GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt

Warum EM-Lokalwährungsanleihen weiter „outperformen“ dürften

Im Anlagethema im Brennpunkt legt Carlos de Sousa, Portfoliomanager bei Vontobel, dar, warum Emerging-Markets-Lokalwährungsanleihen weiter „outperformen“ dürften.

Warum EM-Lokalwährungsanleihen weiter „outperformen“ dürften

Anlagethema im Brennpunkt (287)

Warum EM-Anleihen in Lokalwährung outperformen

Nach mehreren schwachen Jahren drohten Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen (EM-Lokalwährungsanleihen) aus dem Blickfeld der Anleger zu geraten. Doch dieses Jahr melden sie sich eindrucksvoll zurück: In den ersten sechs Monaten des Jahres legten EM-Lokalwährungsanleihen gemessen am J.P. Morgan Global Bond Index EM in Dollar um 7,8% zu. Damit übertrafen sie sowohl Schwellenlandanleihen in Hartwährungen als auch Unternehmensanleihen aus Schwellenländern deutlich. Diese erzielten, gemessen an den jeweiligen Indizes, Renditen von 3,4 respektive 3,6%. Fünf Gründe sprechen dafür, dass EM-Lokalwährungsanleihen ihre überdurchschnittliche Performance in den nächsten zwölf Monaten fortsetzen werden.

Der erste Grund: Die Zentralbanken der Schwellenländer haben ihre Leitzinsen viel früher und aggressiver angehoben als die Notenbanken der Industrieländer. Damit bauten sie ihre Mehrrendite („Carry“) trotz der Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed weiter aus. Ganz im Gegensatz zu 2018, als nur die Fed die Zinsen anhob, während die Zentralbanken der Schwellenländer kein Inflationsproblem zu bekämpfen hatten. Während 2018 der Carry der Lokalwährungen erodierte, stieg er im Jahr 2022 weiter an. Das stützt die Währungen der Schwellenländer.

Trotz der gestiegenen Euro- und Dollarzinsen sollten Anleger Schwellenländer nicht übersehen. Sechsmonatige US-Schatzbriefe rentieren bei fast 5,5% und sechsmonatige Bundeswertpapiere bei 3,5%. Dagegen zahlen entsprechende brasilianische Zinspapiere mehr als 12%. Nun könnte man vermuten, die höheren Zinsen seien ein Resultat höherer Inflation in Brasilien und anderen Schwellenländern. Doch wir leben in ungewöhnlichen Zeiten, und das bringt uns zum zweiten Argument für Emerging-Markets-Lokalwährungsanleihen. Tatsächlich sinkt die Inflation in den Schwellenländern genauso schnell und teils schneller als in den Industrieländern, und in einigen Fällen liegt sie bereits darunter. Auch das illustriert das Beispiel Brasilien: Hier erreichte die Teuerung im April 2022 einen Höchststand von mehr als 12%. Bis Mai dieses Jahres sank sie aber unter 4% – und liegt damit deutlich unter den zuletzt 6,1% in der Eurozone. Die hohen nominalen Zinssätze, die einige Schwellenländer bieten, sind keine inflationsbedingte monetäre Illusion. Vielmehr stehen dahinter in vielen – insbesondere lateinamerikanischen – Ländern auch hohe Realzinsen.

Drittens: Die Währungen der Schwellenländer gaben mit Beginn der Pandemie nach, ihre Bewertungen wurden damit attraktiver. Heute, rund drei Jahre später, haben sich die EM-Währungen erholt und sind weitgehend angemessen bewertet. Künftige Währungsgewinne dürften daher geringer ausfallen als in der jüngsten Vergangenheit. Das Bild ist aber sehr heterogen: Während einzelne osteuropäische Währungen, aber auch der mexikanische Peso überbewertet scheinen, sind andere Währungen wie der kolumbianische Peso immer noch günstig. Ein weiteres wichtiges Argument für EM-Lokalwährungsanleihen ist die geringe Allokation in der Anlageklasse. Heute halten Investoren viel geringere Bestände in EM-Lokalwährungsanleihen als vor zehn Jahren.

Letztlich haben in einigen Schwellenländern wie der Dominikanischen Republik, Costa Rica, Uruguay oder Ungarn die Zentralbanken angesichts der rasch sinkenden Inflation bereits erste Zinssenkungen eingeleitet. Wir gehen davon aus, dass bald auch mehrere größere Länder Lateinamerikas und Osteuropas folgen. Sinken die Zinsen, steigen im Umkehrschluss die Anleihenkurse – sie dürften damit die Wechselkursgewinne als Hauptrenditetreiber ablösen.

EM-Lokalwährungsanleihen sind nicht nur aufgrund der veränderten Zinsbedingungen interessant. Typischerweise bieten Lokalwährungen hohe laufende Zusatz- und Gesamterträge. Zwar müssen Anleger trotz vorhandenen Aufwertungspotenzials das Währungs- und Volatilitätsrisiko berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der geringeren Anfälligkeit für externe Schocks und der Diversifizierungsvorteile erscheinen die attraktiv bewerteten EM-Lokalwährungsanleihen aber als eine Option, die man in Betracht ziehen sollte.

Carlos de Sousa

Portfoliomanager Vontobel

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