DEVISENWOCHE

Welche Seite gibt den Ausschlag?

Von Sören Hettler *) Börsen-Zeitung, 23.5.2017 Für das Währungspaar Euro-Dollar kommt derzeit einiges zusammen. An den internationalen Finanzmärkten hat sich der Blick auf die Präsidentschaft Donald Trumps merklich eingetrübt. Von Euphorie, wie sie...

Welche Seite gibt den Ausschlag?

Von Sören Hettler *)Für das Währungspaar Euro-Dollar kommt derzeit einiges zusammen. An den internationalen Finanzmärkten hat sich der Blick auf die Präsidentschaft Donald Trumps merklich eingetrübt. Von Euphorie, wie sie noch Anfang des Jahres anzutreffen war, ist seit dem jüngsten Chaos im Weißen Haus sowie ausbleibenden Fortschritten bei der Umsetzung wichtiger Wahlversprechen nicht mehr viel übrig geblieben.Die US-Fundamentaldaten tragen ihren Teil zur Eintrübung bei. Die Inflationsrate scheint es sich im Bereich der Zweiprozentmarke gemütlich zu machen und wies zuletzt sogar einen leichten Rückgang auf. Das Bruttoinlandsprodukt verzeichnete im ersten Quartal des Jahres mit annualisiert 0,7 % (Q./Q.) den geringsten Zuwachs seit Anfang 2014. Zwar haben die Konjunkturindikatoren der letzten Wochen die Erwartungshaltung der Marktteilnehmer insgesamt nicht übermäßig enttäuscht. Von einer Dominanz positiver Überraschungen kann jedoch keine Rede mehr sein. Wann beendet EZB ihr QE?Völlig anders ist die Entwicklung im Euroraum. Der deutliche Anstieg des Preisdrucks bereits zu Jahresbeginn und unerwartet erfreuliche Konjunkturdaten haben die Spekulationen über ein Ende der ultraexpansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank befeuert. Zwar scheint deren Präsident Mario Draghi bemüht, die Diskussionen auf kleiner Flamme zu halten. Von seinen Kollegen im EZB-Rat waren allerdings schon entschlossenere Töne zugunsten einer weiterhin notwendigen sehr lockeren Geldpolitik zu vernehmen. Darüber hinaus wurde mit dem Sieg von Emanuel Macron bei den französischen Präsidentschaftswahlen eine potenziell schwere Bürde im Euroraum ad acta gelegt.In Euro-Dollar hinterlassen diese veränderten Rahmenbedingungen deutliche Spuren. Nicht nur dass sich das Währungspaar von den Ende 2016 und Anfang 2017 verzeichneten Tiefs unterhalb der Marke von 1,04 Dollar verabschiedet hat. Vielmehr wurden zuletzt mit Kursen um 1,12 Dollar Niveaus erreicht, die seit der US-Präsidentschaftswahl im November 2016 nicht mehr zu beobachten waren. Eine Analyse des Dollar-Index legt nahe, dass hinter der Euro-Aufwertung von über 6,5 % seit Ende vergangenen Jahres zu rund 60 % ein schwächerer Greenback steckt.So erfreulich die Bewegung aus Perspektive der Gemeinschaftswährung sein mag, für eine Fortsetzung der dynamischen Aufwertung dürften auf kurze Sicht die notwendigen Impulse fehlen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die EWU-Seite. So dürfte die EZB, allen voran ihr Präsident Draghi, kein Interesse daran haben, dass sich die Spekulationen über eine Rückführung der expansiven Geldpolitik und die möglichen Auswirkungen an den Finanzmärkten frühzeitig festigen. Zu groß sollte die Sorge vor ungewollten Bremseffekten für die Konjunktur sein. Folglich ist über die Sommermonate weiterhin mit überwiegend “dovishen” Äußerungen der Währungshüter zu rechnen. Zumindest bis August oder gar Anfang September muss der Euro demnach immer wieder mit moderatem Gegenwind aus Richtung der EZB zu rechnen.Gegenwind könnte dem Währungspaar kurzfristig auch von der Dollar-Seite her drohen. So ist fraglich, ob sich die Devisenmarktteilnehmer nachhaltig von den derzeitigen politischen Querelen in Washington