Was Liquid Alternatives für Investoren interessant macht
Die Investitionen in sogenannte Liquid Alternatives sind in den letzten Jahren rasant gewachsen. Das Volumen der in Deutschland vertriebenen Fonds hat sich zwischen 2009 und Ende 2020 von rund 55 Mrd. Euro auf rund 250 Mrd. Euro mehr als vervierfacht, ergibt eine Studie der Fondsgesellschaft Lupus Alpha, die sich dabei auf Analysen des Wirtschaftsinformationsdienstes Refinitiv stützt. Zugleich hat sich eine langsame, aber kontinuierliche Verschiebung der Investorenbasis von Privatkunden hin zu institutionellen Investoren vollzogen. Ihr Anteil an den Gesamtinvestitionen hat sich laut Refinitiv in diesem Zeitraum mehr als verachtfacht.
Zu den Liquid Alternatives werden nach Definition des Bundesverbandes Alternative Investments e.V. (BAI) vorwiegend „Hedgefonds-Strategien im OGAW-Mantel“ gezählt. Mit den „Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“ (OGAW oder englisch Ucits) wird die Art und Weise geregelt, wie Fonds in Wertpapiere und andere Finanzinstrumente investieren. Die EU-Richtlinie bietet einheitliche Standards für den Anlegerschutz, OGAW-Fonds gelten als die höchstregulierten Vehikel für Geldanlagen weltweit. Im Vergleich zu den Managern klassischer Hedgefonds, die im Prinzip mit allen Freiheiten ausgestattet sind, wird das Management von OGAW-Fonds an die Leine genommen. Es muss eine deutlich höhere Liquidität und Transparenz zur Verfügung stellen. Außerdem sind die Investition in bestimmte Wertpapiergattungen und die Nutzung einiger Instrumente im OGAW-Mantel nicht zulässig. Zum Beispiel ist es untersagt, in notleidende Kredite, auch Distressed Debt genannt, zu investieren.
Bei vielen klassischen Investmentfonds wird der Erfolg des Managements relativ gemessen. Das Ziel ist es, einen Referenzindex zu übertreffen, der beispielsweise die Performance eines bestimmten Aktienmarktes abbildet. Das Management gilt als erfolgreich, wenn sich das Portfolio besser entwickelt hat als der Referenzmarktindex – ob dies nun Dax, S&P 500 oder ein anderer ist. Ein solcher relativer Erfolg lässt sich also auch dann erreichen, wenn das Investment in absoluten Zahlen betrachtet eine negative Rendite erzielt hat.
Liquid Alternatives wählen üblicherweise einen Absolute-Return-Ansatz: Sie verfolgen für ihre Anleger das Ziel, möglichst unabhängig von der allgemeinen Marktentwicklung eine positive absolute Wertsteigerung über einen festgelegten Zeitraum, meistens ein Jahr, zu erreichen.
Dazu nutzt das Liquid Alternative Management ein deutlich breiteres Spektrum an Instrumenten als die Kolleginnen und Kollegen bei den klassischen Investmentfonds. Es bedient sich dabei Werkzeugen, die ansonsten vor allem mit unregulierten Hedgefonds assoziiert werden. Hierzu zählen Leerverkäufe, mit denen bei fallenden Kursen Gewinne erzielt werden können. Da direkte Leerverkäufe im OGAW-Mantel nicht zulässig sind, verwenden Liquid Alternative Manager stattdessen Derivate wie Futures oder Swaps. Im Idealfall profitieren sie nicht nur von Kurssteigerungen ihrer Kaufpositionen, sondern zusätzlich von Kursverlusten jener Wertpapiere, bei denen eine leerverkaufsähnliche Position eingegangen wurde. Da dem Kurswert einer Anlage nach oben theoretisch keine Grenzen gesetzt sind, ist das Verlustrisiko derartiger Leerverkaufspositionen potenziell unendlich, während es beim Kauf von Wertpapieren auf den Einstiegswert der Investition begrenzt ist. Dem Risikomanagement kommt beim Einsatz derartiger Instrumente also eine wesentlich bedeutendere Rolle als bei traditionellen Investments zu.
Zusätzlich können Manager von Liquid Alternatives bis zu einem gewissen Grad Kredite aufnehmen. Auf diese Weise kann das Volumen des gehandelten Fonds und damit auch die mögliche Rendite erhöht werden. Diese Leverage genannte Hebelwirkung sorgt auf der Gegenseite gleichsam für ein erhöhtes Verlustrisiko, wenn die Kurse sich anders entwickeln als vom Fondsmanagement erwartet. Um dieses Risiko im Vergleich zu unregulierten Hedgefonds zu begrenzen, ist die maximale Höhe der eingesetzten Kredite durch die OGAW-Richtlinie strikt geregelt.
