Federal Reserve hat bei ihrer Sitzung im September klargemacht, dass die Zinsen „higher for longer“ bleiben werden. Hintergrund ist die Sorge, dass die Inflation nicht schnell genug sinken wird. Im Chor mit anderen Notenbankern haben die US-Währungshüter schon früh darauf hingewiesen, dass eine auf die Reduzierung von geopolitischen Risiken und CO2-Ausstoß gerichtete Politik langfristig inflationstreibend ist. Gleichzeitig begünstigt die demographische Entwicklung in den Industrieländern den Produktionsfaktor Arbeit. Nicht umsonst finden auf einmal in den USA verstärkt Streiks für höhere Löhne statt, was dort eher ungewöhnlich ist. Nach der Beilegung des Streiks der Hollywood-Drehbuchautoren kommen nun die Beschäftigten der Automobilindustrie, die eine Lohnerhöhung von 30% verlangen. Die durch die Corona-Pandemie und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bedingte Inflation könnte so verlängert werden.

Mieser Mix

Die USA haben also einen hohen Bedarf an Kapital, um das Haushaltsdefizit zu decken und die Staatsschulden zu refinanzieren. Der hohe Zinssatz von 5,5% führt zu einem langanhaltend starken Dollar. Die Geschichte hat freilich gezeigt, dass diese Kombination nichts Gutes verheißt für die Weltwirtschaft. Besonders fraglich ist, ob die Schwellenländer die hohe Zinslast tragen und die Schulden noch refinanzieren können. Schon nach der Corona-Krise hatte der Internationale Währungsfonds eine Initiative gestartet, damit die Schwellenländer ihre Verbindlichkeiten langfristig zu niedrigen Zinsen refinanzieren konnten. Nun sieht die Sachlage jedoch ganz anders aus und beispielsweise Kenia denkt schon laut darüber nach, seine Schulden zu restrukturieren.

Die Auswirkungen lassen sich jedoch am besten am Beispiel China verdeutlichen: Das Land steckte wegen der Corona-Pandemie und den Problemen am Immobilienmarkt schon in Schwierigkeiten, bevor die Zinsen in den USA massiv angehoben wurden. Nun wird berichtet, dass pro Quartal 30 Mrd. bis 50 Mrd. Dollar an Finanzmarktinvestitionen das Land verlassen, und zwar schon seit rund sechs Vierteljahren. Ebenfalls zu beobachten ist, dass chinesische Banken ihr Geld inzwischen in Hongkong anlegen, weil die Zinsen dort 4 Prozentpunkte höher liegen, obwohl das Land eine strikte Kapitalkontrolle verfolgt. Vor dem Hintergrund der abwertenden Landeswährung lassen die Exporteure ihre Einnahmen in Dollar liegen und kassieren ebenfalls höhere Zinsen.

In den Industrieländern führte ein starker Anstieg der Zinsen oft zu heftigen Korrekturen an den Aktienmärkten mit desaströsen Folgen wie dem Platzen der Immobilienblase in Japan und der Dotcom-Blase weltweit. Der zinssensitive Bausektor in Europa liegt schon heute am Boden und die Ausfallraten bei hochverzinslichen Anleihen steigt rasant. Und diese Entwicklungen stehen gerade erst am Anfang.

*) Xueming Song ist Chef-Währungsstratege der DWS.

*) Xueming Song, Chef-Währungsstratege der DWS.