DEVISENWOCHE

Weitwinkel erforderlich bei Schwellenländern

Von Torsten Hähn *) Börsen-Zeitung, 5.1.2016 Losgelöst von außergewöhnlichen Situationen sind die Inflation und Geldpolitik - sprich möglicherweise divergierende Zinspfade - für die Prognose der Devisenkurse etablierter Industriestaaten die...

Weitwinkel erforderlich bei Schwellenländern

Von Torsten Hähn *)Losgelöst von außergewöhnlichen Situationen sind die Inflation und Geldpolitik – sprich möglicherweise divergierende Zinspfade – für die Prognose der Devisenkurse etablierter Industriestaaten die relevantesten Parameter. Bei der Analyse von Schwellenländerwährungen (EM) spielt die Geldpolitik ebenfalls eine wichtige Rolle. Doch die Beurteilung konzentriert sich nicht allein auf Zinsdifferenzen, sondern ragt in den Kontext der generellen Credit-Analyse hinein. Fragen nach der Unabhängigkeit der Notenbank bzw. nach der Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft von Devisenreserven stehen auf einer klar höheren Bühne. Dazu sind geldpolitische Aspekte nur ein Betrachtungsfeld, und für die Analyse von EM-Währungen ist relativ zu Industrielandwährungen regelmäßig ein noch breiteres Fundament – mit Elementen der Bonitätsbeurteilung – zu gießen. Im Folgenden soll dies für die türkische Lira (TRY) und den südafrikanischen Rand (ZAR) geschehen. Anfällig für US-StraffungSüdafrika und die Türkei gelten als Länder, die gegenüber einer strafferen US-Zinspolitik besonders anfällig sind. Die von uns ermittelte Kennzahl zur externen Liquiditätslage eines Landes (Reserven vs. Finanzierungsbedarf) ordnet diese beiden Staaten als kritische Kandidaten ein, wobei Südafrika immerhin etwas weniger schlecht als die Türkei abschneidet. Dabei fallen beide Länder nicht durch eine ausufernde Auslandsverschuldung auf, sondern werden durch das hohe Minus in der Leistungsbilanz sowie relativ dünne Reservepolster belastet.Die externe Liquiditätsposition ist ein Indiz für die Druckresistenz einer Währung und ein zentraler Faktor unseres Scoring-Modells. In unserem EM-Jahresausblick haben wir 16 Länder anhand von rund 30 Beurteilungsindikatoren in eine Bonitätsrangfolge gebracht. Die Türkei kam dabei auf Rang 11, Südafrika belegte den vorletzten Platz 15. Trotz schwächerer externer Position konnte die Türkei im Gesamtranking aufgrund einer komfortableren fiskalpolitischen Lage sowie vorteilhafteren wirtschaftlichen Strukturen mit höherer BIP-Dynamik und geringer Rohstofflastigkeit an Südafrika vorbeiziehen. In Bezug auf Politikindikatoren lagen beide Staaten nah beieinander, wobei Südafrika eher bei Governance-Indizes punkten konnte, die reichere und gleichere Türkei aber günstigere Sozialindikatoren aufweist.Warum ist diese Betrachtung für die Währung wichtig? Ein solides Credit-Bild ist eine Zutat für nachhaltiges Investorenvertrauen und damit ein Baustein geordneter Wechselkursbewegungen. Speziell Staaten, die angesichts chronischer Leistungsbilanzdefizite auf ausländische Ersparnisse angewiesen sind, benötigen beruhigende Bonitätsbeurteilungen. Das schwache Abschneiden von Südafrika in dem Scoring-Modell signalisiert anhaltenden Ratingdruck, der sich dann im Dezember auch deutlich zeigte. Rand versus LiraTatsächlich war es eine Kombination aus der weiteren Erosion des Ratingprofils und den politischen Kapriolen bei der mehrfachen Abberufung und Neuernennung eines Finanzministers innerhalb von fünf Tagen, die den ZAR kräftig gegenüber dem Dollar abwerten ließ. Die TRY geriet 2015 vor allem in der Phase des politischen Fast-Vakuums, also im Spätsommer, in die Bredouille. Mit dem Finden einer stabilen Regierungsmehrheit hat sich die Lage etwas gefestigt.Die Sorge vor einer restriktiveren Fed-Politik sowie Bonitätsbilder, die bei beiden Ländern mit Kratzern versehen sind, haben die TRY und den ZAR 2015 belastet. Real scheint nun speziell der Rand unterbewertet, und die erste Zinsanhebung durch die US-Notenbank haben die TRY und der ZAR gut verkraftet. Können Investoren nun beherzt zugreifen? Nein. Anleger sollten bei Währungen mit diffizilem Credit-Hintergrund bestenfalls temporäre Beimischungen aufbauen. Dieser Credit-Hintergrund ist in der Türkei insgesamt aus unserer Sicht etwas vorteilhafter. Allerdings ist das Land aufgrund der schwachen externen Position genau an der Stelle verletzlich, auf die es auch für die Lira im Hinblick auf den weiteren Kurs der US-Geldpolitik ankommen kann. Im Vergleich zu Südafrika wird die Türkei zudem kritisch in Bezug auf den Anstieg privater Verschuldung (auch in Fremdwährung) gesehen. ZAR-Anlagen mögen andererseits nach der Dezember-Abwertung ins Auge stechen. Allerdings haben die letzten Wochen die Anfälligkeit der Währung demonstriert. Trifft die IWF-Prognose eines erneut mageren Wachstums im Jahr 2016 zu, könnten die Fiskalziele und damit das Ratingprofil wanken. In Kombination mit niedrigen Rohstoffpreisen droht dann ein Anhalten der ZAR-Schwäche. Umsichtigkeit ist damit für beide Währungen ein guter Ratgeber.—-*) Torsten Hähn ist Gruppenleiter für das Credit Research (EM und Corporates) der WGZ Bank.