Der erfolgreiche Umgang mit beiden Instrumenten, Leerverkauf sowie Leverage, erfordert viel Know-how sowie Erfahrung des Fondsmanagements. Gut eingesetzt können mit ihnen Preisschwankungen wesentlich besser und effizienter kontrolliert und die Ergebnisse von Analysen zielgerichteter umgesetzt werden. Dies ermöglicht die Realisierung von Gewinnen unabhängig von der allgemeinen Marktentwicklung.
Nicht jeder Fondsmanager hat die Fähigkeiten, um mit den beiden „Schwertern“ Leerverkauf und Leverage richtig umzugehen. Aus Investorensicht ist bei der Auswahl eines Liquid-Alternative-Produktes die Prüfung des Fondsmanagements entsprechend wichtig. Qualifikation und ein professionelles Set-up können Hinweise auf die Kompetenz geben und wichtige Erfolgsfaktoren darstellen.
Im Umfeld immer neuer Höchststände an den internationalen Aktienmärkten und der anhaltenden Niedrigzinsphase suchen Investoren verstärkt nach renditebringenden Anlagealternativen. Viele Liquid Alternatives waren in der Vergangenheit mit den traditionellen Assets Aktien und Renten positiv korreliert – alle drei konnten gleichzeitig Gewinne erzielen. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Gleichschritt in allen Marktphasen zu erwarten ist. Gerade dies macht Liquid Alternatives für viele Investoren interessant.
Eine Beimischung von Liquid Alternatives kann die Schwankungsbreite auf Gesamtportfolioebene verringern und gleichzeitig das Ertragspotenzial erhöhen. Dies gilt insbesondere in der aktuellen Niedrigzinsphase, aber auch in Marktphasen, in denen sich traditionelle Assets hoch korreliert verhalten. Unter Zugrundelegung der Anlagerichtlinien kann ein individueller Anteil an Liquid Alternatives das Portfolio also sinnvoll ergänzen und die Sharpe Ratio, also das Verhältnis von Rendite zur Volatilität, verbessern. Je nach Renditeerwartung für Anleihen und Aktien kann es sogar sinnvoll sein, Liquid Alternatives als Kerninvestment und die beiden anderen Assetklassen als Satelliten einzusetzen.
Tatsächlich erfüllen Liquid Alternatives aus Sicht vieler institutioneller Investoren die Anforderungen des magischen Dreiecks der Vermögensanlage aktuell besser als Aktien oder Renten: Liquidität, Rendite und Sicherheit. Die mögliche Unkorreliertheit ist dabei ein angenehmer Nebeneffekt. Um Liquid Alternatives in ihrer ganzen Vielfalt erfolgreich zu nutzen, bietet sich der Aufbau eines Portfolios aus diversen Strategien und Managern an. So eröffnet sich der Zugang zu einer Vielzahl unterschiedlichster Ertragsquellen und das Portfolio wird robuster gegenüber Marktverwerfungen. Bei der Auswahl kann sich daher der Einsatz eines erfahrenen Dachfondsmanagers oder Consultants auszahlen, auch wenn sich hierdurch eine zusätzliche Kostenebene ergibt. Denn aufgrund der Heterogenität der Liquid-Alternative-Strategien kann sich selbst innerhalb einzelner Subsegmente eine hohe Streuung zwischen den Managern ergeben. So berichtet der Research-Spezialist Kepler Absolute Hedge von einer Streuung im Bereich Equity Hedge allein im ersten Quartal 2021 von 22,8%: Der beste Manager konnte in diesem Zeitraum eine positive Performance von 10,4% erzielen, während der schlechteste 12,4% verlor.
Ein gutes Dachfondsmanagement bietet noch weitere Vorteile: Zum einen genießt es als Großinvestor Vorteilskonditionen bei verschiedenen Anteilsklassen und bei Fonds, in die es vom Start weg investiert. Zudem ermöglicht die Investition in einen Dachfonds Anlegern die Partizipation an der weiteren Entwicklung erfolgreicher Fonds, die eigentlich bereits geschlossen sind. Darüber hinaus stellt ein gutes Dachfondsmanagement die regelmäßige Adjustierung der Positionsgrößen auf Grundlage eines kontinuierlichen Risikomanagements sicher. Das Portfolio wird im Sinne eines aktiven Managements laufend geprüft und um interessante neue Anlageideen erweitert. Gerade bei Liquid Alternatives bietet ein Dachfonds Investoren also eine erwägenswerte Möglichkeit des Marktzugangs, wenn Know-how oder Kapazitäten für ein eigenes Management nicht ausreichend vorhanden sind.