GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (349)

Was uns in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts erwartet

Die nächste Zeit dürfte maßgeblich durch die Entwicklung und Interaktion von Verschuldung, Deglobalisierung, Demografie, Dekarbonisierung und Digitalisierung geprägt sein.

Was uns in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts erwartet

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (349)

Was uns in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts erwartet

Wir nähern uns der Mitte eines Jahrzehnts, das bisher geprägt war durch eine unsichere Zeit von Lockdowns, Kriegen und starken Zinserhöhungen. Aber auch eines Jahrzehnts, das die enorme Anpassungsfähigkeit von Unternehmen sowie Konsumentinnen und Konsumenten, den Aufstieg der künstlichen Intelligenz (KI) und nahezu eine Verdopplung der US-Unternehmensgewinne erlebte.

Mit Blick auf das Jahr 2025 gehen wir bei UBS Global Wealth Management von weiterhin stetigem US-Wachstum, angetrieben durch starken Konsum, aus. Eine tiefere Inflation sollte es der US-Notenbank Fed und anderen Zentralbanken wie der Europäischen Zentralbank ermöglichen, die Zinsen weiter zu senken und reale Zinsen auf weniger restriktive Niveaus zu bringen. In Asien besteht die Möglichkeit von belastenden Zöllen für China, aber Konjunkturmaßnahmen könnten die Auswirkungen abmildern. Europa sollte auch aufgrund von Zollrisiken vor unebenem, aber insgesamt niedrigem Wachstum stehen. Ein Umfeld von niedrigeren Leitzinsen, robustem Gewinnwachstum vor allem in den USA und (geo-)politischen Risiken spricht aus Anlegersicht für Qualitätsanleihen mittlerer Duration, ein fortgesetztes Engagement in Aktien mit regionalem Fokus auf die USA (unsere bevorzugten Sektoren aktuell sind Technologie, Versorger und Finanztitel) sowie in Gold und alternative Anlagen.

Von „Five D's“ geprägt

Über die kurzfristigen Betrachtungen hinaus glauben wir, dass die zweite Hälfte des Jahrzehnts maßgeblich durch die sogenannten „Five Ds“ geprägt sein. Diese sind Debt (Verschuldung), Deglobalisierung, Demografie, Dekarbonisierung und Digitalisierung:

· Debt (Verschuldung): Fiskalische Anreize nach der Pandemie, alternde Bevölkerungen und erhöhte Verteidigungsausgaben haben dazu geführt, dass die Staatsverschuldung seit Beginn des Jahrzehnts erheblich gestiegen ist − und wir erwarten, dass sie in den kommenden Jahren weiter steigen wird.

· Deglobalisierung: Nationalismus, geopolitische Spannungen und technologische Veränderungen führen dazu, dass Länder ihre nationalen Interessen priorisieren, was wiederum erhöhte Handelsbarrieren und protektionistische Maßnahmen zur Folge hat. Die Wahl von Präsident Trump mit seinem „America First“-Ansatz könnte diese Tendenz weiter beschleunigen.

KI könnte Produktrevolution einläuten

· Demografie: Die Kombination aus alternden Bevölkerungen in den USA, Europa und Nordasien mit jungen und schnell wachsenden Bevölkerungen in Afrika und Südasien wird voraussichtlich sowohl Herausforderungen als auch Chancen bieten. Wie Gesellschaften mit Migration umgehen, dürfte eine wichtige Rolle dabei spielen, die Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Inflation zu bestimmen.

· Dekarbonisierung: Wir erwarten, dass erneuerbare Energien weiterhin einen größeren Anteil am globalen Energiemix ausmachen werden, doch Ressourcenschutz, Umweltsteuern und höhere Versicherungskosten könnten die Verbraucherpreise für Ressourcen in die Höhe treiben. Es bleibt ungewiss, ob Gesellschaften bereit sind, höhere Energiekosten zu akzeptieren, insbesondere wenn die Energienachfrage aufgrund der verstärkten Nutzung von KI steigt.

· Digitalisierung: Wenn das Potenzial der KI realisiert werden kann, glauben wir, dass dies eine Produktivitätsrevolution einläuten könnte. Auf makroökonomischer Ebene denken wir, dass die KI-Revolution wahrscheinlich dazu beitragen wird, die Inflation zu senken und das Wachstum zu steigern.

Insgesamt sind wir der Ansicht, dass diese Faktoren langfristig zu einer Kombination aus höherem Wachstum und Perioden höhrerer Inflation führen werden. Eine Phase höherer Investitionen in den Energiewandel und die Sicherheit sowie Produktivitätsgewinne durch KI dürften zu höherem Wachstum beitragen. Gleichzeitig sind Deglobalisierung, eine schrumpfende Zahl an Arbeitskräften in entwickelten Märkten und Umweltsteuern wohl inflationär. KI sollte deflationär wirken und könnte einige, aber wahrscheinlich nicht alle dieser Effekte ausgleichen.

Für Anlegerinnen und Anleger bedeutet dies, dass Aktien und Privatmärkte weiterhin das höchste Renditepotenzial im kommenden Jahrzehnt bieten, wenn auch mit etwas niedrigeren Renditen als in der jüngeren Vergangenheit gerechnet werden sollte. Renditen bei Anleihen werden insgesamt wahrscheinlich niedriger, aber etwas stärker als in letzter Zeit sein.

Unser Gastautor Maximilian Kunkel ist Chefanlagestratege für Deutschland und für das Segment Global Family and Institutional Wealth (GFIW) bei UBS Global Wealth Management.