Technologieaktien

Werte mit steigenden Risiken

Technologiewerte waren der Motor der nun einjährigen Erholungs-Rally an den Aktienmärkten. Das Maß aller Dinge war der amerikanische Tech-Index Nasdaq Composite mit einem Plus von 114% in der Zeit. Die Börsenzugpferde verlieren nun aber an Kraft....

Werte mit steigenden Risiken

Technologiewerte waren der Motor der nun einjährigen Erholungs-Rally an den Aktienmärkten. Das Maß aller Dinge war der amerikanische Tech-Index Nasdaq Composite mit einem Plus von 114% in der Zeit. Die Börsenzugpferde verlieren nun aber an Kraft. Technisch zeigen sich in Europas Branchenindex Stoxx Europe600 Technology (SX8P) bisher nur kleinere Warnsignale, die von den Anlegern aber nicht ignoriert werden sollten.

Fundamental verdrängen andere Sektoren die Technologietitel in der Anlegergunst. Finanzwerte und Autoaktien klettern teils wegen steigender Zinsen, teils aus Hoffnung auf eine Wiedereröffnung der Wirtschaft nach der Pandemie wieder nach oben auf den Einkaufslisten der Börsianer. Diese neue relative Schwäche der Tech-Werte lässt sich mit der Zinswende begründen, die in den USA ihren Anfang genommen hat und sich nun langsam durch die globalen Finanzmärkte zieht.

Anleger bevorzugen bei steigenden Anleiherenditen zumeist Aktienwerte mit kürzerer Duration. Sie suchen also Firmen, deren Erträge weniger sensibel auf Zinsänderungen reagieren, denen Geld schneller zufließt und die das teurere Kapital kürzer binden. Der Trend, von zu Hause zu arbeiten, hatte zudem insbesondere Tech-Aktien so stark nach oben getrieben, dass sie in den Augen vieler Investoren zu teuer geworden sind. Zudem steigt die Bewertung mit höheren Zinsen noch weiter an. Das schreckt einige Aktionäre mittlerweile ab. Titel, die von einer Wiedereröffnung nach den langen Virus-Aussetzern profitieren, rücken dagegen auf den Kauflisten der Investoren ganz nach oben. An den Weltbörsen lässt sich eine entsprechende Rotation aus Wachstumswerten (Growth) heraus in werthaltige, zyklische Aktien (Value) schon seit einigen Monaten beobachten.

Tiefere Tiefs markiert

In den Charts zeigt sich die verschlechterte Lage der Technologiewerte bisher nur undeutlich. Als wichtiges Alarmsignal werten wir das Zwischentief des SX8P-Index von Anfang März. Die Kurse purzelten bis auf 609 Punkte und damit etwas tiefer als in der Korrektur vom Februar. Tiefere Tiefs definieren in der technischen Analyse einen Abwärtstrend. Die notwendige Bestätigung durch einen dritten Auflagepunkt steht im Stoxx Europe600 Technology allerdings bisher noch aus.

Der vom Corona-Tief im März 2020 eingeleitete Aufwärtstrend mit einem seit Oktober nochmals beschleunigten Anstieg (schwarze Linie) erscheint aber gefährdet. Die Kurse müssten kurzfristig noch mal richtig Fahrt aufnehmen und ein klares neues Hoch markieren, um den Trend zu retten. Geht dem Index aber auf dem hohen Niveau die Kraft aus, droht die Ausbildung eines „Doppeltop“ an der blauen Linie im Chartbild. Dieses würde aber erst mit Kursen unter 609 Punkten bestätigt. Das setzte in der Folge sogar ein rechnerisches Abwärtsrisiko bis 530 Punkte oder von aktuell 23% frei.

Der Aufwärtstrend gibt aus unserer Sicht ohnehin Anlass zur Sorge. Die Volumenentwicklung in den kürzerfristigen Korrektur- und Erholungsphasen (sekundärer Trend) sendet Alarmsignale aus. Regulär laufen die Handelsumsätze in starken Kursbewegungen im Einklang mit dem Trend. Bei Europas Tech-Werten gehen aber die jüngsten Korrekturen irregulär mit steigenden Umsätzen einher, während die Kurserholungen von abnehmenden Volumen begleitet werden. Der mittlerweile einjährige Aufwärtstrend der Tech-Werte verliert damit an Kraft, am aktuellen Hoch ist das Handelsinteresse relativ gering. Die Chancen für einen weiteren Schub nach oben stehen aus unserer Sicht entsprechend schlecht – eine Entscheidung fällt aber erst in der neuen Woche.

Bisher zeigte der Index an seinen Umkehrpunkten immer wieder klar definierte Wendeformationen (blaue Kreise). Schließt sich nun wieder eine Kerze mit kleinem Körper und langem oberen Schatten, ein „Hanging Man“, an die aktuelle Aufwärtsbewegung an, ist Vorsicht geboten. Dieser Vorbote einer Umkehr würde von schwachen Handelstagen und langen schwarzen Kerzen bestätigt. Hierauf müssen Anleger im Technologiesektor in den kommenden Tagen jedenfalls achten.

Bei einem Rückschlag findet das Technologiebarometer erste Unterstützung an der sekundären Trendlinie. Wichtiger wäre aber der primäre Trend bei aktuell knapp 640 Punkten, die dickere schwarze Linie. Hält diese, bleibt auch das Aufwärtspotenzial im Index erhalten.

Bricht der Trend, rückt die Schlüsselunterstützung bei 609 Punkten in den Brennpunkt. Hier bietet das jüngste Tief gemeinsam mit der 200-Tage-Linie sehr guten Halt. Für den Test dieser Marke spricht, dass sich der Stoxx Europe600 Technology in den vergangenen Wochen ungewöhnlich weit nach oben entfernt hat von seinem Kursdurchschnitt der vergangenen 200 Handelstage. Die 200-Tage-Linie wirkt für gewöhnlich wie ein Magnet auf die Kurse und zieht den Index nach unten.

Wir rechnen mit einer entsprechenden Korrektur vom aktuellen Hoch und einem anschließenden, erfolgreichen Test der Unterstützung. Dann spricht im neuen Quartal viel für eine breite Seitwärtsbewegung der Kurse im Stoxx Europe600 Index zwischen 609 und 689 Zählern. Bei anhaltend guten Chancen für den Gesamtmarkt haben Tech-Werte damit im Vergleich zu anderen, zyklischen Branchen derzeit für uns nur unterdurchschnittliches Kurspotenzial. Anleger sollten es dem „Smart Money“ nachmachen und Gewinnmitnahmen im Tech-Bereich erwägen. Umschichtungen in aussichtsreichere zyklische Sektoren mit geringerer Anfälligkeit für steigende Zinsen – einer kürzeren Aktienduration – erscheinen sinnvoll.

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