Wertpapierleihe im Konflikt mit ESG

Japanischer Pensionsfonds steigt aus dem Geschäft aus - Assetmanager reagieren verhalten

Wertpapierleihe im Konflikt mit ESG

Der Government Pension Investment Fund (GPIF) aus Japan will ausländische Aktien in seinem Portfolio nicht mehr verleihen. Der weltgrößte Pensionsfonds begründete dies mit seiner Verantwortung, dass seine Vermögensverwalter die Stimmrechte der Beteiligungen ständig ausüben sollen. mf/wbr Tokio/Frankfurt – Der Beschluss des GPIF gilt für die ausländischen Aktien im GPIF-Portfolio im Volumen von zuletzt 42,5 Bill. Yen (354 Mrd. Euro). Unklar ist, ob bislang nur ausländische Aktien verliehen wurden und wie hoch der Anteil der Leihe ist. Die Entscheidung dürfte auf das Konto von Chief Investment Officer Hiromichi Mizuno gehen, der das GPIF-Kapital erstmals nach ESG-Prinzipien investiert. Das heißt, die Portfolio-Unternehmen müssen sozialverantwortlich und umweltverträglich agieren und auf eine gute Governance achten. Mizuno hatte das Amt 2015 übernommen, sein Vertrag wurde kürzlich um sechs Monate bis Ende März 2020 verlängert. Finanzielle BelastungMöglicherweise will Mizuno auf diese Weise noch einmal ein klares Zeichen für seine Politik setzen, bevor er seinen Posten aufgeben muss. Der Beschluss bringt jedenfalls einen finanziellen Verlust für den Fonds mit sich. Laut dem letzten Jahresbericht verdiente der GPIF durch den Aktienverleih in den drei Jahren bis 2018 insgesamt 37,6 Mrd. Yen (313 Mill. Euro). Das ist insofern interessant, als der GPIF eigentlich nicht veröffentlicht, welche Aktien er genau besitzt.Die Entscheidung wurde unterschiedlich aufgenommen. Tesla-Chef Elon Musk jubelte in einem Tweet, der Fonds habe das Richtige getan. Leerverkäufe sollten illegal sein. Die “Financial Times” spekulierte, andere Vermögensverwalter könnten dem japanischen Fondsriesen folgen. Dies würde das Geschäft der Leerverkäufer beeinträchtigen. So verdiente zum Beispiel der Branchenführer BlackRock 2017 mit dem Aktienverleihgeschäft 597 Mill. Dollar.Japans Finanzinstitutionen verfolgen in dieser Hinsicht keine einheitliche Politik. Die Bank of Japan hatte im Frühjahr angekündigt, dass sie ihre Aktien-Indexfonds im Volumen von zuletzt 27,9 Bill. Yen (233 Mrd. Euro) künftig verleihen werde. Aber Details gab man bisher nicht bekannt. Der Vorschlag sollte die Kritiker der massiven Aktienkäufe besänftigen, die der Notenbank eine Marktverzerrung vorwerfen.Die EZB und die Notenbanken der Eurozone nutzen Wertpapierleihe im Rahmen ihres Programms zum Ankauf von Vermögenswerten. Wenn in großem Umfang Wertpapiere angekauft werden, muss davon ausgegangen werden, dass weniger Papiere am Markt erhältlich sind. Durch Wertpapierleihe werde die Liquidität erhalten, so die EZB.Die Entscheidung des japanischen Pensionsfonds hat bei europäischen und amerikanischen Assetmanagern nicht für Aufsehen gesorgt. Große Anbieter wie Allianz Global Investors (AGI), BlackRock und Vanguard wollen an ihrer Praxis festhalten und haben dafür jeweils eigene Regeln aufgestellt. AGI beispielsweise verleiht nur Anleihen, da Leiheerträge im Bereich von 20 Basispunkten bei Aktien weniger interessant seien; dabei würden auch Erträge und Risiken abgewogen, die beim Verleihen von Aktien auch das Reputationsrisiko umfassen. Der US-Anbieter Vanguard wiederum nutzt die Wertpapierleihe nur bei Aktienfonds; bei Aktien-ETF liege der Anteil der verliehenen Papiere meist unter 2 %.Die Integration von ESG-Kriterien in die Wertpapierleihe-Programme wird in der Branche unterschiedlich gehandhabt. Dabei geht es einerseits darum, die Wahrnehmung von Stimmrechten mit der Leihe zu vereinen und dafür Lösungen zu finden. Solche Fragen sind auch in den UN Principles for Responsible Investment (UNPRI) geregelt. Andererseits geht es darum, die Gegenpartei im Leihegeschäft nach ESG-Kriterien auszuwählen. Die Assetmanager arbeiten in diesem Geschäft in der Regel mit Investmentbanken zusammen, die die Wertpapiere an den Endkunden weitergeben – also im Extremfall einen Hedgefonds, der die Aktien für Leerverkäufe nutzt.Die verantwortungsvolle Auswahl der Gegenpartei wird in der Regel von Fonds genutzt, die sich ohnehin ESG oder Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben. Sie unterwerfen sich dann dem Europäischen Transparenzkodex des European Sustainable and Responsible Investment Forum (Eurosif). Hier wird auf Antrag der Fondsgesellschaft für das einzelne Produkt geregelt, wie aus ESG-Gesichtspunkten beim Thema Wertpapierleihe zu verfahren ist. Klar ist aber auch, dass ESG die Wertpapierleihe nicht ausschließt. NBIM berichtet transparentWenig Berührungsängste mit dem Thema hat der norwegische Pensionsfonds NBIM, der mit einem verwalteten Vermögen von fast 1 Bill. Euro nach dem japanischen Fonds die Nummer 2 weltweit ist. Wertpapierleihe ist erlaubt, sofern es entsprechende Sicherheiten gibt und die Bonität der Gegenpartei gut ist. Der NBIM begrenzt die Leihe auf 20 % der jeweiligen Assetklasse. Darüber wird transparent berichtet. Ausweislich des letzten Geschäftsberichts lag der Anteil der verliehenen Aktien und Anleihen bei weniger als 3 %.