verunsichern lassen. Nicht auszuschließen ist, dass sich ein gewisser Gewöhnungseffekt an den Finanzmärkten einstellt. Dies gilt zumindest, solange sich die Turbulenzen auf die politische Ebene beschränken und keine spürbaren Effekte auf die fundamentalen Rahmenbedingungen in den USA nach sich ziehen. Trump-Effekt ausgepreistFür eine Dollar-Aufwertung auf mittlere bis lange Sicht reicht dieser Gewöhnungseffekt indes nicht aus. Die “Trumpflation” wurde größtenteils ausgepreist, und es darf bezweifelt werden, dass die damalige Euphorie bald wieder zurückkehrt. Zum einen sollten die Finanzmärkte mittlerweile etwas skeptischer auf allzu optimistische Ankündigungen des US-Präsidenten blicken. Zum anderen dürfte das Weiße Haus auf absehbare Zeit damit beschäftigt sein, Schadensbegrenzung bei den aktuell erhobenen Vorwürfen zu betreiben. Dies bindet Aufmerksamkeit sowie Ressourcen und könnte dazu führen, dass die angekündigten Steuersenkungen und Ausgabenprogramme verschoben oder in geringerem Umfang umgesetzt werden.Angesichts einer insgesamt robusten US-Wirtschaft ließe sich das Ausbleiben nennenswerter konjunkturstützender Maßnahmen aus Washington zwar sicherlich verkraften. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass die ehemalige Trump-Euphorie in eine zunehmende Besorgnis über die ökonomischen Auswirkungen der Präsidentschaft des Immobilienmoguls übergeht und damit der Dollar unter neuerlichen Abgabedruck gerät. Die Möglichkeiten, die Märkte nachhaltig zu verunsichern, hat das Staatsoberhaupt durchaus, insbesondere mit Blick auf Maßnahmen zur Beschneidung der Unabhängigkeit der US-Geldpolitik sowie bei der Außenpolitik.An politische Stolpersteine konnte sich der Euro in den vergangenen Jahren bereits ausführlich gewöhnen. Linksruck in Griechenland, Parlamentswahlen in Spanien ohne eindeutige Mehrheiten, der Brexit und zuletzt die Präsidentschaftswahlen in Frankreich sind nur wenige Beispiele für die Unwägbarkeiten, mit denen die Gemeinschaftswährung in der jüngeren Vergangenheit zurechtkommen musste. Und mit den in Italien spätestens im kommenden Jahr anstehenden Parlamentswahlen steht der nächste potenzielle Belastungsfaktor bereits in den Startlöchern.Bislang führten politische Unsicherheiten in der EWU zwar immer wieder zu Kursabschlägen der Gemeinschaftswährung. Nachhaltig waren diese jedoch nicht. Insofern darf bezweifelt werden, dass sich die EZB von einer möglicherweise zunehmenden Skepsis gegenüber der Zukunft Italiens so weit verunsichern lässt, dass sie von der nach unserer Auffassung spätestens bis zum Jahresende angezeigten Abkehr von der ultraexpansiven Geldpolitik Abstand nimmt. Kein zweites KunststückAls der damalige Fed Chairman Ben Bernanke Mitte 2014 das Ende des QE-Programms in Aussicht stellte, legte der Dollar in den Monaten danach auf handelsgewichteter Basis um weit über 10 % zu (ohne dass die EZB ihr Anleiheankaufprogramm bereits angekündigt hätte). Zwar dürften Draghi & Co. aus dieser Erfahrung gelernt haben und äußerst vorsichtig agieren, um eine zu deutliche Reaktion an den Finanzmärkten möglichst zu vermeiden. Das Kunststück von Ende 2016, als es der EZB gelang, eine Reduzierung des Anleihekaufprogramms um 20 Mrd. Euro pro Monat durch andere begleitende Maßnahmen als expansive Maßnahme zu verkaufen und damit den Euro zu schwächen, dürfte ihr im aktuellen fundamentalen Umfeld jedoch kein zweites Mal glücken. Für spürbaren Rückenwind aus Sicht des Euro sollte es jedenfalls mittelfristig allemal genügen.—-*) Sören Hettler ist Senior-Devisenanalyst der DZ Bank.